1504/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
betreffend Umsetzung des außerordentlichen Zivildienstes
Zur besseren Bewältigung der Corona-Krise werden in Österreich zurzeit jene Zivildiener, deren Dienst Ende März beendet gewesen wäre, zu einem automatisch verlängerten "außerordentlichen Zivildienst" nach § 21 ZDG verpflichtet.1 Sie sollen v.a. Engpässe im Pflege- und Rettungsbereich ausgleichen und die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur gewährleisten. Auch jene Zivildiener, deren Dienst mit April oder Mai 2020 beendet gewesen wäre, können laut Zivildienstserviceagentur ZISA "je nach Entwicklung der Lage und nach Bedarf“ zum außerordentlichen Zivildienst verpflichtet werden. §21 ZOG ermöglicht es der ZISA, alle Zivildienstpflichtigen bis zum 50. Lebensjahr im Falle von "Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen" zum außerordentlichen Zivildienst zu verpflichten. Die zuständige Bundesministerin Köstinger würde jedoch vorerst auf freiwilliges Engagement setzen und richtet sich hier insbesondere an diejenigen, die ihren Zivildienst innerhalb der letzten Jahre abgeleistet haben.2 Hier muss angemerkt werden, dass ein "freiwilliger" Zivildienst per Gesetz nicht existiert und ein außerordentlicher Zivildienst immer verpflichtend ist. Die Möglichkeit der freiwilligen Meldung zum verpflichtenden außerordentlichen Zivildienst dient dazu, zuerst die freiwilligen Personalressourcen zu nutzen und möglichst wenige Männer zwangsweise im außerordentlichen Zivildienst einzusetzen.
Bei der Umsetzung des außerordentlichen Zivildienstes stehen die Betroffenen jedoch regelmäßig vor Herausforderungen und Unklarheiten. So ist es zwar richtig, dass einberufene Zivildiener grundsätzlich einen Kündigungsschutz genießen, dieser erstreckt sich z.B. jedoch nicht auf Personen, die sich in der Probezeit einer neuen Lehrstelle befinden, wie ein außerordentlicher, nun jobloser Zivildiener dem Standard aus eigener Erfahrung berichtet.3 Die ungleiche Bezahlung zwischen freiwillig gemeldeten und automatisch verpflichteten außerordentlichen Zivildienern bei gleicher Leistung und gleichem eventuellen Einkommensentgang ist ein weiterer Punkt, der für Unverständnis und Unmut unter den Zivildienern sorgt.4 Außerdem wird immer wieder darüber berichtet, dass freiwillig gemeldete Zivildiener zu Hause auf ihre Dienstzuteilung warten würden und noch nicht einmal mit der Einschulung begonnen hätten, obwohl man zuallererst auf diese freiwilligen Ressourcen zurückgreifen wollte, bevor man dazu übergeht, andere junge Männer zwangszuverpflichten. Auch die Zahlen, die in der medialen Berichterstattung zu automatisch verpflichteten Zivildienern und freiwillig gemeldeten Zivildienern kursieren, unterscheiden sich stark.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Wie viele Zivildiener, deren Dienst ursprünglich nach 9 Monaten mit Ende März 2020 beendet gewesen wäre, wurden zu einem außerordentlichen Zivildienst verpflichtet?
a. In welchen Bereichen (z.B. Rettungsdienst, Pflegebereich etc.) werden diese Zivildiener eingesetzt (bitte um Auflistung nach Bundesländern)?
2. Wie viele Zivildiener, deren Dienst ursprünglich nach 9 Monaten mit Ende April beendet gewesen wäre, werden (nach aktuellem Stand) zu einem außerordentlichen Zivildienst verpflichtet?
a. In welchen Bereichen (z.B. Rettungsdienst, Pflegebereich etc.) werden diese Zi
vildiener eingesetzt (bitte um Auflistung nach Bundesländern)?
3. Wie viele Zivildiener, deren Dienst ursprünglich nach 9 Monaten mit Ende Mai beendet gewesen wäre, werden (nach aktuellem Stand) zu einem außerordentlichen Zivildienst verpflichtet?
a. In welchen Bereichen (z.B. Rettungsdienst, Pflegebereich etc.) werden diese Zi
vildiener eingesetzt (bitte um Auflistung nach Bundesländern)?
4. Was wissen Sie über die Wohnsituation derjenigen Zivildiener (also wohnhaft bei Eltern oder bereits ausgezogen), deren Dienst mit März, April oder Mai 2020 beendet gewesen wäre und deren Dienst automatisch verlängert wurde?
a. Wenn Sie diese Daten nicht haben, auf welcher Basis treffen Sie dann Aussagen über
die "unterschiedlichen Lebenssituationen" außerordentlicher Zivildiener?
5. Wie viele Personen haben sich bis 31. März freiwillig für einen außerordentlichen Zivildienst gemeldet?
6. Was wissen Sie über die Wohnsituation derjenigen Zivildiener (also wohnhaft bei Eltern oder bereits ausgezogen), die sich bis 31. März freiwillig zum außerordentlichen Zivildienst gemeldet haben?
a. Wenn Sie diese Daten nicht haben, auf welcher Basis treffen Sie dann Aussagen über
die "unterschiedlichen Lebenssituationen" außerordentlicher Zivildiener?
7. Wie viele freiwillig gemeldete Zivildiener haben bis Ende März ihren Zuteilungsbescheid erhalten und wurden ab 01. April 2020 im außerordentlichen Zivildienst eingesetzt?
8. Wie viele freiwillig gemeldete Zivildiener warten mit Stand 01. April 2020 auf ihren Einsatz und sind noch nicht zugeteilt worden?
a. Warum sind diese Personen noch nicht im Einsatz?
b. Wie viele dieser Personen warten noch auf ihre Einschulung?
9. Haben Sie beim Einsatz außerordentlicher Zivildiener darauf geachtet, zuerst auf Freiwillige zurückzugreifen, bevor Zivildiener zwangsweise verlängert eingesetzt wurden?
a. Wenn nein, warum nicht?
10. Die ungleiche Bezahlung von automatisch verpflichteten und freiwillig gemeldeten Zivildienern begründen Sie mit deren "unterschiedlichen Lebenssituationen".
a. Welche unterschiedlichen Lebenssituationen sind das im Detail?
b. Handelt es sich bei der Unterstellung "unterschiedlicher Lebenssituationen" um ein
datenbasiertes Argument?
c. Wenn ja, auf welche Daten bezieht sich diese Aussage und wo sind diese Daten
einseh- und überprüfbar?
11. Wie rechtfertigen Sie, dass "freiwillige Zivildiener" pauschal mit EUR 1.292,74 brutto für einen eventuellen Einkommensentgang entschädigt werden, wobei in dieser Gruppe längst nicht alle Personen (Vollzeit oder Teilzeit) berufstätig sind und/oder eine eigene Wohnung haben?
12. Wie rechtfertigen Sie, dass automatisch verpflichtete Zivildiener pauschal NICHT mit EUR 1.292,74 brutto für einen eventuellen Einkommensentgang entschädigt werden, wobei in dieser Gruppe längst nicht alle Personen arbeitslos sind und/oder noch bei ihren Eltern wohnen?
13. Auf welche rechtlichen Grundlagen stützt sich die ungleiche Bezahlung von außerordentlichen Zivildienem, die sich (nicht) freiwillig gemeldet haben (bitte um exakte Angabe der Gesetzesstellen)?
14. Verrichten freiwillig gemeldete Zivildiener andere Tätigkeiten in einem anderen bzw. geringeren Stundenausmaß als automatisch verlängerte Zivildiener, wodurch der Einkommensunterschied gerechtfertigt wäre?
a. Wenn ja, wo ist das festgelegt, um welches Ausmaß handelt es sich und wo sind diese Daten einseh- und überprüfbar?
b. Wenn nein, warum wird die gleiche Leistung ungleich bezahlt?
15. Wie gedenken Sie, diejenigen Zivildiener zu entschädigen, die durch die Einberufung zum außerordentlichen Zivildienst ihre Lehrstelle verloren haben, da sie z.B. innerhalb der Probezeit gekündigt wurden?
a. Wenn Sie nicht gedenken, diese Zivildiener zu entschädigen, warum nicht?
16. Wie gedenken Sie, diejenigen Zivildiener zu entschädigen, die aufgrund der unplanmäßigen Verlängerung ihres Zivildienstes einen Job nicht antreten können?
a. Wenn Sie nicht gedenken, diese Zivildiener zu entschädigen, warum nicht?
17. Es gibt Personen, die durch den Einsatz in bestimmten Bereichen wie dem Kranken- und Pflegebereich psychische Belastungen wie Angstzustände, Panikattacken oder Schlafstörungen erleiden.
a. Werden psychische Belastungen, die aus dem Einsatz in einem bestimmten Bereich
wie dem Kranken- und Pflegebereich resultieren, berücksichtigt und können solche Personen mit Versetzungen rechnen?
1 https://www.derstandard.at/story/2000115807621/welche-maenner-wegen-der-coronakrise-einruecken-und-mit-anpacken
2 https://www.derstandard.at/story/2000116069844/von-der-uni-in-den-zivildienst
3 https://www.derstandard.at/story/2000116558059/wenn-der-freiwillige-zivildienst die-lehr-stelle-kostet
4 https://www.derstandard.at/story/2000116198922/der-zivildiener-pay-gap-sorgt-fuer-unmut