1507/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Kai Jan Krainer,

Genossinnen und Genossen

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend: Banken-freundliche Korrektur eines für Verbraucher vorteilhaften EuGH-Urteils durch die ÖVP-Grüne-Bundesregierung?

 

zur Gesamtkostenreduktion bei vorzeitiger Kreditrückzahlung

Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge, regelt die Reduktion der Gesamtkreditkosten durch eine vorzeitige Rückzahlung durch die Konsumenten[1]:

 

Artikel 16
Vorzeitige Rückzahlung
(1) Der Verbraucher ist berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag jederzeit ganz oder teilweise zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.

 

Das Urteil des EuGH C 383/18[2] vom September 2019 bezieht sich auf diese Bestimmung und klärt die Frage, was unter dem Begriff „Gesamtkosten“ zu verstehen ist, nämlich nicht nur die Laufzeit abhängigen Kreditkosten sondern auch die laufzeitunabhängigen Kosten (s. RZ 21).

Würde man diese Bestimmung dahingehend auslegen, dass von der Ermäßigung nur die laufzeitabhängigen nicht aber die von der Laufzeit unabhängigen Kosten erfasst sind, könnte das dazu führen, dass die Kreditgeber die laufzeitunabhängigen Kosten erhöhen wollen, was bei Vertragsabschluss zu höheren einmaligen Zahlungen, zu Lasten des Verbrauchers, führen würde (RZ 32), die „Wirksamkeit des Rechts des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits wäre [. .. ] beeinträchtigt“ (RZ 31).

Daher ist 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG so auszulegen, dass „das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten umfasst.“ (RZ 36)

Ausdrücklich hält der Gerichtshof fest, dass das Ziel der Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung einen hohen Schutz des Verbrauchers gewährleisten soll, da „sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt“ (RZ 29). Die Mitgliedstaaten müssen daher dafür sorgen, dass die Vorschriften der Richtlinie nicht durch besondere Vertragsgestaltungen umgangen werden können (RZ 30).

Auf Grund der EuGH-Judikatur müssen nun in Österreich die § 16 Abs. 1 Verbraucherkreditgesetz[3] als auch § 20 des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes[4] angepasst werden, da hier bei den Bestimmungen zur vorzeitigen Rückzahlung nur normiert ist, dass die laufzeitabhängigen Kosten sich verhältnismäßig (zum Zeitpunkt der Rückzahlung) verringern. Die Novelle, dass sich die Gesamtkosten des Kredites bei vorzeitiger Rückzahlung verringern müssen, ist aus Verbraucherschutzgründen zu unterstützen und geht auf das für Kreditnehmer vorteilhafte Urteil des EuGH zurück.

Gerüchteweise plant die Bundesregierung im Rahmen einer Gesetzesnovelle allerdings, eine Lösung zugunsten der Bankenbranche zu finden, um die derzeit mit 1 % begrenzte Vorfälligkeitsentschädigung (s. jeweils Abs. 3) zu erhöhen. Das würde bedeuten, dass ÖVP und Grüne eine für die Kreditnehmer vorteilhafte Regelung durch eine Erhöhung oder sogar Entfall der Betragsgrenze für die Entschädigung zu einem Zusatzgeschäft für Banken machen. Insbesondere bei einem Hypothekarkredit ist das nicht einzusehen, weil die Banken nicht nur an Zinsen, sondern an Nebenspesen und Zusatzprodukten wie Versicherungen ausreichend verdienen. Hohe Vorfälligkeitsentschädigungen verteuern für Kreditnehmer den Umstieg auf eine kostengünstige Umschuldung und schränken somit den Wettbewerb ein. Vor dem Inkrafttreten der Deckelung der Vorfälligkeitsentschädigung im Verbraucherkreditgesetz 2010 wurde von einzelnen Kreditinstituten bei Hypothekarkrediten bis zu 10% des vorzeitig zurückbezahlten Betrages verlangt. Das führt in der Praxis zu Pönalezahlungen von mehreren Tausend Euro.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende

Anfrage:

 

1) Wann wird die Bundesregierung einen Entwurf für eine Novelle zur Umsetzung des EuGH-

     Urteils C 383/18 vorlegen?

2) Ist Ihr Ministerium in die Vorbereitungsarbeiten eingebunden?

3) Wenn ja, arbeitet Ihr Ministerium an der gesetzlichen Novelle im Rahmen der

     Regierungsvorlage mit?

a. Welche Gesetze werden novelliert?

b. Wann sollen die Änderungen dem Parlament vorgelegt werden?

c. Wann soll die Novelle in Kraft treten?

4) Gab es Gespräche mit Interessensgruppen im Vorfeld der Regierungsvorlage?

5) Wenn ja, welche Interessensgruppen waren in die Gespräche eingebunden?

6) Wann haben diese Gespräche stattgefunden (bitte um Angabe der Termine und der

     TeilnehmerInnen)?

7) Werden im Rahmen der Novelle zur Umsetzung des EuGH-Urteils die Interessen der

     Kreditnehmerinnen und -nehmer berücksichtigt werden? Wenn nein, warum nicht?

8) Wenn ja, in welcher Form? (Bitte um Details zum geplanten Entwurf des Gesetzestextes)

9) Wird die Bestimmung betreffend die Vorfälligkeitsentschädigung geändert? Wenn ja, in

     welche Richtung?



[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32008L0048&from=DE

[2] http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=217625&pagelndex=0&doclang=de&mode=reg&dir=&occ=first&part=1&cid=13119042

 

[3] https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40175788/NOR40175788.html

 

[4] https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40176290/NOR40176290.html