14920/J XXVII. GP
Eingelangt
am 27.04.2023
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ANFRAGE
der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Dramatischer Gesundheitszustand bei Pflegeheimbewohnern
Obwohl Österreich zu den modernsten Industrienationen der Welt zählt, befinden sich unsere Pflegeheimbewohner in einer dramatischen Gesundheitssituation. Das zeigte jüngst eine Studie, die verheerende Resultate für Österreich ergab. So berichtete die APA am 1.3.2023, dass Österreich in einer internationalen Vergleichsstudie die höchste Adipositasrate aufweist sowie eine traurige Spitzenposition in psychischen Erkrankungen unter Pflegeheimbewohnern erreichte:
Schlechter Gesundheitszustand von Pflegeheimbewohnern
Vergleichsstudie zwischen Österreich, Niederlanden und Großbritannien - Höchste Adipositasrate - Extrem häufige Herz-Kreislauf-Erkrankungen - Fettsüchtige früher im Pflegeheim
Die Bewohner von Österreichs Pflege- bzw. Altersheimen dürften im internationalen Vergleich einen schlechten Gesundheitszustand aufweisen. Laut den einer Untersuchung des Instituts für Pflegewissenschaften der MedUni Graz zugrunde liegenden Daten haben sie im Vergleich zu den Niederlanden und Großbritannien die höchste Adipositas-Rate, 70 Prozent haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Studie von Franziska Großschädl und ihren Co-Autoren ist vor wenigen Tagen im International Journal of Older People Nursing (https://doi.org/10.1111/opn.12530) erschienen. Sie sollte primär die Adipositas und damit verbundene Faktoren anhand eines Samples von 21.836 Pflegeheimbewohnern in Österreich (1.189), den Niederlanden (18.587) und Großbritannien (2.060) untersuchen.
Schon hier zeigten sich deutliche Unterschiede: So betrug der mittlere Body-Mass-Index der zum größten Teil über 80 Jahre alten Betreuten in Großbritannien 23,3, in den Niederlanden und Österreich je 24,6. Ein BMI unter 25 gilt als Normalgewicht.
Doch die österreichischen Pflegeheimbewohner sind deutlich öfter stark übergewichtig (BMI über 30). "17,1 Prozent der österreichischen, 14,9 Prozent der niederländischen und 13 Prozent der britischen Pflegeheimbewohner waren adipös", schrieben die Wissenschafter.
Während in Österreich 70,9 Prozent der Adipösen einen BMI von 30 bis 34,9 (Adipositas Klasse I) aufwiesen, 20,2 Prozent eine Adipositas der Klasse II (BMI 35 bis 39,9) hatten und schließlich 8,9 Prozent einen BMI von mehr als 40 (Klasse III) hatten, waren die Daten in den Niederlanden mehr zu geringerem Gewicht verschoben: 73 Prozent der adipösen Pflegeheimbewohner in der "leichteren" Klasse I, 18,7 Prozent mit Adipositas der Klasse II und 8,3 Prozent in der Klasse III.
Insgesamt stellte sich ein relativ schlechter Gesundheitszustand bei den Pflegeheimbewohnern aus Österreich laut den verwendeten Daten aus einer internationalen Studie zur Häufigkeit von Erkrankungen und Pflegequalität (2016 bis 2019) heraus: So hatten die österreichischen Teilnehmer im Mittel fünf Erkrankungen, die Pflegeheimbewohner in den Niederlanden im Mittel drei und jene in Großbritannien zwei.
71 Prozent der österreichischen Pflegeheimbewohner wiesen eine Herz-Kreislauf-Erkrankung auf (Niederlande: 47,1 Prozent; Großbritannien: 23 Prozent) auf. Während der Anteil der Demenzpatienten für Österreich einen mittleren Wert (54,8 Prozent) im Vergleich zu den beiden anderen Ländern (Niederlande: 49,6 Prozent; Großbritannien: 65,6 Prozent) darstellte, war die Situation in anderen Krankheitskategorien deutlich schlechter: 47,6 Prozent der österreichischen Pflegeheimbewohner hatten Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates (Niederlande: 22,8 Prozent; Großbritannien: 18,1 Prozent). Auch bei den psychischen Erkrankungen waren die österreichischen Teilnehmer in Spitzenposition (41,1 Prozent) gegenüber den niederländischen Pflegeheimbewohnern mit 22,1 Prozent und den Briten mit einem Anteil von 15 Prozent.
Jedenfalls führt ein viel zu hohes Körpergewicht offenbar in allen drei in der Studie vertretenen Ländern zu einer früheren Aufnahme in Pflegeheime. "Wir fanden heraus, dass Pflegeheimbewohner in Großbritannien, Österreich und den Niederlanden mit Adipositas jünger, weniger pflegebedürftig und weniger häufig dement sind. Sie leiden häufiger an Diabetes mellitus, endokrinen, Stoffwechsel- und Hauterkrankungen als Pflegeheimbewohner ohne Adipositas", heißt es in der Studie.
Limitierend für die Vergleiche ist allerdings, dass das Pflegewesen in jedem der drei Länder unterschiedlich organisiert ist (privat, kommunal etc.). Das kann auch eine jeweils unterschiedliche Gruppe an Bewohnern mit sich bringen. Außerdem werde beispielsweise in Österreich nicht strikt zwischen Pflegeheimen und Altersheimen unterschieden, betonen die Autoren. Jedenfalls: Vor allem Heimbewohner mit Adipositas der Klassen II und III seien besonders oft pflegebedürftig. Man sollte hier besonders aufmerksam sein.
In diesem Zusammenhang richtet die unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Welchen Qualitätskriterien unterliegt die Ernährung österreichischer Pflegeheimbewohner?
2. Wie werden diese Qualitätskriterien überprüft?
3. In welchen Abständen erfolgen Kontrollen?
4. Welche Kontrollen erfolgen hinsichtlich des gesundheitlichen Zustands von Österreichs Pflegeheimbewohnern?
5. Gibt es seitens Ihres Ministeriums Erklärungsansätze, weswegen die gesundheitliche Situation von Österreichs Pflegeheimbewohnern dramatisch schlechter ist als jene in Großbritannien und den Niederlanden?
a. Wenn ja, welche?
6. An welche Stellen können sich Pflegeheimbewohner wenden, wenn Mängel in der Betreuung bestehen?
7. Wie wird Pflegeheimbewohnern, deren Betreuung in gesundheitlicher und/oder ernährungsgesundheitlicher Hinsicht unzureichend ist, geholfen?
8. Welche Ursachen sind in Ihrem Ressort betreffend die schlechte psychogesundheitliche Verfassung von Österreichs Pflegeheimbewohnern bekannt?
a. Welche Schritte unternehmen Sie, um diese Situation zu verbessern?
9. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der schlechten körperlichen sowie psychologischen Gesundheit der österreichischen Pflegeheimbewohner und den durch Ihr Ministerium wesentlich mitverursachten Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Quarantäne-Maßnahmen und der damit einhergehenden Vereinsamung der dort wohnhaften Menschen?
10. Wie viele Fälle von Misshandlungen gegenüber Pflegeheimbewohnern sind Ihrem Ministerium bekannt, aufgeschlüsselt auf die Jahre 2020 - 2023?
11. An wen können sich Angehörige wenden, wenn sie Missstände in Österreichs Pflegeheimen wahrnehmen?
12. Wie hoch sind die Kosten für Österreichs Pflegeheime im Vergleich zu jenen in den Niederlanden und in Großbritannien?
13. Was machen die Niederlande und Großbritannien besser als Österreich?
14. Welche Maßnahmen sieht Ihr Ministerium vor, um die Gesundheit von Österreichs Pflegeheimbewohnern zu verbessern?
15. Welche Initiativen gehen von Ihrem Ministerium zur Senkung der Adipositasrate in Österreich allgemein und in Pflegeheimen im Speziellen aus?
16. Welche Initiativen hat Ihr Ministerium zur Senkung der Adipositasrate in Planung?
a. Wie hoch sind die dafür nötigen Kosten?
17. Ehepaare und Lebenspartner, die vor der Übersiedlung ins Seniorenheim einen gemeinsamen Wohnraum hatten, müssen im Seniorenheim meist getrennt leben. Wie oft ist das der Fall?
18. Gibt es einen Rechtsanspruch auf ein gemeinsames Leben im Alter mit dem Lebens- bzw. Ehepartner?
19. Mitarbeitern droht bei Offenlegung von Missständen in Pflegeheimen aufgrund von Verschwiegenheitsklauseln der Arbeitsplatzverlust. Gibt es Maßnahmen seitens Ihres Ministeriums, um Pflegeheimmitarbeitern das offene Sprechen über Missstände zu ermöglichen?
20. Wie werden Pflegeheimmitarbeiter sensibilisiert, um ein sicheres und gesundes Umfeld für die Bewohner sicherzustellen?
a. Gibt es Kurse?
i. Wenn ja, welche und durch welche Einrichtung erfolgen diese?
ii. Wenn nein, warum nicht?
21. Gibt es eine Art „Gütesiegel“ für Pflegeheime?
22. Gibt es bundeseinheitliche Konzepte für die Sicherstellung der ausreichenden Qualität in Pflegeheimen?