14820/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.04.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Wie das BMF bei Arbeitgeberdarlehen abkassiert

 

Sachbezüge sind Vorteile aus einem Dienstverhältnis, die nicht in Geld bestehen. Wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein zinsenloses Darlehen bzw. einen zinsenlosen Gehaltsvorschuss gewährt, der den Freibetrag von 7.300 EUR überschreitet, ist für die Zinsersparnis ein Sachbezug anzusetzen. Dabei wird nach derzeitiger Rechtslage die Zinsersparnis variabel bemessen, wobei als Vergleichswert der durchschnittliche 12-Monats-Euribor plus 0,75 % anzusetzen ist. Der Zinssatz wird vom BMF jährlich für das Folgejahr mittels Verordnung (Sachbezugswerteverordnung) festgelegt. Die Zinsenersparnis ist beitragsrechtlich als laufender Bezug zu behandeln und lohnsteuerlich als sonstiger Bezug gem. § 67 Abs. 10 EStG (nach Tarif ohne Jahressechstelerhöhung) zu versteuern. (1) Sinn der Regelung ist ein Fremdvergleich: Wird der Arbeitnehmer, der von seiner Firma ein zinsverbilligtes Darlehen bekommt, bessergestellt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der anderswo einen Kredit aufnimmt?

Die nunmehr stark gestiegenen Marktzinsen bewirken allerdings für festverzinsliche Arbeitgeberdarlehen eine massive Erhöhung des zu versteuernden Sachbezugs: Den in der Vergangenheit vereinbarten Festzins stellt das BMF dem aktuellen Marktzins gegenüber, um einen geldwerten „Vorteil“ zu bemessen. Ein Festzins, den ein Arbeitnehmer beispielsweise 2020 vereinbart hat, kann damals marktkonform und daher sachbezugsfrei gewesen sein. Heute fällt für denselben Kredit ein massiver Sachbezug an, weil sich der Marktzins erhöht hat. Das hat allerdings mit einem Fremdvergleich mit dem Letztverbraucher nichts zu tun. Davon ginge aber das EStG aus, an das sich das BMF zu halten hätte.

Ein Beispiel: Ein Fixzinskredit zu 0,93%, aufgenommen am 06.05.2020, ergibt für 2023 einen Sachbezug von 0,07% (weil 2022 der 12 Monate-Euribor noch niedrig war). Aber schon 2024 wird derselbe Kredit einen Sachbezug von rund 3,00% auslösen, obwohl der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Besserstellung zukommen hat lassen. Das bedeutet, dass am Ende der Letztverbraucher mit fixverzinsten Bankkredit vom EStG verschont wird, während ein Mitarbeiter mit denselben Konditionen wie der Letztverbraucher genau dafür einen Sachbezug versteuern muss.

Dieser Berechnungsformel des BMF liegt eine Fehlbeurteilung zugrunde, weil sie den Vorteil eines Fixzinsdarlehens an einem variablen Zinssatz bemisst. Die Marktkonformität eines Festzinssatzes lässt sich aber immer nur für den Zeitpunkt der Vereinbarung dieses Zinssatzes bewerten. Der Fremdvergleich muss für diesen Zeitpunkt stattfinden. Das ist nur logisch, denn der Festzins für einen zehnjährigen Kredit beispielsweise über EUR 100.000 unterlag am 06.05.2020 anderen Marktbedingungen als am 06.05.2023. Die Verordnung des BMF errechnet mit ihrer Formel aber einen geldwerten Vorteil, wo gar keiner ist: Auch wer am 06.05.2020 statt bei seinem Arbeitgeber bei einer beliebigen Bank einen Festzinskredit aufgenommen hat, hat bessere Konditionen bekommen als am 06.05.2023. Tatsächlich müsste daher immer mit dem Marktzinssatz verglichen werden, der im Zeitraum der Vereinbarung des Festzinses relevant war.

So heißt es in den Lohnsteuerrichtlinien, RZ 138: „Unter dem üblichen Endpreis am Abgabeort versteht man daher den Preis, den Letztverbraucher im normalen Geschäftsverkehr zu zahlen haben.“ Was hätte also ein Letztverbraucher, der einen Fixzinskredit am 15.05.2020 aufnimmt, für einen Zinssatz bezahlt?

Dass es darauf ankommt, WANN einem Arbeitnehmer ein Arbeitgeberdarlehen zukommt, erschließt sich auch aus den Lohnsteuerrichtlinien RZ 141a: „Wenn der Arbeitgeber die den Arbeitnehmern gewährten Sachbezüge auch fremden Letztverbrauchern anbietet, ist gemäß § 15 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 jener Preis maßgeblich, zu dem der Arbeitgeber die Waren oder Dienstleistungen seinen Kunden verkauft (Endpreis für fremde Letztverbraucher). Übliche Preisnachlässe (zB Mengenrabatte, Aktionen, Schlussverkauf) können in Abzug gebracht werden; dabei ist wiederum auf den Zeitpunkt des kostenlosen oder verbilligten Bezugs der Ware oder Dienstleistung abzustellen. Es liegt somit ein geldwerter Vorteil aus dem Dienstverhältnis vor, wenn dem Arbeitnehmer Waren zu "Ausverkaufskonditionen" außerhalb der Ausverkaufszeiten überlassen werden.“ Und genauso muss es bei der Beurteilung eines Fixzinskredits darauf ankommen, ob der Fixzinskredit in der „Ausverkaufskondition“ der EZB-Niedrigstzinsphase vereinbart wurde oder erst 2023 und danach.

Wenn der Arbeitnehmer nun für sein Arbeitgeberdarlehen mit Fixzins vom 06.05.2020 einen Sachbezug versteuern muss, steht er finanziell schlechter da als der Letztverbraucher, der am selben Tag einen Fixzinskredit vereinbart hat. Für dieses Ergebnis fehlt jede sachliche Rechtfertigung. Das Ergebnis widerspricht dem Telos des § 15 EStG ebenso wie den diese Bestimmung auslegenden LStR.

Ganz abgesehen davon fragt sich die Banken-Fachwelt, wer im BMF zu dem Schluss gekommen ist, dass für den typischen Kredit, den ein Letztverbraucher bei einer Bank aufnimmt, der 12 Monate-Euribor herangezogen wird. Üblich ist wohl verbreitet der 3 Monats-Euribor. Bei einem Festzinskredit kommt als Referenzzinssatz auch ein Swap-Satz in Frage, aber nicht der 12 Monate-Euribor. Dieser Umstand unterstreicht nur die Willkür, die der Berechnung der Formel innewohnt, die das BMF in die Sachbezugswerteverordnung gegossen hat.

Quellen:

https://www.wko.at/service/steuern/Sachbezuege---Lohnsteuerliche-Behandlung.html#heading_Zinsersparnisse

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

  1. Welche sachliche Rechtfertigung sehen Sie darin, den Vorteil eines Fixzinskredites mittels eines variablen Zinssatzes zu messen?
  2. Welche Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass sich der Vorteil eines Rechtsgeschäfts (Arbeitgeberdarlehen) im Zeitverlauf verändert, obwohl sich die Vergleichswerte für den Letztverbraucher am „Abgabeort“ zum Abgabezeitpunkt nicht verändert haben?
  3. Wie kann sich logisch die Verbilligung eines einmal gewährten langfristigen Sachbezuges im Zeitverlauf verändern?
  4. Wie stellen Sie sicher, dass die Regelung des § 5 Abs 2 Sachbezugswerteverordnung nicht dazu führt, dass Beschäftigte mit Arbeitgeberdarlehen schlechter gestellt werden als Letztverbraucher mit Bankkrediten zu denselben Konditionen?
  5. Welche sachliche Rechtfertigung sehen Sie darin, den Vorteil eines Arbeitnehmerdarlehens mittels des im Markt unüblichen 12 Monate-Euribor zu messen?
  6. Bis wann dürfen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Novellierung der Sachbezugswerteverordnung rechnen?