14865/J XXVII. GP
Eingelangt am 25.04.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Outsourcing von sensiblen Angelegenheiten an Privatfirmen aus Drittstaaten und die mangelnde Fehlerkultur des BMEIA
Der Fall des gleichgeschlechtlichen iranisch-österreichischen Ehepaares hat mittlerweile traurige Berühmtheit erlangt: Der betroffene iranische Staatsbürger ist homosexuell, mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und wollte seine Eltern nach Österreich zur Hochzeit einladen. Im Rahmen des für die Einreise nach Österreich erforderlichen Visaverfahrens hatte die betroffene Familie massive Sorgen, dass die Offenbarung der Beziehung der beiden Männer zum Problem werden könnte. Für ein Visum aus dem Iran muss in diesem Fall der österreichische Ehepartner den Antrag stellen; dafür bedarf es genauer Angaben in Bezug auf das Verhältnis des Einladenden zur Familie des Partners. Da Homosexualität im iranischen "Gottesstaat" mit der Todesstrafe bedroht ist, ersuchte das Paar, den Antrag für die Familie direkt auf der Botschaft stellen zu dürfen, anstatt (wie vorgesehen) das für die Visaabwicklung betraute Privatunternehmen VFS Global mit iranischen Mitarbeitern einzubeziehen. Diese Bedenken äußerten sie auch gegenüber den Behörden, worauf ihnen jedoch mitgeteilt wurde, dass der zuständige österreichische Botschafter in Teheran, Herr Mag. Wolf Dietrich Heim, unmöglich zu erreichen sei. Nach einer E-Mail an Außenminister Schallenberg langte folgende Antwort der Teheraner Botschaft ein: "Wenngleich uns die Problematik im Iran natürlich bewusst ist, sehen wir nichts, worüber Sie besorgt sein brauchen. Wir werden das Visaverfahren Ihrer Schwiegereltern wie jedes andere abhandeln und die Frage der sexuellen Orientierung der Einlader ist dabei nicht relevant. Österreichische Botschaft Teheran."
Wie vom Ehepaar befürchtet, wurde die Familie durch die iranischen Mitarbeiter der VFS Global zur Vorsprache geladen. Dort fragte man sie, in welcher Beziehung die Familie zu den Einladenden stünden. Als sie lediglich erklärten, dass die beiden "Partner" seien, seien sie sogar darum gebeten worden, dies genauer zu spezifizieren. Damit waren sie gezwungen, die Ehe der beiden zu bestätigen. An der Decke habe sich eine Überwachungskamera befunden. (1)
Vor dem Hintergrund des iranischen Unrechtsregimes ist davon auszugehen, dass die sensiblen Daten nach außen gelangten. Der Iraner wurde durch das grob fahrlässige Verhalten der österreichischen Behörden als homosexuell geoutet und kann nun nie mehr in sein Heimatland reisen, Familie oder Freunde besuchen. Der Iran erkennt Doppelstaatsbürgerschaften oder Staatsbürgerschaftsänderungen nicht an; wie er mit Ausländern mit iranischen Wurzeln, die im Iran festgenommen werden, umgeht, ist aus vielen Fällen, inklusive zwei österreichischen, ausreichend bekannt.
Volksanwältin Gaby Schwarz (ÖVP) meint in einer für das Außenministerium vernichtenden Stellungnahme, die Republik schulde der Familie zumindest eine Entschuldigung. Das Verhalten des Ministeriums qualifiziert sie als "groben Misstand der Verwaltung". Der Schaden ist angerichtet, ein Mann verliert den Zugang zu seiner Heimat, zur Familie, zu Freunden und Bekannten. Nun wäre es an der Zeit, Fehler zu analysieren und Korrekturen so schnell wie möglich vorzunehmen. Doch so arbeitet das BMEIA nicht.
Sorgen der beiden Ehepartner wurden von Beginn an vom Tisch gewischt, die Antworten des Ministeriums erweisen sich jedoch als falsch. Fragen zur sexuellen Orientierung hätten im Antrag keine Bedeutung sagt das Ministerium. Die Eltern des Mannes wurden jedoch dazu befragt und durch spezifische Nachfragen zum Outing des Iraners gezwungen. Volksanwältin Schwarz meint, dass in Staaten, in denen Homosexualität mit hohen Strafen – im Iran mit der Todesstrafe – geahndet werden, österreichische Beamte Visaanträge abwickeln sollten. Das BMEIA sieht immer noch keinen Grund zu einer Entschuldigung oder Reformen. Zur Tageszeitung DER STANDARD sagt eine Sprecherin, dass "keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht festgestellt werden konnte." (2)
Das Ministerium besteht darauf, dass keine Fragen zur sexuellen Orientierung für den Visaantrag relevant seien. Der vom Außenministerium beauftragte Abwickler, VFS Global, sieht das anscheinend anders. Auf der offiziellen Website wird unter dem Punkt "notwendige Dokumente" einem Nachweis verlangt, in welcher Beziehung die Antragsteller und der Einladende zueinander stehen. (3) Die Antragsteller sind die Familienmitglieder des Iraners, der Einladende ist der Ehemann ihres (homosexuellen) Sohnes. Dies belegt also, dass entgegen der öffentlichen Aussagen des Außenministeriums sehr wohl ein Nachweis über die Beziehung zwischen dem Iraner und dem Österreicher erbracht werden musste. In der folgenden Anfrage wird sich der Außenminister auch zu dieser Falschaussage seiner Mitarbeiter:innen verantworten müssen.
Auch in einer bereits erfolgten parlamentarischen Anfragebeantwortung (13255/AB) kann sich das Ministerium zu keiner Einsicht durchringen – geschweige denn zu einer Abkehr von der offensichtlich nicht funktionierenden Praxis der Auslagerung derartig sensibler Informationen an einen Vertragspartner, der als Privater natürlich den Gesetzen wie auch der Willkür der Organe des Iran unterliegt. Man habe überprüft, keine Probleme gefunden, alles geht weiter wie gehabt.
Ein wichtiger Teil modernen Managements ist Fehlerkultur: Fehler aktiv suchen, erkennen und aufarbeiten. Anfragebeantwortungen durch das BMEIA, wie auch Medienauftritte des Ministers, sind case studies in Fehlerverneinung. Wenn kein Fehler bewiesen werden konnte, ist auch keine Korrektur notwendig, ungeachtet dessen, dass das Resultat eine Katastrophe für den Beteiligten ist.
(1,2) https://www.derstandard.at/story/2000145461087/schwuler-mann-wirft-aussenministerium-vor-ihn-an-den-iran-verraten
(3) https://visa.vfsglobal.com/one-pager/Austria/Iran/english/#visit
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende