14991/J XXVII. GP
Eingelangt am 10.05.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Teilnahme des Bundeskanzleramts an Treffen zu Asyl und Migration
Seit einiger Zeit entnimmt man den Medienberichten wöchentlich, wenn nicht täglich, Stellungnahmen bzw. Zitate der ÖVP, des Bundeskanzleramtes oder des Innenministeriums, in denen es um die "illegale Migration", "Asylmissbrauch", "Asylbremse" oder um die vermeintliche Notwendigkeit, um die Europäische Union einen Grenzzaun zu errichten oder Sozialleistungen für Asylsuchende und -berechtigte zu kürzen, geht.1 Leider sind viele Vorschläge der österreichischen Bundesregierung im Bereich Asyl und Migration seit Jahren europa- und völkerrechtlich zweifelhaft bis unmöglich, aber auch in der Praxis wohl kaum umsetzbar - jedenfalls nicht lösungsorientiert. So birgt beispielsweise ein Entfall der Einzelfallprüfung, so wie sie in der "Zurückweisungsrichtlinie" konzipiert wird, aufgrund der sofortigen Zurückweisung ohne Prüfung des Asylantrags die Gefahr einer Verletzung des Folterverbots gemäß Artikel 3 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK). Auch Zäune und Mauern führen bloß dazu, dass neue Flucht- und Migrationsrouten, die für Betroffene noch riskanter und für Schlepper noch lukrativer werden, entstehen. Darüber hinaus besteht die Schengenaußengrenze etwa aus 8.000 Kilometern Landgrenze und 43.000 Kilometern Seegrenze. Auf dem Meer kann man keine Zäune oder Mauern errichten und am Land ist ein solches Vorgehen vor allem eins: teuer. Allein der ungarische Grenzzaun zu Serbien in einer Länge von 175 Kilometern kostete rund 115 Millionen Euro.2 Weiters ist auch die Kürzung der Sozialleistungen juristisch problematisch. Gemäß Artikel 23 der Genfer Flüchtlingskonvention werden anerkannte Flüchtlinge nämlich mit den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt: "Die vertragsabschließenden Staaten verpflichten (sich), Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen zu gewähren". Österreich hat die Genfer Flüchtlingskonvention in vollem Umfang unterfertigt und ratifiziert und auch der Status-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2004 hat Österreich vollumfänglich zugestimmt. Die Richtlinie überträgt die sozialrechtliche Gleichstellung anerkannter Flüchtlinge mit Einheimischen in Unionsrecht. Letztere betrifft Dänemark nicht, da Dänemark sich durch die sogenannte "Opt-out Klausel" einer Beteiligung entzogen hat. Weiters könnte eine derartige Regelung laut Jurist:innen auch an der österreichischen Verfassung scheitern.3
Im Rahmen dieser Vorhaben - die höchstwahrscheinlich zum Scheitern verurteilt sind oder sowieso nie umsetzbar - begeben sich Innenminister und Bundeskanzler häufig auf Reisen oder organisieren Treffen, bei denen der Fokus auf den Themen Asyl und Migration liegt. In letzter Zeit häufen sich diese, obgleich zu bezweifeln ist, dass sie konstruktive Ergebnisse liefern. So fand eine eintägige Reise nach Bulgarien statt, um die Grenze zur Türkei per Helikopter zu begutachten - allein die Anreise per Privatjet kostete für Bundeskanzler Nehammer 22.000 Euro.4 Eine weitere Reise führte Ende Februar nach Marokko, bei der Rückführungen verhandelt worden seien, obwohl das Verhandlungsmandat für Rückführungsabkommen seit Jahren die EU Kommission inne hat. Ende März ging es für Bundeskanzler Nehammer nach Schweden und Dänemark - bei letzterem wollte man sich das Modell der Sozialleistungen ansehen, obwohl Dänemark und Österreich durch unterschiedliche (EU-)rechtliche Vorgaben gebunden sind.5 Kurz davor ging es für den Leiter der österreichischen Bundespolizeidirektion an die US-Grenze zu Mexiko; er wollte sich bei der Grenze anschauen "welche Maßnahmen wirken".6 Hinzu kommen unzählige Reisen in Länder des Westbalkans.
Da die Teilnahme von österreichischen Vertreter:innen an diesen Treffen und Reisen bzw. das Veranlassen dieser Treffen und Reisen schlussendlich durch Steuergeld finanziert wird, stellt sich die Frage, welche konkreten bzw. konstruktiven Ergebnisse letztere bringen. Denn bis dato zeichnen sich diese nicht ab.
Und gleichzeitig scheint die österreichische Regierung gerade von konstruktiven Treffen fernzubleiben bleiben: Im März 2023 trafen sich die Innenminister:innen von sechs europäischen Staaten, Deutschland, Schweden, Italien, Frankreich, Spanien und Belgien, um u.a. eine gerechtere Verteilung von Asylbewerber:innen und eine verlässliche Registrierung von Schutzsuchenden auszudiskutieren.7 Österreich war nicht beteiligt. Dies, obwohl unser Antrag auf "Einsatz für ein funktionierendes europäisches Asylsystem"8 im Innenausschuss am 16.3.2023 mit der Begründung vonseiten der ÖVP (!) vertagt wurde, dass diese dort beantragten Verhaltensweisen der Bundesregierung schon Realität wären: "...sich auf EU-Ebene für Aufnahmebedingungen und Asylverfahren nach einheitlichen europäischen rechtsstaatlichen Standards einzusetzen sowie für eine faire Verteilung von Asylwerber:innen innerhalb der EU". Dieser absurden Behauptung gilt es ebenfalls nachzugehen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. sich auf EU-Ebene für Aufnahmebedingungen und Asylverfahren nach einheitlichen europäischen rechtsstaatlichen Standards einzusetzen
ii. sowie für eine faire Verteilung von Asylwerber:innen innerhalb der EU?
i. sich auf EU-Ebene für Aufnahmebedingungen und Asylverfahren nach einheitlichen europäischen rechtsstaatlichen Standards einzusetzen
ii. sowie für eine faire Verteilung von Asylwerber:innen innerhalb der EU?
i. Ist der (unzureichende) Zugang zum Asylverfahren in Ungarn und Serbien Inhalt des MoU?
1. Wenn ja, was wurde diesbezüglich beschlossen?
ii. Sind Zurückweisungen ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, Inhalt des MoU?
1. Wenn ja, was wurde diesbezüglich beschlossen?