14852/J XXVII. GP
Eingelangt am 20.04.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Julia Herr,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft
betreffend Österreichs Einsatz für ein starkes Lieferkettengesetz
Der Prozess auf europäischer Ebene für ein EU-weites Lieferkettengesetz ist in vollem Gange. Zum Zeitpunkt der Anfragestellung finden dazu gerade die Verhandlungen im Europäischen Parlament statt. Doch bereits Anfang Dezember 2022 einigten sich die EU-Staaten im Zuge der tschechischen Ratspräsidentschaft auf einen gemeinsamen Standpunkt des EU-Rates. Wie Sie nach der Sitzung verlautbarten, haben Sie sich dabei enthalten, statt Fortschritte für ein EU-Lieferkettengesetz aktiv zu unterstützen.[1]
Ihre Enthaltung begründeten Sie mit noch unklaren Punkten und dem Bedarf sich Zeit zu nehmen diese zu klären. Dieser Standpunkt ist insofern verwunderlich, als das bereits über das gesamte Jahr 2022 laufend Gespräche zum Lieferkettengesetz stattgefunden haben. Gemeinsam mit Justizministerin Zadić luden Sie für den 4. und 19. Oktober 2022 zu zwei Ausgaben eines Runden Tisches ein, an dem ExpertInnen von Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, ÖGB, Rechtsanwaltschaftskammer sowie von NGOs und aus der Wissenschaft und den zuständigen Ministerien teilnahmen.[2] Außerdem wurde bereits Anfang September 2022 ein Kompromisstext der tschechischen Ratspräsidentschaft diskutiert[3] und das Ziel einen Kompromiss noch vor Übergabe der Ratspräsidentschaft an Schweden mit Jahreswechsel war ebenfalls bekannt.
Neben dem Rückblick auf den Beschluss des EU-Rates im letzten Dezember ist aber auch der Blick in die Zukunft von großem Interesse. Wenn die Verhandlungen im EU-Parlament positiv abgeschlossen werden, geht es anschließend mit den Trilog-Verhandlungen weiter. Hier hängt es auch vom Einsatz der Österreichischen Bundesregierung ab, ob am Ende ein starkes, wirksames Lieferkettengesetz steht oder ein verwässertes Gesetz auf Kosten von ArbeitnehmerInnenrechten, Umwelt und Klima beschlossen wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1. Wie verlief der Austausch betreffend EU-Lieferkettengesetz mit folgenden Institutionen und Organisationen über die Jahre 2022 und 2023 hinweg?
a. Bundeskanzleramt
b. Bundesministerium für Finanzen
c. Bundesministerium für Justiz
d. Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten
e. Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
f. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
g. Arbeiterkammer
h. ÖGB
i. Wirtschaftskammer
j. Industriellenvereinigung
k. Rechtsanwaltschaftskammer
2. Wie verlief der Austausch betreffend EU-Lieferkettengesetz mit NGOs über die Jahre 2022 und 2023 hinweg?
a. Mit welchen NGOs standen Sie bzw. Ihr Ministerium dabei in Kontakt?
3. Was war das Ergebnis des ersten Runden Tisches vom 4. Oktober 2022?
4. Was war das Ergebnis des zweiten Runden Tisches vom 19. Oktober 2022?
5. Wann legte die tschechische Ratspräsidentschaft den ersten Kompromissvorschlag vor?
6. Wie verlief der Austausch darüber auf EU-Ebene?
7. Wie haben Sie bzw. Ihr Ministerium sich in diesen Austausch eingebracht?
8. Welche Kritikpunkte hatte Österreich am ersten Kompromissvorschlag?
9. Wie wurden diese eingebracht?
10. Wie verlief der weitere Prozess bis zum Kompromissvorschlag, auf den sich die EU-Staaten am 1. Dezember 2022 einigten?
11. Wie haben Sie bzw. Ihr Ministerium sich in diesen Prozess eingebracht?
12. Wurden Kritikpunkte Österreichs berücksichtigt?
13. War Ihnen bekannt, dass eine Einigung noch während der tschechischen Ratspräsidentschaft angestrebt wird?
14. Haben Sie bereits vor dem 1. Dezember 2022 angebracht, dass Sie nicht genügend Zeit sehen, um alle Fragen zu klären?
15. Im Vorfeld der Sitzung vom 1. Dezember 2022, war Ihr Abstimmungsverhalten Thema innerhalb der Bundesregierung?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
16. Im Vorfeld der Sitzung vom 1. Dezember 2022, waren Sie mit einem der folgenden Regierungsmitglieder betreffend Abstimmungsverhalten in Kontakt?
a. Bundeskanzleramt
b. Bundesministerium für Finanzen
c. Bundesministerium für Justiz
d. Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten
e. Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
17. Wenn Sie mit einem dieser Regierungsmitglieder betreffend Abstimmungsverhalten in Kontakt standen, was war das jeweilige Ergebnis dieses Austausches?
18. Gab es eine regierungsinterne Übereinkunft, dem Kompromissvorschlag vom 1. Dezember 2022 zuzustimmen?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, warum haben Sie sich dann enthalten?
19. Gab es eine regierungsinterne Übereinkunft, sich bei der Abstimmung zu enthalten?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn nein, warum haben Sie sich dann enthalten?
20. Gab es eine regierungsinterne Übereinkunft, den Kompromissvorschlag vom 1. Dezember 2022 abzulehnen?
a. Wenn ja, warum?
b. Und warum haben Sie sich dann enthalten?
21. Wann haben Sie sich entschlossen sich bei der Sitzung zu enthalten?
a. Und aus welchen Gründen?
22. Welche Kritikpunkte haben Sie am Kompromissvorschlag vom 1. Dezember 2022?
23. Haben Sie im Vorfeld des 1. Dezember 2022 mit VertreterInnen aus dem Banken- und Finanzsektor bezüglich Lieferkettengesetz Gespräche geführt?
a. Wenn ja, mit wem?
b. Wenn ja, was war der Inhalt dieser Gespräche?
c. Wenn ja, warum wurden diese Gespräche nicht im Zuge der Round Tables geführt, die für alle Stakeholder offen waren?
24. Laut einem Bericht der Wiener Zeitung[4] gäbe es Ihnen zufolge „eine klare Stellung des Finanzministeriums für eine Ausnahme“ des Finanzsektors vom Anwendungsbereich der Richtlinie. Wie und zu welchem Zeitpunkt wurde Ihnen diese Position des BMF kommuniziert?
a. War diese Position des BMF ausschlaggebend für Ihre Positionierung?
25. Das EU-Lieferkettengesetz ist eine horizontale Regelung, die grundsätzlich alle Sektoren betrifft. Weshalb soll es für den Finanzsektor Sonderregelungen geben?
26. Fanden Ihrerseits seit dem 1. Dezember 2022 Gespräche auf europäischer oder österreichischer Ebene statt, um Antworten auf diese Kritikpunkte zu finden?
a. Wenn ja, mit wem und mit welchem Resultat?
b. Wenn nein, warum nicht?
27. Fanden Ihrerseits seit dem 1. Dezember 2022 Gespräche mit den in Frage 1 und 2 genannten Institutionen und Organisationen betreffend EU-Lieferkettengesetz statt?
a. Wenn ja, mit wem und mit welchem Resultat?
b. Wenn nein, warum nicht?
28. Was ist Ihre Position für die weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene?
29. Der ENVI-Ausschuss des EU-Parlaments hat sich am 9. Februar 2023 für strengere Regeln hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutzgesetz im Zuge des Lieferkettengesetzes ausgesprochen.[5] Unterstützen Sie die Punkte des dort beschlossenen Antrags?
30. Arbeiten Sie bzw. Ihr Ministerium an einem österreichischen Lieferkettengesetz?
a. Wenn ja, mit wem sind Sie diesbezüglich in Austausch und wie geht es dabei voran?
b. Wenn nein, warum nicht?
31. Arbeiten Sie bzw. Ihr Ministerium an einem internationalen Lieferkettengesetz?
a. Wenn ja, mit wem sind Sie diesbezüglich in Austausch und wie geht es dabei voran?
b. Wenn nein, warum nicht?
[1] https://www.derstandard.at/story/2000141414862/eu-staaten-einig-bei-lieferkettengesetz
[2] https://www.bmj.gv.at/ministerium/aktuelle-meldungen/Zadić-und-Kocher--Runder-Tisch-zu-EU-Lieferkettengesetz.html
[3] https://www.euractiv.de/section/finanzen-und-wirtschaft/news/rufe-nach-besserer-rechenschaftspflicht-von-unternehmen-werden-lauter/?_ga=2.69253270.705292439.1662448121-316057934.1662103898
[4] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/international/2170257-Kocher-will-mehr-Zeit-fuer-EU-Lieferkettengesetz.html
[5] https://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2014_2019/plmrep/COMMITTEES/ENVI/AMC/2023/02-09/CSDD_CAs_final_EN.pdf