15038/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.05.2023
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

an den Bundeskanzler

betreffend Chaos um die GECKO

 

 

Im April 2022 wurde kritisiert, dass die Regierung nicht auf die Kommission zur gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (= GECKO) hört. „Regierung ließ sich von ‚Gecko‘-Beratern nicht beraten“, schrieb damals Heute.[1] Nicht einmal ein Jahr später (Februar 2023) sagte der Bundeskanzler: „Wir waren expertenhörig, nun sollen Experten erklären, warum sie zu dieser Entscheidung gekommen sind“.[2]

 

Die Experten waren empört und haben diese Aussage als „skandalös“ bezeichnet.

 

Statistiker Erich Neuwirth erklärt, dass ihn diese Formulierung Nehammers "sehr verwundert" zurücklasse. Mikrobiologe Ulrich Elling bezeichnete diese gar als "skandalösen Sager". […] An anderer Stelle führt der Molekularbiologe aus, dass es sich bei Nehammers Formulierung um eine "bewusste Verdrehung der Realität" handle, denn: "Kein Experte hat Entscheidungshoheit." Ihm, Elling, sei jedenfalls "sicher niemals jemand hörig" gewesen. Im Gegenteil: "Ganz ehrlich, oft war es sogar frustrierend zuzusehen, wie wenig die Empfehlungen der Experten in die Entscheidungsprozesse eingeflossen sind", beklagt Elling.[3]

 

Nach der Reaktion der Corona-Berater relativierte der Bundeskanzler seine eigenen Aussagen.[4]

 

Für die Öffentlichkeit bleibt jedoch ein Chaos zurück. Eine GECKO-Kommission, die sich nicht ernstgenommen fühlte und fühlt, ein Kanzler, der zum einen den Experten die Schuld an der desaströsen Corona-Politik gab und gibt, dann aber zum anderen dies nicht so gemeint bzw. gesagt haben will.

 

Ursprünglich war die GECKO-Kommission nur bis Ende des Jahres eingesetzt, wurde aber im Winter (November 2022) bis zum 30. Juni 2023 verlängert. Trotz dieser Verlängerung wurde mit Ende März 2023 die Tätigkeit der GECKO eingestellt. Die Experten waren mit der aktuellen Entwicklung der Corona-Politik nicht mehr einverstanden, wurde in den Medien kolportiert.[5]

 

In der folgenden Aufstellung werden die Experten aufgelistet, die Mitglieder der GECKO-Kommission waren und die Regierung berieten:[6]

 

·        Dr.in Katharina Reich - Vorsitzende der GECKO-Kommission, Chief Medical Officer; Leiterin der Sektion VII/Öffentliche Gesundheit und Gesundheitssystem im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK); Vorsitzende der Corona-Kommission.

·        General Mag. Rudolf Striedinger - Vorsitzender der GECKO-Kommission, Chief Operating Officer; Chef des Generalstabes des Österreichischen Bundesheeres.

·        Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Andreas Bergthaler - Professor für Molekulare Immunologie an der Medizinischen Universität Wien; Leiter des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie am Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie; Adjunct Gruppenleiter am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

·        Univ.-Prof. Dr. Robert Böhm - Professor für Sozialpsychologie im Kontext von Arbeit, Gesellschaft und Wirtschaft an der Universität Wien.

·        Mag. Manfred Ditto - Leiter der Gruppe VII/A, Öffentliche Gesundheit, stellvertretender Leiter der Sektion VII, Öffentliche Gesundheit und Gesundheitssystem, sowie Leiter der Abteilung VII/A/2, Strahlenschutz, Umwelt und Gesundheit, im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK).

·        Dr.in Christiane Druml - Vorsitzende der Bioethikkommission; Mitglied und stellvertretende Vorsitzende des Obersten Sanitätsrates der Republik Österreich; Direktorin des Josephinums – Medizinhistorisches Museum (Medizinischen Universität Wien); Inhaberin des UNESCO-Lehrstuhls für Bioethik; ehemalige Vizerektorin für klinische Angelegenheiten der Medizinischen Universität Wien (2011-2015); ehemaliges Mitglied des International Bioethics Committee der UNESCO (2008-2015).

·        Mag.a Silvia Hruška-Frank - Direktorin der Arbeiterkammer Wien und der Bundesarbeiterkammer.

·        Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch - Facharzt für Tropenmedizin sowie für Hygiene und Mikrobiologie, ehemaliger Professor an der Medizinischen Universität Wien; Mitglied des Nationalen Impfgremiums (NIG).

·        Karlheinz Kopf - Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich; ehemals Zweiter Präsident des österreichischen Nationalrates (2013-2017).

·        Univ.-Prof. Dr. Markus Müller - Rektor der Medizinischen Universität Wien; Präsident des Obersten Sanitätsrats; Professor für innere Medizin und klinische Pharmakologie.

·        Dr.in Ulrike Mursch-Edlmayer - Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer.

·        Univ.-Prof. Dr. Herwig Ostermann - Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG); Gesundheitsökonom; Teilzeitprofessor am Department für Public Health, Versorgungsforschung und HTA an der Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, medizinische Informatik und Technik (UMIT Tirol).

·        Dr.in Julia Partheymüller - Politologin, Senior Scientist an der Universität Wien (Vienna Center for Electoral Research).

·        Mag. Dr. Dieter Platzer MAS - Landesamtsdirektor – Amt der Kärntner Landesregierung.

·        DI Dr. Nikolas Popper - Simulationsforscher, Senior Scientist an der Technischen Universität Wien.

·        Univ.-Prof.in Dr.in Elisabeth Puchhammer-Stöckl, MD - Leiterin des Instituts für Virologie der Medizinischen Universität Wien; Professur im Fachbereich Virologie an der Medizinischen Universität Wien.

·        Mag. Ronald Reiter, MA - Landesamtsdirektor – Amt der Burgenländischen Landesregierung.

·        Univ.-Prof.in DDr.in Eva Schernhammer - Professorin für Epidemiologie an der Medizinischen Universität Wien; Leiterin der Abteilung für Epidemiologie am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien; Präsidentin der österreichischen Gesellschaft für Epidemiologie.

·        General Reinhard Schnakl, BA MA - Leiter der Gruppe II/ORK (Organisation, Ressourcen und Krisenmanagement) im Bundesministerium für Inneres (BMI), stellvertretender Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit.

·        DI Volker Schörghofer - Direktor im Dachverband der Sozialversicherungsträger (Verantwortlich für IT-Agenden, Statistik und Business Inteligence sowie Finanzen).

·        Generalmajor Mag. Thomas Starlinger - Sicherheitspolitischer Berater des Bundespräsidenten; Bundesminister für Landesverteidigung in der Bundesregierung Bierlein.

·        Dr. Johannes Steinhart - Präsident der Österreichischen Ärztekammer.

·        Univ.-Prof. Mag. Dr. Karl Stöger - Professor für Medizinrecht am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien; Leiter der Abteilung Medizinrecht und stellvertretender Institutsvorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin (IERM) der Universität Wien.

 

Ob sich der Bundeskanzler bzw. die Regierung von den GECKO-Experten beraten ließen, ist die eine Frage. Welche anderen Konflikte und vor allem welche Unvereinbarkeiten – auch Conflicts of Interest (COI`s) genannt – existieren, ist die andere Frage. Informationen zu Unvereinbarkeiten werden zwar im Gesundheitsministerium in einer Art Katalog gesammelt und aufbewahrt, die Einsicht in diese Akten gestaltet sich jedoch schwierig. Man benötigt erstens einen Termin, und zweitens ist die Einsicht in die Akten nur unter Aufsicht von mehreren Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums möglich. Auch die GECKO-Vorsitzende Dr. Katharina Reich muss persönlich anwesend sein. Es darf nichts notiert werden und es darf auch nicht fotografiert oder eine andere Art der Dokumentation vorgenommen werden. Auch sind dem Anfragesteller im Zuge seiner Einsichtnahme in die Akten Fehler aufgefallen, welche hoffentlich inzwischen korrigiert wurden.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundeskanzler folgende

 

 

 

Anfrage

 

1.    Gibt es einen Rechtsanspruch auf eine Einsichtnahme in die Akten bezüglich Unvereinbarkeit (= Conflict of Interest (COI)) der GECKO-Mitglieder?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, warum wird die Einsichtnahme massiv erschwert?

2.    Warum werden die Akten mit den Erklärungen zu den Conflicts of Interest (COI`s) der GECKO-Mitglieder nicht veröffentlicht?

3.    Mit welchem des Fragenkatalog wurden die Erklärungen der GECKO-Mitglieder hinsichtlich Unvereinbarkeit erhoben?

4.    Wir haben im Zuge der Einsichtnahme in die Akten Fehler vorgefunden: Wurden diese korrigiert?

5.    Warum sind die Informationen über die Unvereinbarkeiten (COI`s) der Gecko-Mitglieder geheim?

6.    Wer darf die Akten zu den COI`s der Mitglieder der GECKO einsehen?

a.    Falls nicht alle Personen, warum nicht?

b.    Falls nicht alle Personen, wer hat dies entschieden?

7.    Warum darf man bei der Einsicht in die COI-Akten nichts notieren?

8.    Warum darf man die COI-Akten nur in Beisein von vier Mitarbeitern des Bundesministeriums studieren?

9.    Warum muss bei jeder Einsichtnahme in die COI-Akten die Vorsitzende der GECKO-Kommission, Frau Dr. Reich, anwesend sein?

a.    Welche Folgen hätte es gehabt, wenn die Vorsitzende nicht anwesend gewesen wäre?

b.    Wer muss jetzt im Fall einer Einsichtnahme anwesend sein, da die Kommission aufgelöst wurde?

c.    Warum ist die Terminvereinbarung für die Einsicht so kompliziert?

10. Hat sich nach der Auflösung der GECKO etwas an den Bedingungen zur Einsichtnahme geändert?

a.    Falls ja, was?

b.    Falls ja, warum?

11. Wie viele Personen haben bis jetzt Einsicht in die COI-Akten der (inzwischen schon aufgelösten) GECKO genommen?

12. Bei mehreren GECKO-Mitgliedern existierten Interessenskonflikte. Wie wurde sichergestellt, dass die Pharma-Lobby keinen Einfluss nehmen kann? (Bitte um genaue Angaben bei den einzelnen Interessenskonflikten.)

13. Wer hat die Personen für die GECKO-Kommission ausgesucht und ernannt?

a.    Nach welchen Kriterien?

14. Wurden Personen als Mitglieder der GECKO-Kommission abgelehnt?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, aus welchen Gründen?

15. Aus welchen Gründen sind bis Ende März 2023 die einzelnen Mitglieder der GECKO-Kommission ausgeschieden?

16. Wie funktioniert das Prozedere für die Einsicht in die COI-Unterlagen und auf welcher rechtlichen Grundlage beruht dieses Prozedere?

 



[1] Regierung ließ sich von "Gecko"-Beratern nicht beraten - Politik | heute.at

[2] Karl Nehammer sucht die Corona-Versöhnung | PULS 24

[3] "Skandalös"– nun gehen Corona-Experten auf Kanzler los - Coronavirus | heute.at

[4] Expertenhörig: Nehammer fühlt sich missverstanden | weekend.at

[5] Gecko-Kommission wird mit Ende März aufgelöst | GMX.AT

[6] Mitglieder der GECKO-Kommission (bundeskanzleramt.gv.at)