14881/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.04.2023
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Peter Wurm

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Delogierungen seit 1.1.2023

 

 

Der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) erklärt das „Instrument“ der „Offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ folgendermaßen:[1]

 

Recht einfach erklärt – Offenkundige Zahlungsunfähigkeit

 

Im Juli 2021 wurde eine Verpflichtung der Exekutionsgerichte geschaffen, die Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern festzustellen und öffentlich bekanntzumachen, sofern diese offenkundig ist.

 

Ziel war es, aussichtslose Exekutionsverfahren zu vermeiden bzw. zu beenden. Stattdessen sollen offene Forderungen in einem Insolvenzverfahren weiterverfolgt und bedient werden. Dies hat den Vorteil, dass sämtliche Forderungen zu gleichen Teilen befriedigt werden und es andererseits zu keinen Anfechtungen kommen kann, bei denen bereits im Exekutionsweg lukrierte Beträge an die Masse zurückgezahlt und neu verteilt werden müssten.

 

Die Einleitung dieses Verfahrens erfolgt in vier Schritten:

 

1. Feststellung durch Vollzugsorgan

Die offenkundige Zahlungsunfähigkeit wird im Exekutionsverfahren vom Vollzugsorgan oder einem Verwalter festgestellt. Dies geschieht bei einem Vollzug, der zur Ermittlung von Vermögen der verpflichteten Partei dient. In diesem Fall ist mit den Exekutionshandlungen vorerst innezuhalten.

 

2. Entscheidung durch das Gericht

In weiterer Folge hat das Exekutionsgericht – nach Einvernahme der Parteien – die offenkundige Zahlungsunfähigkeit bei Vorliegen mittels Beschlusses festzustellen.

 

3. Rechtskraft des Beschlusses

Wird innerhalb einer zweiwöchigen Frist kein Rekurs gegen diesen Beschluss eingebracht, ist dieser rechtskräftig.

 

4. Veröffentlichung

Die offenkundige Zahlungsunfähigkeit wird nach Rechtskraft des Beschlusses in der Ediktsdatei veröffentlicht. Dadurch sollen sämtliche Gläubiger Kenntnis über die offenkundige Zahlungsunfähigkeit erhalten.

 

Solange die offenkundige Zahlungsunfähigkeit besteht, ruhen sämtliche Exekutionsverfahren auf das bewegliche Vermögen.

 

Exekutiv erworbene Pfandrechte erlöschen bei Insolvenzeröffnung oder wenn nicht innerhalb von 6 Monaten das Exekutionsverfahren fortgeführt wird.

 

Gesetzliche und vertragliche Pfandrechte können weiter exekutiert werden – diese würden auch in einem Insolvenzverfahren weiter bestehen bleiben.

 

Gläubiger haben die Möglichkeit, entweder einen Insolvenzantrag oder einen Antrag auf Fortsetzung des Exekutionsverfahrens zu stellen.

 

Eine Fortsetzung der Exekution ist allerdings nur unter den folgenden Voraussetzungen möglich:

 

·         Über einen Insolvenzantrag wurde binnen 3 Monaten nicht entschieden.

·         Ein Insolvenzantrag wurde mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.

·         Die Zahlungsunfähigkeit liegt nicht mehr vor.

 

In einem fortgesetzten Exekutionsverfahren kann die offenkundige Zahlungsunfähigkeit über einen Zeitraum von drei Jahren nicht mehr festgestellt werden, wohl aber in neuen Exekutionsverfahren

 

Eine amtswegige Einleitung von Insolvenzverfahren nach Veröffentlichung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit wurde diskutiert, aber letztendlich nicht beschlossen. Stattdessen sollen die Gläubiger durch die Gesetzesänderungen motiviert werden, frühzeitig Insolvenzanträge zu stellen.

 

Auch der Schuldner hat binnen 30 Tagen nach Veröffentlichung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit als Unternehmer einen Insolvenzantrag zu stellen oder als Nichtunternehmer Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit zu ergreifen, z.B. eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchen, welche dann einen Insolvenzantrag vorbereiten und einbringen kann. Verletzt der Schuldner diese Verpflichtung, steht ihm über Einwendung der Gläubiger kein dreijähriges, sondern nur ein fünfjähriges Abschöpfungsverfahren offen.

 

In der Ediktsdatei werden die Fälle der „Offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ aufgelistet. Aktuell ist vor allem auch für die Sozial- und Konsumentenschutzpolitik von Interesse, welche Entwicklung die Fälle einer „Offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ seit dem Inkrafttreten österreichweit, in den einzelnen Bundesländern, aber auch in den einzelnen Bezirksgerichtssprengeln genommen haben. Daraus lassen sich dann auch weitere Maßnahmen, etwa bei der Schuldnerberatung usw. ableiten.

 

Hohe Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, eine steigende Anzahl an Sozialhilfebeziehern und eine zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten sind nicht zuletzt ein Resultat unverhältnismäßiger Corona-Maßnahmen dieser türkis-grünen Bundesregierung. Dazu kommen gestörte Lieferketten und explodierende Weltmarktpreise im Zuge der aktuellen Ukraine-Krise, die zu stark steigenden Preisen auf dem Energiesektor und bei Ver- und Gebrauchsartikeln des täglichen Bedarfs geführt haben. Immer weniger Personen finden so ein Auskommen mit ihrem Einkommen. Dies führt im Resultat sehr oft auch zu Zahlungsverzug, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. In diesem Zusammenhang sollte man daher auch das Instrument der „Offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ aus justiz-, vor allem aber auch aus sozial- und konsumentenpolitischer Sicht genau beobachten.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz folgende  

 

Anfrage

 

1.    Wie hat sich die Zahl der Delogierungen seit dem 1.1.2023 im Monatsvergleich bis heute österreichweit entwickelt?

2.    Wie hat sich die Zahl der Delogierungen seit dem 1.1.2023 im Monatsvergleich bis heute in den einzelnen Bundesländern entwickelt?

3.    Wie hat sich die Zahl der Delogierungen seit dem 1.1. 2023 im Monatsvergleich bis heute in den einzelnen Bezirksgerichts-Sprengeln entwickelt?

4.    Welche Schlüsse ziehen Sie als Justizministerin aus dieser Entwicklung insbesondere im Hinblick auf die Wohnsituation für immer breitere Kreise der Bevölkerung?

5.    Sehen Sie als Justizministerin insbesondere auch weiteren Handlungsbedarf in der Konsumenten- und Schuldnerberatung im Hinblick auf durch Corona-Maßnahmen und Sanktionspolitik  bedingte Energiearmut sowie gestiegene Wohnungs- und Betriebskosten, um Delogierungen zu reduzieren?



[1] https://www.akv.at/akv-newsroom/recht-einfach-erklaert/offenkundige-zahlungsunfaehigkeit