14995/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.05.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Polizeimisshandlungsvorwürfe zu Einsatz in Simmering

 

Am 7.5.2023 filmte ein PULS 24-Kameramann zufällig im Rahmen von Dreharbeiten über den Mordfall in einem Copy-Shop in Wien-Simmering einen gewaltvollen Vorfall zwischen mehreren Polizist:innen und einem 19-jährigen Passanten. Das Video zeigt, wie der junge Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Tatortes bei einem Bankomat Geld abheben wollte. Ein Polizist blockierte daraufhin den Weg zum Automaten. Der junge Mann erklärte den Beamten, die ihm den Weg versperrten, dass er zum Bankomaten wolle. Nach Wortgefechten zwischen dem Mann und der Polizei wurde der Mann von den ihm im Weg stehenden Polizisten und zusätzlich von den herbeieilenden Polizist:innen überwältigt. In weiterer Folge wurde der Kopf des Mannes mehrfach von einem Polizisten gegen den Betonboden des Gehsteigs geschlagen, woraufhin sich Blutflecken bildeten. Am Ende wurde der Jugendliche zwar von der Rettung versorgt, eine Mitfahrt ins Krankenhaus lehnte er nach Angaben der Polizei aber ab. Für die handelnden Polizist:innen hatte der Vorfall bisher keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen, sie sind weiterhin im Dienst.

Laut Meldungen der Polizei wurde bei der Amtshandlung auch ein Beamter verletzt. Er musste sich laut Pressestelle in ein Krankenhaus zur ärztlichen Behandlung begeben. Die Polizei erklärte auf PULS 24-Anfrage, dass der Mann einen abgesperrten Bereich betreten wollte. Nach einer Information der Polizei diesbezüglich, "setzte er eine Anstandsverletzung". PULS 24 zufolge gab es indes keine sichtbare Absperrung. Anschließend wurde der 19-Jährige wegen des Verdachts auf Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie wegen des Verdachts der Begehung einer schweren Körperverletzung festgenommen. Der Mann habe sich gegen die Festnahme gewaltsam gewehrt, "wodurch ein Polizist verletzt wurde".

Nach der Vernehmung wurde der österreichische Staatsbürger auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien auf freiem Fuß angezeigt. Eine junge Frau durfte zuvor übrigens am Bankomaten Geld abheben. Sie benötigte Bargeld, um eine Restaurantbestellung zu begleichen. Teresa Exenberger, Juristin bei Amnesty International Österreich, erklärt auf PULS 24-Anfrage, dass man sich zu dem konkreten Fall nicht äußeren kann, aber die Anwendung polizeilicher Zwangsgewalt grundsätzlich immer verhältnismäßig sein müsse. Zwangsgewalt sei nur dann anzuwenden, wenn diese gesetzlich vorgesehen ist (1, 2).  

 

1https://www.puls24.at/news/chronik/polizeigewalt-in-simmering-polizist-schlaegt-mann-mit-kopf-auf-boden/296721

2https://www.diepresse.com/6285354/kopf-auf-boden-geschlagen-mutmasslicher-fall-von-polizeigewalt-in-wien-gefilmt?utm_medium=Social&utm_source=Twitter&xtor=CS1-15#Echobox=1683560639-1



Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie bereitete sich wer seitens der Sicherheitsbehörden auf den Einsatz am 7.5.2023 in Simmering vor (bitte um Beschreibung der Vorbereitungen in chronologischer Form)? 
  2. Welche Einheiten waren bei dem Tatort in Simmering im Einsatz (bitte um konkrete Aufschlüsselung)?
  3. Wurden im Zuge des gesamten Einsatzes auch andere Einheiten von außerhalb Wiens bzw. welche andere(n) Sondereinheit(en) rekrutiert?
  4. Wie lange dauerte der besagte Einsatz und wie viele Einsatzkräfte waren insgesamt vor Ort?
  5. Wann wurde(n) welche Stelle(n) bei der Polizei bekannt, dass es am 7.5.2023 zu einem Vorgehen eines oder mehrerer Polizeibeamt:innen gekommen ist, das potentiell als Körperverletzung der betroffenen Person beurteilt werden könnte?
  6. Wann gingen welcher/n Stelle(n) des BMI konkrete Misshandlungsvorwürfe zum bezeichneten Vorfall zu?
  7. Wie war der genaue Hergang der gefilmten Amtshandlung? (Um detaillierte Angaben wird ersucht.) 
  8. Welche polizeilichen Zwecke verfolgten die jeweiligen Akte der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Passanten (bitte auch um Aufschlüsselung der genauen Handlungen)?
    1. Zu welchem Zeitpunkt waren diese Zwecke erfüllt bzw. gegenstandslos?
    2. Welche gelinderen Maßnahmen wurden erwogen und warum verworfen?
    3. Inwiefern war das Schlagen des Kopfes des Mannes gegen den Beton bei gleichzeitiger Fixierung von mehreren Polizist:innen aus Sicht der vor Ort tätigen Einsatzkräfte verhältnismäßig?

                                          i.    Welche Handlungsanleitung wird Polizist:innen in deren Ausbildung für die Festnahme einer Person unter Gewalteinwirkung gegeben?

1.    Sind dabei Schläge gegen den Kopf auf Beton Gegenstand der Ausbildung? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.) 

    1. Wurden die Akte der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt auch von einer Polizei Bodycam mitgefilmt?

                                          i.    Wenn ja, wurde das Bildmaterial bereits gesichert?

                                        ii.    Wenn nein, weshalb war bei dem Einsatz keine Bodycam im Einsatz?

  1. Wie wurde in weiterer Folge im Rahmen des Einsatzes mit dem Passanten umgegangen?
  2. Wie lange wurde betroffene Passant, wann und unter welchen Umständen angehalten? 
  3. Laut Polizei wollte der Passant einen abgesperrten Bereich betreten. Wie war dieser Bereich erkennbar?
    1. PULS 24 zufolge gab es keine sichtbare Absperrung. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
    2. Gibt es Bildmaterial oder Ähnliches von der Absperrung?
  1. Warum war es aus Sicht der vor Ort tätigen Einsatzkräfte unproblematisch, dass eine junge Frau vor dem Vorfall am Bankomaten Geld abhob?
  2. Wie lautet der Inhalt der Anzeige gegen den Passanten?
    1. Auf welches konkrete tatbestandsmäßige Verhalten stützt sie sich konkret? 
  1. Wurde ein Verwaltungsstrafverfahren gegen Passanten eingeleitet?
    1. Wenn ja, wann gegen wen?
    2. Wenn ja, aufgrund welcher Rechtsnorm?
    3. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
  1. Wurden gegen die vor Ort tätigen Exekutivbeamt:innen Anzeigen in Bezug auf die im Zuge des Einsatzes erfolgten Amtshandlungen eingebracht?
    1. Falls ja, von wem (von Amts wegen) gegen wie viele von ihnen wann?
    2. Falls ja, um welche konkreten Vorwürfe handelt es sich dabei?
    3. Falls ja, sind daraufhin Ermittlungen eingeleitet worden?

                                          i.    Falls ja, in welchem Stadium befinden sich diese im Moment?

                                        ii.    Falls ja, wer und wie viele Personen sind dazu einvernommen worden?

    1. Falls nein, warum nicht?
  1. Wurden gegen das polizeiliche Handeln Maßnahmenbeschwerden gem. § 88 Abs. 1 SPG und/oder Richtlinienbeschwerden gem. § 89 Abs. 1 SPG eingereicht?
    1. Falls ja, wie viele wann (samt einer konkreten Aufschlüsselung)?
    2. Wie viele Beamt:innen waren von den Beschwerden betroffen?
    3. Um welche konkreten Vorwürfe handelt es sich dabei?
    4. Wie viele Beamt:innen davon waren bei den Einsätzen in Führungsaufgabe?
    5. Wie viele Beamt:innen davon waren bei den Einsätzen in Führungsaufgabe und schon in der Vergangenheit von Beschwerden betroffen?
    6. Welche Verletzungen wurden durch wen wann dokumentiert?
  1. Laut Meldungen der Polizei wurde bei der Amtshandlung auch ein Beamter verletzt. Woraus genau resultierte die Verletzung?
    1. Um welche Verletzung handelte es sich hierbei genau?
    2. Wann genau und in welchem Kontext wurde die Verletzung verursacht?
    3. Wer wurde zu der Verletzung des Polizisten einvernommen?

                                          i.    Wie viele Personen davon sind keine Beamt:innen?

  1. Welche Schritte unternahm Ihr Ministerium bisher zur Aufarbeitung des Einsatzes jeweils wann (um Angabe einer chronologischen Auflistung aller wesentlichen Schritte bei der Aufklärung wird ersucht)?
    1. Gab es in diesem Zusammenhang disziplinäre Konsequenzen für die beteiligten Polizist:innen?

                                          i.    Falls ja, welche und wie viele Polizist:innen sind davon betroffen?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

  1. . Wurde die Suspendierung des Beamten beschlossen, der den Kopf des Passanten gegen den Boden geworfen hat?
    1. Wenn ja, wann erfolgte sie und aus welchem präzisen Grund?
    2. Wenn nein, weshalb wurde von einer Suspendierung Abstand genommen?
    3. Wenn nein, inwiefern wurde das Ansehen des Amtes nicht als gefährdet eingeschätzt?
    4. Wenn nein, inwiefern wurde kein anderer Grund für eine Suspendierung als gegeben erachtet? 
  1. Befindet sich der gewaltausübende Beamte derzeit im Polizeidienst?
    1. Wenn ja, ist er im Außendienst oder im Innendienst tätig?
    2. Wenn er nur mehr im Innendienst tätig ist: Für welche Tätigkeiten wird er genau eingesetzt? 
  1. Wie viele Misshandlungsvorwürfe, Beschwerden o.ä. lagen bzw. liegen insgesamt (d.h. aus allen möglichen anderen Verfahren) je gegen den zwangsgewaltausübenden Beamten vor?
  2. Welche Sensibilisierungsschulungen hat der Polizist, der den Kopf des Passanten mehrfach auf den Boden geschlagen hat, wann durchlaufen
    1. bis zum Vorfall
    2. seit dem Vorfall?
  1. Wurde der Einsatz im Nachhinein evaluiert bzw. diskutiert?
    1. Wenn ja, zwischen wem, wann und mit welchem wann vorliegenden Ergebnis?
    2. Welche Lehren und Konsequenzen wurden aus dem Vorfall bereits gezogen?
    3. Gibt es ein Einsatzprotokoll?

                                          i.    Falls ja, mit welchem Inhalt?

                                        ii.    Falls ja, sind darin die angewendeten Zwangsmittel dokumentiert?

1.    Falls nein, warum nicht?

                                       iii.    Falls nein, warum nicht?

    1. Standen und stehen die relevanten Funkprotokolle für die Beweiswürdigung zu Verfügung?

                                          i.    Wenn ja, seit wann und bis wann?  

    1. Gibt es bereits einen Schlussbericht?

                                          i.    Falls ja, mit welchem Inhalt?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?