14938/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.04.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Fragen zur dubiosen Entstehung des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII)

 

Überraschend wurde bei einer Pressekonferenz am 6. März 2023 die Geburt des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) verkündet. Ziel ist es, "an datengetriebenen, analytischen Werkzeugen" zu arbeiten, "um durch strategische Abhängigkeiten zu verstehen und nachhaltige sowie effiziente Produktionsnetzwerke proaktiv zu gestalten." Das Complexity Science Hub Vienna, das Logistikum der Fachhochschule OÖ, der Verein Netzwerk Logistik und das Wirtschaftsforschungsinstitut sind die vier Institutionen, diesen frisch gegründeten Verein zur Erforschung und Nutzbarmachung von Lieferkettendaten gemeinsam ummanteln. (1) Hierfür stellen das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (7,5 Mio. EUR) und das Land Oberösterreich (2,5 Mio. EUR) zwischen 2023 und 2027 insgesamt 10 Mio. EUR zur Verfügung. (2) Anhand der Millionen-Beträge, die in den kommenden Jahren vom Bund und Land Oberösterreich an dieses Institut fließen, stellen sich viele Fragen. Beispielsweise war die Entscheidung zur Förderung dieses Vereins völlig intransparent und ohne öffentliche Ausschreibung nach einer geeigneten Forschungsgruppe für dieses Projekt.

Trotz des legitimen Ziels wirkt es jedenfalls nicht im Sinne von bestehenden Förder- und Vergabegesetzen, wenn die öffentliche Hand hinter den Kulissen eine Vereinskonstruktion bastelt, um diese an Vergaberegeln vorbei zur Erfüllung von Regierungsprojekten zu fördern. Mit einer solchen intransparenten Vorgangsweise unterbindet die öffentliche Hand den Wettbewerb innerhalb der Forschung um solche Aufträge und bringt die Steuerzahler um die Vorteile von Ausschreibungsverfahren - nämlich ein Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Stattdessen werden in Hinterzimmern Günstlinge und Höhe von Förderungen nach unbekannten Parametern bestimmt. In diesem Fall durfte noch ein Bundesland, nach Parteizugehörigkeit ausgewählt, mit ins Boot - und fertig war das neue Projekt.

Durch diese Vorgangsweise muss sich weder der Bund noch das Bundesland Oberösterreich kritischen Fragen aussetzen. Dazu kommt, dass bei Förderungen kein Leistungsvertrag abgeschlossen wird. Somit auch im Fall fehlender Ergebnisse keine Handlungen gesetzt werden können.

Zu hoffen bleibt für die Steuerzahler, dass die Ergebnisse des neuen Supply Chain Intelligence Institute Austria in näherer Beziehung zur Realität stehen als die Prognosen der Corona-Fallzahlen des personell gleich geführten Prognosekonsortiums. (3)

 

Diese Anfrage dient dazu, Transparenz in diese undurchsichtigen Vorgänge rund um das neue Lieferketteninstitut zu bringen.

 

Quellen:

1:https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230306_OTS0056/complexity-science-hub-uebernimmt-mit-ascii-eine-vorreiterrolle-in-der-lieferkettenforschung

2:https://www.fh-ooe.at/forschung/news/news/fh-ooe-logistikum-vnl-wifo-complexity-hub-vienna-neues-forschungszentrum-ascii-gegruendet/

3:https://www.profil.at/oesterreich/corona-prognose-weit-daneben-ist-auch-vorbei/401387751 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Seit wann ist das BMAW mit den an diesem Projekt beteiligten Personen im Austausch? Bitte Datum des ersten Treffens und involvierte BMAW Mitarbeiter angeben.
  2. Inwiefern wurde eine Vergabe eines Forschungsprojektes samt Ausschreibung geprüft bzw. vorbereitet?
  3. Da das Institut noch nicht etabliert ist, kann es sich nicht an europäischen Ausschreibungen beteiligen. Diese müssten dann über eine gelistete Einrichtung (wie WIFO, IHS etc.) erfolgen: Welche Gründe sprachen für die Förderung eines neu geschaffenen Instituts statt der Vergabe eines Forschungsprojektes samt Ausschreibung?
  4. Wenn es um Stärkung der Resilienz gehen sollte: Hat das ASCII den weiterführenden Auftrag, über alternatives Risk-Management zu forschen bzw. Vorschläge zu erstellen?
  5. Preisschwankungen auf Beschaffungsmärkten werden seit Jahrzehnten gehedgt. Betriebsstillstand und Lieferausfälle durch Unfälle, Katastrophen, Brände, etc. sind versicherbar. Black-outs oder Cyber-Sicherangriffe stehen im Fokus europäischer Projekte. Welche Forschung plant die Regierung in diese Richtung?
  6. Wird das ASCII mit der Sicherheitsforschung verknüpft?
  7. Welche konkreten Ergebnisse erwartet das BMAW vom Supply Chain Intelligence Institute im Förderzeitraum (bis 2027)?
    1. Welche konkreten Ergebnisse erwartet das BMAW für das Jahr 2023?
    2. Hat es diesbezüglich Zusagen seitens des Instituts gegeben?
  1. In der ersten Studie zum Medikamentenmangel wurde von Folgen der Konzentration gesprochen, also Wettbewerbsbeschränkungen in den Raum gestellt. Wird es eine Zusammenarbeit mit der Bundeswettbewerbsbehörde bzw. den europäischen Institutionen gehen?
    1. Werden die Analysen auch im Auftrag der Kartellbehörden erfolgen?
  1. Welche konkreten Kennzahlen wurden festgelegt, um evaluieren zu können, ob mit der Förderung die vorgesehenen Ziele erreicht wurden?
  2. Wie wurde die konkrete Höhe der vereinbarten Förderung iHv 7,5 Mio. EUR seitens des BMAW ermittelt? Bitte nach konkreten Kostenkategorien nach Jahren gliedern.
  3. Aus welchem konkreten Detailbudget wird dieses Projekt seitens des BMAW finanziert?
  4. Inwiefern wurde dieses Projekt im Budget 2023 berücksichtigt?
  5. Wie kam es zu Kostenteilung zwischen dem Bundesland Oberösterreich und dem BMAW?
    1. Wie genau errechnet sich die vereinbarte Kostenteilung 75/25 zwischen BMAW und dem Land Oberösterreich?
    2. Welche Form der Vereinbarung wurde geschlossen?
  1. Inwiefern hat es in Vorbereitung dieses Projekts Gespräche mit Vertretern der oberösterreichischen Landesregierung gegeben?
    1. Wann hat das erste Treffen dazu stattgefunden?
  1. Inwiefern wurden auch mit anderen Bundesländern Gespräche über mögliche Kostenteilung geführt?
  2. Wurde auch anderen Instituten bzw. Vereinen die Möglichkeit eingeräumt, sich um eine Förderung zu diesem Projekt zu bewerben?
    1. Wenn ja, inwiefern wurden andere Institutionen bzw. Vereine dazu aufgefordert, sich zu bewerben, oder überhaupt über die Möglichkeit informiert?
    2. Wenn ja, welche anderen Institute bzw. Vereine haben sich beworben?
    3. Wenn, nein, warum nicht?
  1. Wurde im Vorlauf des Projekts evaluiert, ob in Nachbarländern eine ähnliche oder sogar umfangreichere Expertise zur Lieferkettenforschung vorhanden ist?
    1. Wenn ja, was war das Ergebnis der Evaluierung?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Leitungsfunktion:
    1. Ist dem BMAW bekannt, nach welchen konkreten Kriterien die Leitung innerhalb des Vereins bestimmt wurde?
    2. Hat das BMAW als Fördergeber nachgefragt, nach welchen Kriterien innerhalb des Vereins die Leitungsfunktion festgelegt wurde?
  1. Inwiefern ist Ihrerseits geplant, die heimische Industrie hinsichtlich der Finanzierung dieses Projekts einzubeziehen?
    1. Wann soll dies geschehen?