14813/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.04.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Vizekanzler und Bundesminister für Kunst‚ Kultur‚ öffentlichen Dienst und Sport

betreffend Wo bleibt der/die neue Präsident:in des Bundesverwaltungsgerichts?

 

Die Besetzung des Postens der/des Präsident:in des Bundesverwaltungsgerichts steht in der Öffentlichkeit unter besonderer Beobachtung. Grund dafür ist der vor etwa einem Jahr öffentlich gewordene “Sideletter” der Türkis-Grünen Koalition zum Regierungsprogramm, in dem das Nominierungsrecht für den Posten der ÖVP zugeschrieben wurde – obwohl § 2 Abs 3 BVwGG ein klar geregeltes Auswahlverfahren vorsieht. 

Für die Nachfolge von Harald Perl bewarben sich zwölf Personen. Alle wurden zum Hearing vor der im Gesetz vorgesehenen Kommission geladen. Diese bestand aus sieben Personen. Fixe Mitglieder waren laut Gesetz Vertreter:innen der drei Höchstgerichte: Neben Verfassungsgerichtshof-Präsidenten Grabenwarter waren der Senatspräsident Wolfgang Köller in Vertretung für den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes und Elisabeth Lovrek, Präsidentin des Obersten Gerichtshofes Mitglieder. Hinzu kamen mit Iris Eisenberger und dem ehemaligen Vizekanzler Clemens Jabloner – beide mit Professur an der Universität Wien – zwei Vertreter:innen der universitären Rechtswissenschaft. Die Runde komplettierten Michael Fruhmann, Leiter der Stabsstelle für Vergaberecht im Justizministerium, und Albert Posch als Vertreter des Bundeskanzleramtes; er ist dort Leiter des Verfassungsdienstes.1

Die Kommission hat laut Gesetz ein Hearing mit den zwölf Bewerber:innen durchzuführen – und dann der Regierung drei Bewerber:innen vorzuschlagen. Die drei von der Kommission vorgeschlagenen Kandidat:innen sind, Medienberichten zufolge, Sabine Matejka, derzeit Vorsteherin des Wiener Bezirksgerichts Floridsdorf, als bestgereihte, gefolgt von Chef der BVwG-Außenstelle Linz, Mathias Kopf, und schließlich der einstige Vorsitzende der Kammer für Fremdenwesen und Asyl des BVwG und nunmehriger Gruppenleiter im Innenministerium, Christian Filzwieser.Ernannt wird die neue Präsidentin oder der neue Präsident des BVwG letztlich vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung. Nach Angaben des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Anfang Januar 2023 liefe das Auswahlverfahren noch. Nach Angaben der Justizministerin Zadic im Oktober 2022 soll auf jeden Fall die/der Erstgereihte nominiert werden.3

Seit 1. Dezember 2022 ist der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Harald Perl, in den Ruhestand getreten. Seitdem führt der ÖVP-Nahe Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, Michael Sachs, das Gericht bis zur Neubesetzung des Amtes des/der Präsident:in weiter. Laut Medienberichten wäre er ebenfalls gerne Präsident des Hauses geworden, kam aber mutmaßlich wegen in Kritik stehender Rechtsprechung nicht zum Zug.

Den Medien ist zu entnehmen, dass noch vor dem Wechsel an der Spitze wichtige Positionen im Bundesverwaltungsgericht neu besetzt werden sollen und es zu einigen Umstrukturierungen kommen soll. Derzeit ist das Gericht mit Hauptsitz in Wien in vier Kammern und drei Außenstellen in Linz, Graz und Innsbruck geteilt. Die große Kammer für Fremdenwesen und Asyl dürfte nun geteilt werden: Es soll eine eigene "Eilkammer" herausgelöst werden, die vor allem für Abschiebungen, Schubhaftentscheidungen und für bestimmte Herkunftsstaaten zuständig ist. Eine Aufteilung in zwei Kammern, wie sie bereits bei der Einrichtung des BVwG im Jahr 2014 vorgesehen war, wurde in der Vergangenheit immer wieder diskutiert. Aufgrund der Umstrukturierung müssen die beiden Chef:innenposten der neu entstehenden Asylkammern nachbesetzt werden. Auch in der Kammer für Soziales bestellt das Gericht eine Nachfolge für die bisherige Vorsitzende, die ihr Amt mit Ende Jänner zurücklegt, und für deren Stellvertreterin. Da aktuell der ÖVP-nahe Michael Sachs das Gericht interimistisch führt, wird nun auch er die Kammervorsitzenden und ihre Stellvertreter:innen "nach Anhörung des Personalsenates für die Dauer von sechs Jahren bestellen", wie es im Gesetz heißt. Kammervorsitzende können auch "jederzeit aus wichtigen Gründen" wieder vom Präsidenten abberufen werden. Während im BVwG die neue Geschäftsverteilung für das kommende Geschäftsjahr, das mit 1. Februar beginnt, diskutiert wird, bleibt noch immer unklar, wann nun die Neubesetzung des Amtes des/der Präsident:in stattfinden wird.5

 

  1. https://www.derstandard.at/story/2000142447622/die-baustellen-der-regierungsklausur
  2. https://www.derstandard.at/story/2000139796237/justizministerinzadic-eigene-gerichtspolizei-spannender-vorschlag
  3. https://www.derstandard.at/story/2000137349439/lotterie-am-asylgericht-wie-sich-strukturelle-probleme-auf-entscheide-auswirken
  4. https://www.vn.at/politik/2022/10/04/diese-kommission-besetzt-das-praesidium-des-bundesverwaltungsgerichts.vn?_ga=2.195019624.476224021.1674657357-1249417508.1674657357
  5. https://www.derstandard.at/story/2000142659458/vor-wechsel-an-der-spitze-bundesverwaltungsgericht-besetzt-wichtige-positionen-neu

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Seit wann war bekannt, dass der Präsident des BVwG, Harald Perl, am 01.12.2022 seinen Ruhestand antreten würde?
  2. Wann begannen die Planungen für die Ausschreibung des Präsident:innenpostens am BVwG? Mit welchem Zeitlauf wurde gerechnet?
    1. Aus welchen Gründen hat der Bestellungsprozess nicht rechtzeitig begonnen?
  1. Präsident Perl gab im Ö1 Journal am 18.03.2023 sinngemäß bekannt, dass eine Übergangs- und Übergabephase mit seiner/m Nachfolger:in von Vorteil gewesen wäre. Warum wurde darauf nicht eingegangen?
  2. § 2 Abs 3 BVwGG sieht u.a. als Mitglied der Kommission ein:e weitere:n Vertreter:in "eines Bundesministeriums": Wie wird und wurde im konkreten Fall nach welchen Kriterien ausgewählt, welches Ministerium ein Kommissionsmitglied stellen darf?
    1. Wie kam es dazu, dass das Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt ein Mitglied stellen durfte bzw. wie verlief hier die Abstimmung? 
    2. Wer war in die Bestimmung der Kommissionsmitglieder eingebunden?
  1. Wann wurde das Auswahlverfahren begonnen und abgeschlossen? 
  2. Seit wann ist Ihrem Ministerium das Ergebnis des Auswahlprozesses bekannt?
  3. In welcher genauen Reihenfolge wurden die zwölf Kandidat:innen von der Kommission aufgelistet? 
  4. An welchem Tag langte das Gutachten der Kommission in Ihrem Ministerium ein? 
    1. Aus welchen Gründen dauerte die Übermittlung des Gutachtens so lange? 
  1. Inwiefern wurde die von der Kommission etablierten Reihenfolge beachtet? 
    1. Welche Position vertritt Ihr Ministerium diesbezüglich? 
  1. Wurden die Kandidat:innen kontaktiert und über den Ausgang des Verfahrens informiert?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn ja, welche Informationen wurden mitgeteilt?
    3. Wurde den drei Erstgereihten ein Zeithorizont genannt, in welchem sie mit der Ernennung rechnen konnte?

                                          i.    Wenn ja, welcher? 

  1. Unter welchen Voraussetzungen kann die Begutachtung der gesetzlich vorgesehenen Auswahlkommission unbeachtet bleiben?
    1. Waren diese Voraussetzungen in diesem Fall erfüllt und wenn ja, inwiefern? 
  1. Sollte die von der Kommission etablierte Reihenfolge nicht beachtet bzw. die erstgereihte nicht nominiert worden sein: Aus welchen konkreten Gründen?
    1. Welche Position vertritt Ihr Ministerium diesbezüglich? 
    2. Wurden alle Kandidat:innen von der Kommission neugereiht oder gab es eine sogenannte "shortlist" mit den TOP 3 Kandidat:innen?

                                          i.    Wenn ja, wer sind die TOP 3 Kandidat:innen?

    1. Ist es korrekt, dass Sabine Matejka die topgereihte Kandidatin ist?
  1. Wer besetzt die Stelle des interimistischen Vizepräsidenten, während der Vizepräsident Sachs interimistisch das BVwG leitet(e)?
    1. Wie wurde diese Person bestimmt?
    2. Wie ist die Entlohnung von Vizepräsident Sachs während seiner interimistischen Leitungsphase?
    3. Entspricht es den Tatsachen, dass der Vizepräsident Sachs sich um die Stelle des Präsidenten beworben hat?
    4. Entspricht es der Tatsache, dass der Vizepräsident Sachs sich nicht unter den TOP 3 gereihten Kandidat:innen befindet?
  1. Sollte es zum Zeitpunkt der Beantwortung noch immer nicht zur Neubesetzung gekommen sein: Wann ist spätestens mit einem Amtsantritt zu rechnen? 
  2. Im Oktober 2022 war die Intention, die große Kammer für Fremdenwesen und Asyl zu teilen, bereits bekannt. Zwei neue Chef:innenposten müssen dafür neu besetzt werden. Welcher Zeitplan war damals für diese Neubesetzungen angedacht?
    1. In welcher Form, nach welchem Verfahren und welchen Kriterien erfolgen die Bestellungsverfahren? 
  1. In welcher Form, nach welchem Verfahren und welchen Kriterien wird die/der neue:r Vorsitzende der Kammer für Soziales und nachbesetzt? 
  2. Waren Sie bzw. welche Stelle Ihres Ressorts in die Bestellungsverfahren eingebunden? 
    1. Wenn ja, in welcher Form jeweils?