15078/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.05.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Geschäfte der Republik mit Abu Dhabi: Rückverkauf von OMV Borealis-Anteilen an Adnoc?

 

Im letzten Jahr flogen Finanzminister Magnus Brunner, ÖBAG Chefin Edith Hlawati und der Aufsichtsratschef der Staatsholding, Günther Ofner, nach Abu Dhabi. Dabei ging es dem Vernehmen nach vorrangig um Anliegen der Gasbeschaffung und allfällige energiepolitische Themen - aber offenbar nicht ausschließlich. Im Verlauf dieser Delegationsreise haben sich die Gerüchte verdichtet, dass hierbei auch die Eckpunkte für einen geplanten Deal mit der Abu Dhabi National Oil Company, kurz ADNOC, und der OMV verhandelt wurden, an der die Republik mit 31,5% über die Staatsholding ÖBAG beteiligt ist. Gegenstand der Gespräche zwischen der österreichischen Delegation und den Abu Dhabis waren laut Medienberichten die Anteile der OMV am österreichischen Chemiekonzern Borealis AG, die immerhin 75% ausmachen. ADNOC hält derzeit die restlichen 25%. (1)

Diese Gespräche sind vor allem deshalb brisant, weil die OMV erst im März 2020 die Mehrheitsanteile an der Borealis AG vom Staatsfonds Mubadala erworben hatte und den Abu Dhabis damit 39% ihrer Anteile um 4 Milliarden € abgenommen hat. Dabei handelte es sich um die teuerste und größte Übernahme in der österreichischen Industriegeschichte. Angesichts dieser Summen wurden Vorwürfe laut, dass die OMV für diese Anteile deutlich zu viel gezahlt hat. Eingefädelt hatte diesen Deal der ehemalige OMV-Vorstandschef Rainer Seele. Dieser hatte die Kaufentscheidung mit einer strategischen Neuausrichtung der OMV gerechtfertigt, die darin bestand, den Konzern zukünftig verstärkt im Bereich Chemie- und Kunststoffproduktion zu verankern. (2) Die verbliebenen OMV-Anteile des Mubadala Staatsfonds wurden übrigens 2022 an die ebenfalls in Staatshand befindliche ADNOC übergeben. (3)

Nun scheint es gerade dieser Rainer Seele zu sein, der mittlerweile nicht mehr aufseiten der OMV zu finden ist, sondern als bezahlter Berater für ADNOC fungiert. Diese Tendenz zur Doppelgleisigkeit teilt Seele übrigens auch mit dem Aufsichtsrat der OMV, Karl Rose, der offenbar kein Problem darin sah, im Aufsichtsrat der OMV zu sitzen und gleichzeitig auf der Gehaltsliste von ADNOC/Mubadala zu stehen, der er mit strategischer Beratung dienen durfte. (4) In der Rolle des aktuellen Beraters von ADNOC ist es Rainer Seele, der eine Rückführung der OMV-Borealis-Anteile an die ADNOC forciert und den von ihm selbst eingefädelten Mubadala-OMV Deal von 2020 damit rückabwickeln will. Hintergrund dieses Begehrens dürfte wohl der Plan von ADNOC sein, ein gigantisches Chemie-Imperium aufzuziehen, worin alle internationalen Chemie- und Kunststoffbeteiligungen gebündelt werden. Gerüchteweise heißt es, dass der nächste Schritt in der Gesamtstrategie der Abu Dhabis darin bestehe, die Borealis sowie die Borouge Abu Dhabi und NOVA Chemicals in den USA zu fusionieren. Die Beteiligungen der OMV an diesem neuen Mega-Konzern würden damit unter 25% sinken, womit sie jegliches Mitspracherecht verlieren würde. Als Folge dieses Ausverkaufs könnte sogar die Auflösung des internationalen OMV-Headquarters in Wien drohen. Die derzeit gültige, bereits von Rainer Seele propagierte und nach wie vor am Kapitalmarkt kommunizierte Strategie der OMV, welche eine Transformation des Energiekonzerns hin zu einem Chemiekonzern vorsieht, wäre damit vollkommen hinfällig und verunmöglicht.

Falls sich diese kolportierten Gerüchte als wahr erweisen sollten, stellt sich die berechtigte Frage, warum sich die OMV und mit ihr die Republik als Miteigentümerin auf ein solches Geschäft einlässt. Noch im Jahr 2021 wurde von der OMV eine neue langfristige Strategie vorgestellt, die eine Transformation vom Öl- und Gasgeschäft auf die Sparten Chemie und Kunststoff vorsah, wofür der Borealis wohl eine Schlüsselrolle zugekommen wäre. Insofern gilt es zu klären, wie sich die Republik hier positionieren möchte, ob tatsächlich zu erwarten ist, dass die Borealis an ADNOC verkauft wird und was dies für die Anteile der Republik bedeutet. 

 

(1) https://kurier.at/wirtschaft/charme-offensive-in-abu-dhabi/402237849

(2) https://www.falter.at/z-eitung/20210505/der-milliardenkrimi/_ed9964aa85

(3) https://www.derstandard.at/story/2000141987822/adnoc-uebernimmt-omv-anteile-von-staatsfonds-mubadala

(4) https://kurier.at/wirtschaft/wirtschaft-von-innen/warum-omv-aufsichtsrat-karl-rose-dem-bundeskanzler-absagte/402075334

(5) https://www.derstandard.at/story/2000141987822/adnoc-uebernimmt-omv-anteile-von-staatsfonds-mubadala

(6) https://kurier.at/wirtschaft/omv-bricht-die-grosse-strategie-zusammen/402382964

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Gab es bereits Gespräche zwischen dem Finanzminister und ADNOC bezüglich einer Veräußerung von OMV bzw. Borealis Anteilen an die ADNOC?
    1. Wenn ja: Was wurde in diesen Gesprächen vereinbart?
    2. Wenn nein: Kann der Finanzminister als Eigentümervertreter der Republik garantieren, dass es zu keiner Veräußerung von OMV Borealis-Anteilen kommen wird?
  1. Hat der Finanzminister bzw. hat die ÖBAG Kenntnis davon, dass die Borealis-Anteile „cash-free“, also ohne Geldfluss abgewickelt werden sollen und damit Anteile, die vor 2 Jahren zu 4Mrd EUR durch die OMV erstanden wurden der ADNOC übertragen werden sollen?
  2. Hat der FM/ÖBAG Kenntnis davon, dass der Vorschlag ADNOCs darin besteht, im Gegenzug für die OMV Anteile, LNG Gas aus Abu Dhabi nach Österreich zu transportieren?
  3. Ist dem FM bekannt, dass ab 2024 13 weitere Flüssiggasterminals in den USA eröffnet werden, die dem Vernehmen nach günstiger LNG Gas nach Europa transportieren können als es aus Abu Dhabi möglich sein wird?
  4. Wurden bereits konkrete Pläne mit der OMV/ÖBAG besprochen, wie mit den Anteilen der OMV an der Borealis zukünftig umzugehen ist?
  5. Verfügt der Bundesminister derzeit über Informationen, die sich auf den möglichen Verkauf von Borealis-Anteilen an die ADNOC beziehen?  
  6. Welche strategischen Ziele verfolgt der Finanzminister und die ÖBAG in Bezug auf ihre OMV Anteile und die Zukunft der Borealis?
    1. Welche Auswirkungen haben diese Ziele auf die Gesamtstrategie der OMV bzw. der ÖBAG?
    2. Welche Auswirkungen haben diese Ziele auf die weitere Entwicklung des Budgets (Dividendenausschüttungen)?
    3. Wurden bereits konkrete standortpolitische Zielsetzungen in der Eigentümerstrategie der Republik formuliert?
    4. Welche Auswirkungen haben diese Ziele auf den Wirtschaftsstandort Österreich in Bezug auf den Beschäftigungsstand in Österreich und das OMV-Headquarter in Wien?
    5. Bekennt sich der Finanzminister und die ÖBAG zu der langfristigen Strategie der OMV, sich aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückzuziehen und sich stattdessen auf den Chemie- und Kunststoffbereich zu fokussieren?
    6. Inwiefern vertritt der Finanzminister, in seiner Funktion als Eigentümervertreter der Republik, standortpolitische Interessen in Verhandlungen mit der ÖBAG und OMV im Allgemeinen und über etwaige Veräußerungen/Merger von Anteilen der Borealis an ADNOC im Konkreten? 
    7. Sieht die Eigentümerstrategie des Finanzministers vor, die derzeitigen Borealis-Arbeitsplätze in Österreich zu erhalten?
  1. Wie hoch waren die Einnahmen, die dem Finanzministerium 2022 durch die OMV/Borealis zugeflossen sind?
    1. Wie werden Steuereinnahmen in der Eigentümerstrategie des Finanzministers gewichtet?
    2. Haben steuerpolitische Erwägungen Auswirkungen auf die strategische Positionierung des Finanzministers gegenüber der OMV/Borealis?
  1. Warum wurde der Kapitalmarkt nicht über die Gespräche des Finanzministers und der ÖBAG (AR Chef Ofner und ÖBAG CEO Hlawati) mit der ADNOC informiert? Haben aus ihrer Sicht alle Aktionäre der OMV den gleichen Wissensstand?
    1. Hat es nach dem Meeting in Abu Dhabi weitere Gespräche oder Telefonate zwischen dem Finanzminister, AR Chef Ofner und ÖBAG CEO Hlawati und der ADNOC gegeben?
    2. Stimmt es, dass auf Drängen der ADNOC die erfolgte Nichtentlastung von Gangl aufgehoben werden musste?
  1. Wie bewertet der Finanzminister die Doppelrolle von Karl Rose, der einerseits Aufsichtsrat der OMV ist und andererseits als Berater für ADNOC tätig war? Ist Rose angesichts dieser Interessenskonflikte als Aufsichtsrat der OMV noch tragbar?
  2. Wie bewertet der Finanzminister den Umstand, dass der derzeitige Berater der ADNOC, Rainer Seele, vor seinem Abgang bei der OMV Thomas Gangl als CEO der Borealis bestellt und diesen mit einem unkündbaren 5 Jahres Vertrag ausgestattet hat? 
    1. Wie stark ist der Einfluss der ADNOC auf den OMV Aufsichtsrat/ÖBAG?