14838/J XXVII. GP
Eingelangt am 18.04.2023
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Anfrage
des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Vom Bundespräsidenten zur Verfolgung freigegeben: Angriff auf Meinungs- und Pressefreiheit
Besteht der Verdacht einer strafbaren Handlung gegen die Ehre des Bundespräsidenten, so ist diese von Amts wegen zu verfolgen, wenn der Bundespräsident die Ermächtigung zur Verfolgung erteilt.
Derart von Bundespräsident Alexander van der Bellen zur Verfolgung durch die Staatsgewalt freigegeben wurde nunmehr Florian Machl, der Chefredakteur und Herausgeber von www.report24.news, einem österreichischen Onlinemedium mit rund 3 Millionen Seitenzugriffen pro Monat. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der üblen Nachrede zu Lasten des Bundespräsidenten gem. § 111 iVm. § 117 StGB ermittelt. Es stellt sich die Frage ob hier ein unliebsamer, weil kritischer Journalist eingeschüchtert werden soll oder ob das „Sonderverfolgungsrecht“ gem. § 117 StGB gar gezielt gegen Bürger eingesetzt wird, die öffentlich Kritik an politischen Entscheidungsträgern äußern.
Hintergrund der Causa ist, dass Machl im September 2022 in seinem Online-Medium einen offenen Brief als Teil eines Kommentars veröffentlichte, der bezugnehmend auf Bundespräsident Alexander Van der Bellen und einen von ihm im Rahmen seines Präsidentschaftswahlkampfes getätigten Wirtshausbesuch folgende Passage enthielt:
Dass genau dort Wahlkampf betrieben wird für einen Mann, der die Verfassung mit Füßen tritt und die Spaltung der Gesellschaft zulässt, wie kein anderer vor ihm, ist ein außerordentlich schmerzhaftes Ereignis.[1]
Diese Textpassage genügte offensichtlich, um ein Ermittlungsverfahren gegen einen Bürger und Journalisten gemäß § 117 StGB nach Ermächtigung des beleidigten Vertretungskörper einzuleiten und ihn durch das Oberösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) zu einer Beschuldigteneinvernahme vorzuladen. In dieser Einvernahme gab Machl an, dass es sich klar ersichtlichen um einen journalistischen Kommentar handelte und er auf die verfassungsmäßig garantierte Meinungs- und Pressefreiheit und das dadurch abgeleitete Recht zur kritischen Auseinandersetzung mit Personen, die im öffentlichen Interesse stehen, bestehe.
Es stellt sich daher die Frage, ob und warum § 117 StGB von Seiten der Behörden und konkret in diesem Fall instrumentalisiert wird, um nicht nur gegen kritische Bürger vorzugehen, sondern auch einen unverhohlenen Angriff auf die Pressefreiheit durch die Festlegung eines präsidentiellen Meinungskorridors durchzuführen. Ebenso zeichnet dieses Vorgehen ein zumindest fragwürdiges Amtsverständnis des Bundespräsidenten nach, da er die Ermittlungen in diesem Falle ermächtigt hat, in anderen Fällen jedoch davon absah.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage
1. In wie vielen Fällen wurde gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB um die Ermächtigung zur Verfolgung von strafbaren Handlungen gegen die Ehre gem. § 117 Abs. 1 2. Satz StGB seit dem Jahr 2017, in welchem Alexander van der Bellen am 26. Jänner als Bundespräsident angelobt wurde, angesucht bzw. versucht, eine solche Ermächtigung einzuholen? (Bitte nach Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
a. Wie viele Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB wurden an den Bundespräsidenten gerichtet? (Bitte nach Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
b. Wie viele Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB wurden an den Nationalrat gerichtet? (Bitte nach Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
c. Wie viele Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB wurden an den Bundesrat gerichtet? (Bitte nach Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
d. Wie viele Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB wurden an die Bundesversammlung gerichtet? (Bitte nach Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
e. Wie viele Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB wurden an einen Landtag gerichtet? (Bitte nach Landtag, Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
f. Wie viele Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB wurden an den Bundesminister für Landesverteidigung gerichtet? (Bitte nach Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln sowie ob eine Beleidigung des Bundesheeres oder einer zu konkretisierenden selbständigen Abteilung des Bundesheeres Anlassfall war.)
g. Wie viele Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB wurden an eine Behörde gerichtet? (Bitte nach Behörde, Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
2. In wie vielen Fällen wurde gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB um die Ermächtigung zur Verfolgung von strafbaren Handlungen gegen die Ehre des Bundespräsidenten gem. § 117 Abs. 1 2. Satz StGB bei den Amtsvorgängern von Alexander van der Bellen jeweils angesucht bzw. versucht eine solche einzuholen? (Bitte für die Amtsvorgänger jeweils nach Jahr und ansuchende Behörde aufschlüsseln.)
3. Auf welche konkreten Delikte bezogen sich die Ansuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB jeweils? (Bitte in Konkretisierung der Antworten zu den Fragen 1. a-g. sowie 2. Aufschlüsseln.)
4. In wie vielen Fällen wurde die Ermächtigung zur Verfolgung erfolgreich eingeholt? (Bitte in Konkretisierung der Antworten zu den Fragen 1. a-g. sowie 2 aufschlüsseln.)
5. In wie vielen Fällen wurde die Ermächtigung begründet verweigert? (Bitte in Konkretisierung der Antworten zu den Fragen 1. a-g. sowie 2 aufschlüsseln und anführen welche Gründe angegeben wurden.)
6. In wie vielen Fällen wurde die Ermächtigung durch das Ausbleiben einer Antwort verweigert? (Bitte in Konkretisierung der Antworten zu den Fragen 1. a-g. sowie 2 aufschlüsseln.)
7. In wie vielen Fällen kam es zu einer Anklage? (Bitte in Konkretisierung der Antworten zu den Fragen 1. a-g. sowie 2 aufschlüsseln.)
8. In wie vielen Fällen kam es zu einer Verurteilung? (Bitte in Konkretisierung der Antworten zu den Fragen 1. a-g. sowie 2 aufschlüsseln.)
9. In wie vielen Fällen kam es zu einem Freispruch? (Bitte in Konkretisierung der Antworten zu den Fragen 1. a-g. sowie 2 aufschlüsseln.)
10. Wie viele Verfahren, in welchen die Ermächtigung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB eingeholt wurde, werden derzeit in Ihrem Ressort geführt? (Bitte nach die Ermächtigung einholender Behörde, beleidigter Person, Vertretungskörper bzw. Behörde sowie Verfahrensstand bzw. Anlassfall aufschlüsseln)
a. Wie ist der Stand des Verfahrens? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
b. Welche Staatsanwaltschaft führt das Verfahren?
c. Gegen wen wird das Verfahren geführt?
d. Welche Zeugen wurden wann einvernommen?
e. Wurde der Bundespräsident bzw. ein Bundesmister je als Zeuge einvernommen?
i. Wenn ja, wer?
ii. Wenn ja, wann?
iii. Wenn nein, weshalb nicht?
12. Wie viele Ihr Ressort betreffende Ansuchen um Ermächtigung gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB sind derzeit in Ihrem Ressort anhängig? (Bitte nach die Ermächtigung einholender Organisationseinheit, beleidigter Person, Vertretungskörper bzw. Behörde sowie Verfahrensstand bzw. Anlassfall aufschlüsseln)
13. Wie oft wurde in der laufenden Legislaturperiode betreffend Ihr eigenes Ressort gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB um eine Verfolgungsermächtigung angesucht? (Bitte nach die Ermächtigung einholender Organisationseinheit, beleidigter Person, Vertretungskörper bzw. Behörde sowie Verfahrensstand bzw. Anlassfall aufschlüsseln)
a. Wer wollte derart die Ermächtigung zur Verfolgung einholen?
b. Wie wurden solche Ansuchen gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB beantwortet?
c. Wurden solche Ansuchen gem. § 117 Abs. 1 3. Satz StGB nicht beantwortet und die Ermächtigung dadurch verweigert?
d. In wie vielen Fällen wurde eine Ermächtigung zur weiteren Verfolgung erteilt?
e. In wie vielen Fällen wurde eine Ermächtigung begründet abgelehnt?
14. Inwiefern ist oben genannter Fall mit den in der Bundesverfassung garantierten Grundrechten der Meinungs(äußerungs)- und Pressefreiheit vereinbar?
15. Inwiefern steht das Handeln des Bundespräsidenten, insbesondere da er in vergleichbaren Fällen nach Gutdünken über die Ermächtigung zur Verfolgung entscheidet, im Widerspruch zur EMRK?
16. Wurden Sie respektive Ihr Ressort über oben genannten Fall vom LVT Oberösterreich informiert?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, auf welche Art?
17. Wie stellen Sie als Justizministerin sicher, dass § 117 Abs. 1 2. Satz StGB nicht als politisches Werkzeug instrumentalisiert wird, um kritische Meinungen aus der Öffentlichkeit zu verbannen?
18. Planen Sie eine Evaluierung von § 117 Abs. 1 2. Satz StGB dahingehend, ob die Ermächtigung zur Verfolgung durch den Bundespräsidenten nach sachlichen Gesichtspunkten stattfindet oder es sich doch eher um willkürliche Eingriffe in das Privatleben (vgl. Art. 17 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte) handelt?
19. Wurde in dem in der Begründung geschilderten Fall von einem oder mehreren Journalisten eines konkurrierenden Mediums Anzeige erstattet?
20. Wurde im in der Begründung geschilderten Fall von Amts wegen Anzeige erstattet?
a. Wenn ja, auf Grund welcher Sachlage?
b. Wenn ja, wurde die Anzeige aufgrund des Medienberichtes des Angezeigten erstattet?
c. Wenn ja, inwiefern wurde dabei auf die Pressefreiheit Rücksicht genommen?
21. Wurde in dem in der Begründung geschilderten Fall vom Bundespräsidenten selbst bzw. von Bediensteten der Präsidentschaftskanzlei Anzeige erstattet?
22. Von wem wurde in dem in der Begründung geschilderten Fall Anzeige gegen einen Journalisten aufgrund seiner Berichterstattung erstattet? (Bitte diese Frage sowie die vorangegangenen Fragen ggf. klassifiziert gem. Informationsordnungsgesetz beantworten.)
23. Welche Akten, Unterlagen und Korrespondenzen gibt es in Ihrem Ressort seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode bezüglich der Verfolgungsermächtigung gem. § 117 StGB? (Bitte diese Frage sowie die vorangegangenen Fragen sofern notwendig klassifiziert gem. Informationsordnungsgesetz beantworten.)