14999/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.05.2023
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Eva Blimlinger, Olga Voglauer, David Stögmüller, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

betreffend Wehrmachts-Gedenkfeier am 9. April in Klagenfurt/Celovec


Am 9. April 2023 fand in der Stadtpfarrkirche St. Egid zu Klagenfurt eine Gedenkfeier für das Gebirgsjägerregiment 139 (GJR 139) der Wehrmacht statt. Offiziell eingeladen dazu wurde von der „Kameradschaft Gebirgsjäger-Regiment 139 – Traditionsverband des Narvik-Regiments“ – einem Unterverein des Kärntner Landesverbands des Österreichischen Kameradschaftsbund (ÖKB) – und deren Obmann Peter Stockner[1]. Neben Vertretern des minderheitenfeindlichen „Kärntner Abwehrkämpferbund“ (KAB) und des ÖKB, nahmen auch Rechtsextreme, die „Kameradschaft IV“ der Waffen-SS und eine Reihe pensionierte Bundesheer-Offiziere an der Veranstaltung teil. Grußworte wurden unter anderem von der "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger" und dem ehemaligen Kärntner Militärkommandanten Gunther Spath, sowie von Vizeleutnant i.R. Franz Schabereiter (ÖKB Steiermark) gesprochen. In den Reden wurde der kürzlich verstorbene SS-Soldat Herbert Bellschan-Mildenburg geehrt, der sich auch nach dem Krieg der Glorifizierung des Nationalsozialismus und der Leugnung seiner Verbrechen verschrieb, weshalb er sich in der Neonaziszene großer Beliebtheit erfreute.

1960 veranstaltete der GJR 139-Offizier und spätere Waffen-SS-Kommandant Anton Holzinger in seiner neuen Rolle als Offizier des Österreichischen Bundesheeres (Kommandant der 7. Gebirgsbrigade) gemeinsam mit der „Kameradschaft ehemaliger Angehöriger des Gebirgsjägerregiments 139“ die wahrscheinlich erste Narvik-Gedenkfeier in Klagenfurt/Celovec. Das Gebirgsjägerregiment 139 der Wehrmacht war an einer Reihe von Kriegsverbrechen beteiligt, so auch an dem Überfall auf das neutrale Norwegen 1940 in Narvik. Der damalige Regimentskommandeur Alois Windisch gilt als glühender Nationalsozialist und Kriegsverbrecher, weshalb die nach ihm benannte Windisch-Kaserne in Klagenfurt/Celovec nun auch umbenannt wird.

Nicht nur deshalb erscheint eine Teilnahme von (ehemaligen hochrangigen) Bundesheer-Angehörigen, sowie dem Heer nahestehenden Vereinen, an einer solchen Veranstaltung mehr als zweifelhaft. Eine soldatische Traditionspflege, bei der verbrecherischen Organisationen wie der Waffen-SS oder Einheiten der Wehrmacht gedacht wird, steht dem Anspruch eines demokratischen Bundesheeres diametral entgegen. Zumindest sieht das auch das Österreichische Bundesheer selbst so, wenn es in einer Festschrift zu „50 Jahre Jäger-Bataillon 25“ gegenüber dem Gebirgsjägerregiment 139 heißt: „eine Traditionspflege dieses Verbandes durch das 2. Österreichische Bundeheer ist allerdings explizit ausgeschlossen“[2].

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Gibt es eine Vorschrift, einen Befehl, eine Weisung oder ähnliches, die eine Traditionspflege des Österreichischen Bundesheeres, insbesondere des Militärkommandos Kärnten, mit dem Gebirgsjägerregiment 139 untersagt?
a) Wenn ja, wie lautet diese Vorschrift, dieser Befehl, diese Weisung und in welcher Form wurde sie erlassen?
b) Wenn nein, warum nicht?

2.    Gibt es im Bundesheer (dienstrechtliche) Konsequenzen, wenn (ehemalige hochrangige) Vertreter bei einer Gedenkveranstaltung teilnehmen, die offen nationalsozialistischer Einheiten gedenkt?
a) Wenn ja, welchen Umgang gibt es im Bundesheer in so einem Fall?
b) Sind hier Geldstrafen oder Disziplinarverfahren bei Verstößen vorgesehen?
c) Gelten vorgesehene Konsequenzen nur für aktive Bundesheer-Angehörige oder auch für solche im Ruhestand?
d) Wenn nein, warum gibt es keine Konsequenzen?

3.    Wie steht das Österreichische Bundesheer im allgemeinen Veranstaltungen gegenüber, in denen im Rahmen einer soldatischen Traditionspflege nationalsozialistischer Einheiten gedacht wird? Ist eine offizielle Teilnahme von Angehörigen des Österreichischen Bundesheeres an solchen Veranstaltungen gestattet?
a) Wenn nein, welche Regelungen gibt es diesbezüglich?
a) Wenn ja, warum nicht und sind Regelungen für solche Fälle geplant?

4.    2009 erließ Verteidigungsminister Norbert Darabos eine Weisung, welche die Teilnahme von Bundesheer-Angehörigen in Uniform an den Gedenkfeiern am Kärntner Ulrichsberg untersagte und bei Verstoß mit einer Geldstrafe und einem Disziplinarverfahren drohte[3]. Das Teilnahmeverbot in Uniform galt auch für Bundesheer-Angehörige im Ruhestand. Gibt es eine ähnliche Weisung auch für andere Gedenkveranstaltungen, bei denen nationalsozialistischer Organisationen gedacht wird?
a) Wenn ja, für welche Veranstaltungen und mit welchen Konsequenzen bei etwaigen Verstößen?
b) Wenn nein, warum nicht?
c) Wenn nein, sind vonseiten des Österreichischen Bundesheeres Schritte angedacht, damit eine Teilnahme von Bundesheer-Angehörigen (in offizieller Vertretung oder in Uniform) an Veranstaltungen, bei denen nationalsozialistischer Einheiten gedacht wird, unterbunden werden kann?

5.    Wie beurteilt das Österreichische Bundesheer die Zusammenarbeit mit dem ÖKB Kärnten, der immer wieder mit Traditionsverbänden der Waffen-SS (Kameradschaft IV) und der Wehrmacht (Kameradschaft Gebirgsjäger-Regiment 139) bei öffentlichen Veranstaltungen gemeinsam auftritt (neben der Gedenkfeier in der Stadtpfarrkirche St. Egid zu Klagenfurt zuletzt auch am Friedhof Annabichl während der Beisetzung des SS-Soldaten Herbert Bellschan-Mildenburg[4])?

6.    Der Kärntner Landesverband des ÖKB führt die Kameradschaft Gebirgsjäger-Regiment 139 als Unterverein. Die Teilnahme des ÖKB Kärnten an den Gedenkveranstaltungen der Kameradschaft Gebirgsjäger-Regiment 139 bildet daher keine Ausnahme, sondern die Regel. So war der ÖKB Kärnten auch vergangenes Jahr am Gedenken in der Stadtpfarrkirche St. Egid zu Klagenfurt beteiligt, wie im offiziellen Organ des ÖKB Kärnten „Der Kärntner Kamerad“ nachzulesen[5]. Wie sieht das Österreichische Bundesheer diesen Umstand und leiten Sie daraus etwas für die zukünftige Zusammenarbeit ab?

7.    Wird der ÖKB und insbesondere der Landesverband Kärnten vom Bundesheer oder durch das BMLV subventioniert oder erhält anderswertig Unterstützung? Erhält der Unterverein des ÖKB LV Kärnten „Kameradschaft Gebirgsjäger-Regiment 139“ Unterstützung in irgendeiner Form durch das Bundesheer oder durch das BMLV?

8.    Wie viele aktive Bundesheer-Angehörige erfüllen offizielle Funktionen im ÖKB und insbesondere im Landesverband Kärnten? Gibt es eine Regelung für aktive Bundesheer-Angehörige vonseiten des Bundesheeres die Vereinstätigkeit beim ÖKB betreffend?

9.    Ist es üblich, dass ehemalige Militärkommandanten Grußworte bei einer Veranstaltung übermitteln, bei der nationalsozialistischer Einheiten wie dem Gebirgsjägerregiment 139 gedacht wird? Wird das Österreichische Bundesheer Schritte gegen Gunther Spath diesbezüglich setzen?

10. Erst vor kurzem wurde ein Kärntner Unteroffizier des Österreichischen Bundesheeres und Ausbildner der Militärakademien wegen NS-Wiederbetätigung angeklagt und vom Dienst enthoben[6]. Da sich in letzter Zeit solche Fälle häufen stellt sich die Frage, ob das Österreichische Bundesheer ein Rechtsextremismus-Problem hat. Wie sieht das BMLV diese Entwicklungen und welche Schritte setzen Sie dagegen? Ist eine aktive Erinnerungs- und Gedenkpolitik an die Verbrechen des Nationalsozialismus Teil der Ausbildung im Österreichischen Bundesheer? Welchen Stellenwert hat Gedenkpolitik im Bundesheer beim Kampf gegen rechtsextreme Tendenzen?

 



[1] https://www.stopptdierechten.at/2023/04/26/die-narvik-feier-in-klagenfurt-celovec-teil-2-die-narvik-feier-2023-gruesse-und-teilnahme-von-ganz-rechts/ und https://www.stopptdierechten.at/2023/04/25/die-narvik-feier-in-klagenfurt-celovec-teil-1-zwischen-ns-heldenmythos-identitaeren-und-unterstuetzung-durch-das-land-kaernten/

[2] https://www.bundesheer.at/sk/lask/brigaden/jgbrig7/baon/pdf/jgb25_50_jahre.pdf

[3] https://www.derstandard.at/story/1315006494569/ulrichsberg-bundesheer-angehoerigen-droht-disziplinarverfahren

[4] https://oera.noblogs.org/einerderletztenzeugen/

[5] https://ktn.oekb.net/fileadmin/OKB/Laender/KTN/2022-bilder/Der_K%C3%A4rntner_Kamerad_2022.pdf

[6] https://www.krone.at/2989613