Eingelangt am 09.05.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und
Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Polizeimisshandlungsvorwürfe zu Einsatz
in Simmering
Am
7.5.2023 filmte ein PULS 24-Kameramann zufällig im Rahmen von Dreharbeiten
über den Mordfall in einem Copy-Shop in Wien-Simmering einen gewaltvollen
Vorfall zwischen mehreren Polizist:innen und einem 19-jährigen Passanten.
Das Video zeigt, wie der junge Mann auf der gegenüberliegenden
Straßenseite des Tatortes bei einem Bankomat Geld abheben
wollte. Ein Polizist blockierte daraufhin den Weg zum Automaten. Der junge
Mann erklärte den Beamten, die ihm den Weg versperrten, dass er zum
Bankomaten wolle. Nach Wortgefechten zwischen dem Mann und der Polizei wurde
der Mann von den ihm im Weg stehenden Polizisten und zusätzlich von den
herbeieilenden Polizist:innen überwältigt. In weiterer Folge wurde
der Kopf des Mannes mehrfach von einem Polizisten gegen den Betonboden des
Gehsteigs geschlagen, woraufhin sich Blutflecken bildeten. Am Ende wurde der
Jugendliche zwar von der Rettung versorgt, eine Mitfahrt ins Krankenhaus lehnte
er nach Angaben der Polizei aber ab. Für die handelnden Polizist:innen
hatte der Vorfall bisher keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen, sie sind
weiterhin im Dienst.
Laut
Meldungen der Polizei wurde bei der Amtshandlung auch ein Beamter verletzt. Er
musste sich laut Pressestelle in ein Krankenhaus zur ärztlichen Behandlung
begeben. Die Polizei erklärte auf PULS 24-Anfrage, dass der Mann
einen abgesperrten Bereich betreten wollte. Nach einer Information der Polizei
diesbezüglich, "setzte er eine Anstandsverletzung". PULS 24
zufolge gab es indes keine sichtbare Absperrung. Anschließend wurde der
19-Jährige wegen des Verdachts auf Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie
wegen des Verdachts der Begehung einer schweren Körperverletzung
festgenommen. Der Mann habe sich gegen die Festnahme gewaltsam gewehrt,
"wodurch ein Polizist verletzt wurde".
Nach
der Vernehmung wurde der österreichische Staatsbürger auf Anordnung
der Staatsanwaltschaft Wien auf freiem Fuß angezeigt. Eine junge Frau
durfte zuvor übrigens am Bankomaten Geld abheben. Sie benötigte
Bargeld, um eine Restaurantbestellung zu begleichen. Teresa Exenberger,
Juristin bei Amnesty International Österreich, erklärt auf PULS
24-Anfrage, dass man sich zu dem konkreten Fall nicht äußeren kann,
aber die Anwendung polizeilicher Zwangsgewalt grundsätzlich immer
verhältnismäßig sein müsse. Zwangsgewalt sei nur dann
anzuwenden, wenn diese gesetzlich vorgesehen ist (1, 2).
1https://www.puls24.at/news/chronik/polizeigewalt-in-simmering-polizist-schlaegt-mann-mit-kopf-auf-boden/296721
2https://www.diepresse.com/6285354/kopf-auf-boden-geschlagen-mutmasslicher-fall-von-polizeigewalt-in-wien-gefilmt?utm_medium=Social&utm_source=Twitter&xtor=CS1-15#Echobox=1683560639-1
Die unterfertigten Abgeordneten
stellen daher folgende
Anfrage:
- Wie bereitete sich wer seitens
der Sicherheitsbehörden auf den Einsatz am 7.5.2023 in Simmering vor
(bitte um Beschreibung der Vorbereitungen in chronologischer Form)?
- Welche Einheiten waren bei dem Tatort
in Simmering im Einsatz (bitte um konkrete Aufschlüsselung)?
- Wurden im Zuge des gesamten
Einsatzes auch andere Einheiten von außerhalb Wiens bzw. welche
andere(n) Sondereinheit(en) rekrutiert?
- Wie lange dauerte der besagte
Einsatz und wie viele Einsatzkräfte waren insgesamt vor Ort?
- Wann wurde(n) welche Stelle(n)
bei der Polizei bekannt, dass es am 7.5.2023 zu einem Vorgehen eines oder
mehrerer Polizeibeamt:innen gekommen ist, das potentiell als
Körperverletzung der betroffenen Person beurteilt werden könnte?
- Wann gingen welcher/n Stelle(n)
des BMI konkrete Misshandlungsvorwürfe zum bezeichneten Vorfall zu?
- Wie war der genaue Hergang der
gefilmten Amtshandlung? (Um detaillierte Angaben wird ersucht.)
- Welche polizeilichen Zwecke
verfolgten die jeweiligen Akte der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt
gegen den Passanten (bitte auch um Aufschlüsselung der genauen
Handlungen)?
- Zu welchem Zeitpunkt waren
diese Zwecke erfüllt bzw. gegenstandslos?
- Welche gelinderen
Maßnahmen wurden erwogen und warum verworfen?
- Inwiefern war das Schlagen des
Kopfes des Mannes gegen den Beton bei gleichzeitiger Fixierung von
mehreren Polizist:innen aus Sicht der vor Ort tätigen
Einsatzkräfte verhältnismäßig?
i. Welche Handlungsanleitung wird Polizist:innen in deren
Ausbildung für die Festnahme einer Person unter Gewalteinwirkung gegeben?
1. Sind dabei Schläge gegen den Kopf auf Beton Gegenstand
der Ausbildung? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
- Wurden die Akte der
unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt auch von einer Polizei Bodycam
mitgefilmt?
i. Wenn ja, wurde das Bildmaterial bereits gesichert?
ii. Wenn nein, weshalb war bei dem Einsatz keine Bodycam im
Einsatz?
- Wie wurde in weiterer Folge im
Rahmen des Einsatzes mit dem Passanten umgegangen?
- Wie lange wurde betroffene Passant,
wann und unter welchen Umständen angehalten?
- Laut Polizei wollte der Passant
einen abgesperrten Bereich betreten. Wie war dieser Bereich erkennbar?
- PULS 24 zufolge gab es keine
sichtbare Absperrung. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
- Gibt es Bildmaterial oder
Ähnliches von der Absperrung?
- Warum war es aus Sicht der vor
Ort tätigen Einsatzkräfte unproblematisch, dass eine junge Frau
vor dem Vorfall am Bankomaten Geld abhob?
- Wie lautet der Inhalt der
Anzeige gegen den Passanten?
- Auf welches konkrete
tatbestandsmäßige Verhalten stützt sie sich
konkret?
- Wurde ein
Verwaltungsstrafverfahren gegen Passanten eingeleitet?
- Wenn ja, wann gegen wen?
- Wenn ja, aufgrund welcher
Rechtsnorm?
- Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
- Wurden gegen die vor Ort
tätigen Exekutivbeamt:innen Anzeigen in Bezug auf die im Zuge des
Einsatzes erfolgten Amtshandlungen eingebracht?
- Falls ja, von wem (von Amts
wegen) gegen wie viele von ihnen wann?
- Falls ja, um welche konkreten
Vorwürfe handelt es sich dabei?
- Falls ja, sind daraufhin
Ermittlungen eingeleitet worden?
i. Falls ja, in welchem Stadium befinden sich diese im Moment?
ii. Falls ja, wer und wie viele Personen sind dazu einvernommen
worden?
- Falls nein, warum nicht?
- Wurden gegen das polizeiliche
Handeln Maßnahmenbeschwerden gem. § 88 Abs. 1 SPG und/oder
Richtlinienbeschwerden gem. § 89 Abs. 1 SPG eingereicht?
- Falls ja, wie viele wann (samt
einer konkreten Aufschlüsselung)?
- Wie viele Beamt:innen waren von
den Beschwerden betroffen?
- Um welche konkreten
Vorwürfe handelt es sich dabei?
- Wie viele Beamt:innen davon
waren bei den Einsätzen in Führungsaufgabe?
- Wie viele Beamt:innen davon
waren bei den Einsätzen in Führungsaufgabe und schon in der
Vergangenheit von Beschwerden betroffen?
- Welche Verletzungen wurden
durch wen wann dokumentiert?
- Laut Meldungen der Polizei wurde
bei der Amtshandlung auch ein Beamter verletzt. Woraus genau resultierte
die Verletzung?
- Um welche Verletzung handelte
es sich hierbei genau?
- Wann genau und in welchem
Kontext wurde die Verletzung verursacht?
- Wer wurde zu der Verletzung des
Polizisten einvernommen?
i. Wie viele Personen davon sind keine Beamt:innen?
- Welche Schritte unternahm Ihr
Ministerium bisher zur Aufarbeitung des Einsatzes jeweils wann (um Angabe
einer chronologischen Auflistung aller wesentlichen Schritte bei der
Aufklärung wird ersucht)?
- Gab es in diesem Zusammenhang
disziplinäre Konsequenzen für die beteiligten Polizist:innen?
i. Falls ja, welche und wie viele Polizist:innen sind davon
betroffen?
ii. Falls nein, warum nicht?
- . Wurde die Suspendierung des Beamten
beschlossen, der den Kopf des Passanten gegen den Boden geworfen hat?
- Wenn ja, wann erfolgte sie und
aus welchem präzisen Grund?
- Wenn nein, weshalb wurde von
einer Suspendierung Abstand genommen?
- Wenn nein, inwiefern wurde das
Ansehen des Amtes nicht als gefährdet eingeschätzt?
- Wenn nein, inwiefern wurde kein
anderer Grund für eine Suspendierung als gegeben erachtet?
- Befindet sich der
gewaltausübende Beamte derzeit im Polizeidienst?
- Wenn ja, ist er im
Außendienst oder im Innendienst tätig?
- Wenn er nur mehr im Innendienst
tätig ist: Für welche Tätigkeiten wird er genau
eingesetzt?
- Wie viele
Misshandlungsvorwürfe, Beschwerden o.ä. lagen bzw. liegen
insgesamt (d.h. aus allen möglichen anderen Verfahren) je gegen den
zwangsgewaltausübenden Beamten vor?
- Welche
Sensibilisierungsschulungen hat der Polizist, der den Kopf des Passanten
mehrfach auf den Boden geschlagen hat, wann durchlaufen
- bis zum Vorfall
- seit dem Vorfall?
- Wurde der Einsatz im Nachhinein
evaluiert bzw. diskutiert?
- Wenn ja, zwischen wem, wann und
mit welchem wann vorliegenden Ergebnis?
- Welche Lehren und Konsequenzen
wurden aus dem Vorfall bereits gezogen?
- Gibt es ein Einsatzprotokoll?
i. Falls ja, mit welchem Inhalt?
ii. Falls ja, sind darin die angewendeten Zwangsmittel
dokumentiert?
1. Falls nein, warum nicht?
iii. Falls nein, warum nicht?
- Standen und stehen die
relevanten Funkprotokolle für die Beweiswürdigung zu
Verfügung?
i. Wenn ja, seit wann und bis wann?
- Gibt es bereits einen
Schlussbericht?
i. Falls ja, mit welchem Inhalt?
ii. Falls nein, warum nicht?