Eingelangt am 24.05.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Henrike Brandstötter,
Kolleginnen und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Ziele und Ergebnisse der
Afrikareise
Mit seiner Reise nach Angola und Ghana hat der
Bundeskanzler Neuland betreten. In beiden Staaten war er der erste
österreichische Kanzler auf offiziellem Besuch. Nur in Ägypten,
Österreichs zweitgrößtem Handelspartner auf dem afrikanischen
Kontinent, ist Österreich regelmäßig zu Gast. Eine
Afrikastrategie wird seit langem versprochen, bleibt aber weiterhin nur
"in Ausarbeitung." Ähnlich wie auf dieser Reise sollen die Schwerpunkte
der Afrika-Strategie die Themen Frieden und Sicherheit, Wirtschaftsbeziehungen,
Bildung und Wissenschaftskooperation, Klimaschutz, Krisenvorsorge und Migration
sein.
Der Bundeskanzler sagte vor seiner Abreise,
Ziel der Reise sei die Stärkungen der Zusammenarbeit in den Bereichen
Migration, Sicherheit und "Hilfe vor Ort." Themen der Gespräche
beinhalten Energie, und insbesondere die Kapazitäten für die
Produktion von grünem Wasserstoff, Migration und eine geregelte Migrationspolitik.
In allen drei Ländern traf der Bundeskanzler die jeweiligen
Staatspräsidenten.
In Angola besprach sich Kanzler Nehammer mit
Präsident João Lourenço, dessen Land der
zweitgrößte Ölproduzent Afrikas ist, aber wegen
langjähriger Misswirtschaft und extrem hoher Korruption im Land
raffinierte Erdölprodukte weiterhin importieren muss. Das rohstoffreiche
Land – 90% der Exporte bestehen aus Rohöl und Erdgas – lebt
weiterhin in Armut, fast 4 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen,
während die Hauptstadt Luanda zu einer der teuersten Städte Afrikas
zählt. Aufgrund seiner Rohstoffe wird Angola international beachtet. Heuer
waren bereits Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Russlands
Außenminister Sergej Lawrow im Land, China vergab ein Viertel seiner
Afrikakredite in den ersten zwei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts an Angola (39
Milliarden).
Der Kanzler sieht in Angola einen potentiellen
Lieferanten von grünem Wasserstoff und Agrarproduzenten, da nur 10% des
landwirtschaftlich nutzbaren Landes auch bewirtschaftet wird. Wohl auch deshalb
ist Angola einer der am meisten von den durch den Russland-Krieg
ausgelösten Preissteigerungen bei Lebensmitteln betroffenen Staaten.
Politisch ist die Situation in Angola komplex.
Die gegenwärtige Regierung wurde mit knappem Vorsprung gewählt, die
Wahl war jedoch umstritten und die Europäische Union schloss sich einem
Antrag auf Neuauszählung der Stimmen an. Die Regierung unter
Präsident Lourenço lehnte ab, er blieb im Amt.
In Ghana traf der Bundeskanzler den dortigen
Präsidenten Nana Akufo-Addo, dessen Regierung tatsächlich
demokratisch legitimiert ist. Präsident Akufo-Addo bat um Hilfe bei der
Errichtung einer Afrikanischen Freihandelszone (African Continental Free Trade
Area/ACFTA), deren Büro in Accra ist. Im Zuge seiner Reise hat der Bundeskanzler
die Einrichtung einer österreichischen Botschaft in Ghana
angekündigt.
Zum Abschluss der Reise
besucht Bundeskanzler Nehammer Ägypten und führte ein bilaterales
Gespräch mit dem ägyptischen Machthaber Abdel Fattah al-Sisi
führen. Sisi war 2013 durch einen Militärputsch gegen den
gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi an die Macht
gelangt und regiert seitdem mit einer Politik harter Unterdrückung von
Regimegegnern. Wirtschaftlich ist Ägypten hochverschuldet, seit 2013 haben
sich die Staatsschulden verdreifacht. Sisi plant aber dennoch Megaprojekte wie
den Bau einer neuen Hauptstadt in der Wüste, und nutzt damit
internationale Gelder, um mittels Klientelismus und schuldenfinanzierten
Projekten Arbeitsplätze zu schaffen. Gegen die Sisi-Regierung gibt es in
der Bevölkerung Widerstand; es kommt zu gewaltsamen Attacken gegen den
Staat und auch gegen Touristen. Dennoch sind die österreichischen
Beziehungen zu Sisi gut. Er wurde von verschiedenen österreichischen
Spitzenpolitikern besucht, und war selbst im Dezember 2018 in Wien.
Sechs Millionen
Flüchtlinge befinden sich derzeit in Ägypten. Der Bürgerkrieg im
Sudan, in dem Sisi den Befehlshaber der Armee, Abdel Fattah al-Burhan,
unterstützt, wird die Fluchtsituation in Ägypten noch verschlimmern.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Österreich will
"Brückenbauer" nach Afrika sein. Mit Marokko besuchte der
Bundeskanzler kürzlich einen Staat, der wegen seiner Besetzung der
Westsahara in der Afrikanischen Union kein gutes Ansehen genießt.
Nach welchen Kriterien wurden Marokko, Angola, Ghana und Ägypten als
Reiseziele ausgewählt?
- Welche Rolle spielten Menschenrechte,
Demokratie und Gleichstellung, drei zentrale Kriterien für
Österreichs Entwicklungs- und Außenpolitik in der Wahl der
Staaten?
- Warum wurden keine EZA-Fokusstaaten besucht?
- Das BMEIA arbeitet angeblich seit geraumer
Zeit an einer Afrikastrategie. Der Bundeskanzler bezog sich während
seiner Reise auf diese. Ist diese Strategie fertig und wann wird sie
endlich veröffentlicht?
- Die Themen der Reise waren laut
Bundeskanzler Migration, Sicherheit und Hilfe vor Ort. Die dafür
zuständigen Minister:innen wären Innenminister Karner,
Außenminister Schallenberg bzw. Verteidigungsministerin Tanner sowie
Energieministern Gewessler. Mitgefahren ist aber Landwirtschaftsminister
Totschnig. Warum?
- In Angola sprach der Bundeskanzler von
grünem Wasserstoff. Von Angola nach Europa sind die Transportwege
aber extrem lang, sodass Wasserstofferzeugung für Europa eher im
klimatisch ebenso gut situierten Nordafrika sinnig erscheint. Welche
Pläne gibt es, Wasserstoff aus Angola nach Österreich zu
importieren, und mit welchen Transportmitteln?
- In Luanda sagte der Bundeskanzler, Angola
könne "ein wertvoller Ratgeber sein um die Situation in Afrika,
aber auch der Welt besser einschätzen zu können." Angola
gilt als einer der korruptesten Staaten der Welt, die Wirtschaftssituation
ist trotz des Öl- und Gasreichtums für den Großteil der
Bevölkerung schlecht. In welchen Fragen will sich der Bundeskanzler
in Zukunft Rat von Angolas Regierung einholen, und warum?
- Bezüglich Wirtschaftszusammenarbeit ist
Angola aufgrund der vorherrschenden Korruption für
österreichische Unternehmen bedenklich. Wird es staatliche Garantien
für Handel mit oder Investitionen in Angola geben?
- Welche Prioritäten setzt
Österreich in Ghana, der einzigen funktionierenden Demokratie auf der
Reise des Kanzlers?
- Es stand ein Mobilitätsabkommen mit der
Optionen für Arbeit und Ausbildung in Österreich zur Debatte.
Ist eine Regelung für Arbeits- oder Bildungsmigration mit Ghana oder
anderen afrikanischen Staaten geplant?
- Wenn ja, wurde dieses Thema auf der Reise
angesprochen? Mit wem und mit welchem Resultat?
- Gab es mit den anderen Staatschefs
Gespräche zu diesem Thema? Wenn ja, mit welchem Resultat? Wenn nein,
warum nicht?
- Gab es in Ägypten Gespräche zur
Situation im Sudan? Was war die Einschätzung des ägyptischen
Machthabers zum dortigen Bürgerkrieg?
- Welche Diskussionen hatte der Bundeskanzler
in Ägypten über die Behandlung von Flüchtenden, von denen
zurzeit etwa 6 Millionen in Ägypten aufhältig?
- Gibt es Pläne, mit Ägypten ein
Abkommen, das dem mit der Türkei nachempfunden ist, zur Versorgung
von Asylsuchenden vor Ort abzuschließen, um deren Weiterreise nach
Europa zu verhindern?
- Wenn ja, gibt es hier einen
europäischen Ansatz?
- Wenn nein, was hat der Kanzler bilateral
mit Sisi vereinbart?
- Ägypten ist seit der
Machtübernahme Sisis eines der repressivsten Regime Afrikas.
Regimegegner und Sympathisant:innen der vor Sisi regierenden, aber
demokratisch gewählten Bruderschaft werden zum Tode verurteilt. Die
Zivilgesellschaft ist ebenso wie die Medien unterdrückt. Im Dezember
2021 beantwortete Außenminister Schallenberg eine Anfrage (7510/AB)
zum Menschenrechtsdialog mit Platitüden zur Bedeutung von
Menschenrechten für Österreichs Außenpolitik, beantwortete
aber keine Frage danach, was er zu diesem Thema mit dem ägyptischen
Machthaber Sisi besprochen hatte. Daher die Frage, was hat der
Bundeskanzler konkret zu Sisi zu diesem Thema gesagt?
- Gibt es österreichische rote Linien
für eine Kooperation mit dem Regime? Wenn ja, welche?
- Hat sich der Bundeskanzler bezüglich
der Menschenrechtsposition gegenüber Ägypten mit der
europäischen Union abgesprochen? Wenn ja, mit wem?
- Ein greifbares Resultat der Reise war das
Versprechen, eine österreichische Botschaft in Ghana zu
eröffnen. Welche anderen greifbaren Resultate sind aus der Reise
entstanden? Gibt es Pläne für die Eröffnung von anderen
österreichischen Vertretungen in Afrika?
- Bundeskanzler Nehammer sprach von einem
Dialog auf Augenhöhe. Es werden aber regelmäßig
afrikanische Minister:innen in Österreich nicht von ihren Pendants,
sondern von niedriger-rangigen Beamten oder Diplomatinnen empfangen. Wie
viele Minister:innen aus afrikanischen Staaten haben Österreich in
der aktuellen Gesetzgebungsperiode (seit 7. Jänner 2021) in
offizieller Funktion besucht?
- Wie viele von ihnen wurden von
Minister:innen, dem Bundeskanzler oder dem Bundespräsidenten
empfangen?
- Von wem wurden die anderen Staatsbesuche
empfangen?