15141/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.05.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Ziele und Ergebnisse der Afrikareise

 

Mit seiner Reise nach Angola und Ghana hat der Bundeskanzler Neuland betreten. In beiden Staaten war er der erste österreichische Kanzler auf offiziellem Besuch. Nur in Ägypten, Österreichs zweitgrößtem Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent, ist Österreich regelmäßig zu Gast. Eine Afrikastrategie wird seit langem versprochen, bleibt aber weiterhin nur "in Ausarbeitung." Ähnlich wie auf dieser Reise sollen die Schwerpunkte der Afrika-Strategie die Themen Frieden und Sicherheit, Wirtschaftsbeziehungen, Bildung und Wissenschaftskooperation, Klimaschutz, Krisenvorsorge und Migration sein.

Der Bundeskanzler sagte vor seiner Abreise, Ziel der Reise sei die Stärkungen der Zusammenarbeit in den Bereichen Migration, Sicherheit und "Hilfe vor Ort." Themen der Gespräche beinhalten Energie, und insbesondere die Kapazitäten für die Produktion von grünem Wasserstoff, Migration und eine geregelte Migrationspolitik. In allen drei Ländern traf der Bundeskanzler die jeweiligen Staatspräsidenten. 

In Angola besprach sich Kanzler Nehammer mit Präsident João Lourenço, dessen Land der zweitgrößte Ölproduzent Afrikas ist, aber wegen langjähriger Misswirtschaft und extrem hoher Korruption im Land raffinierte Erdölprodukte weiterhin importieren muss. Das rohstoffreiche Land – 90% der Exporte bestehen aus Rohöl und Erdgas – lebt weiterhin in Armut, fast 4 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen, während die Hauptstadt Luanda zu einer der teuersten Städte Afrikas zählt. Aufgrund seiner Rohstoffe wird Angola international beachtet. Heuer waren bereits Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Land, China vergab ein Viertel seiner Afrikakredite in den ersten zwei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts an Angola (39 Milliarden). 

Der Kanzler sieht in Angola einen potentiellen Lieferanten von grünem Wasserstoff und Agrarproduzenten, da nur 10% des landwirtschaftlich nutzbaren Landes auch bewirtschaftet wird. Wohl auch deshalb ist Angola einer der am meisten von den durch den Russland-Krieg ausgelösten Preissteigerungen bei Lebensmitteln betroffenen Staaten. 

Politisch ist die Situation in Angola komplex. Die gegenwärtige Regierung wurde mit knappem Vorsprung gewählt, die Wahl war jedoch umstritten und die Europäische Union schloss sich einem Antrag auf Neuauszählung der Stimmen an. Die Regierung unter Präsident Lourenço lehnte ab, er blieb im Amt. 

In Ghana traf der Bundeskanzler den dortigen Präsidenten Nana Akufo-Addo, dessen Regierung tatsächlich demokratisch legitimiert ist. Präsident Akufo-Addo bat um Hilfe bei der Errichtung einer Afrikanischen Freihandelszone (African Continental Free Trade Area/ACFTA), deren Büro in Accra ist. Im Zuge seiner Reise hat der Bundeskanzler die Einrichtung einer österreichischen Botschaft in Ghana angekündigt.

Zum Abschluss der Reise besucht Bundeskanzler Nehammer Ägypten und führte ein bilaterales Gespräch mit dem ägyptischen Machthaber Abdel Fattah al-Sisi führen. Sisi war 2013 durch einen Militärputsch gegen den gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi an die Macht gelangt und regiert seitdem mit einer Politik harter Unterdrückung von Regimegegnern. Wirtschaftlich ist Ägypten hochverschuldet, seit 2013 haben sich die Staatsschulden verdreifacht. Sisi plant aber dennoch Megaprojekte wie den Bau einer neuen Hauptstadt in der Wüste, und nutzt damit internationale Gelder, um mittels Klientelismus und schuldenfinanzierten Projekten Arbeitsplätze zu schaffen. Gegen die Sisi-Regierung gibt es in der Bevölkerung Widerstand; es kommt zu gewaltsamen Attacken gegen den Staat und auch gegen Touristen. Dennoch sind die österreichischen Beziehungen zu Sisi gut. Er wurde von verschiedenen österreichischen Spitzenpolitikern besucht, und war selbst im Dezember 2018 in Wien.

Sechs Millionen Flüchtlinge befinden sich derzeit in Ägypten. Der Bürgerkrieg im Sudan, in dem Sisi den Befehlshaber der Armee, Abdel Fattah al-Burhan, unterstützt, wird die Fluchtsituation in Ägypten noch verschlimmern. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Österreich will "Brückenbauer" nach Afrika sein. Mit Marokko besuchte der Bundeskanzler kürzlich einen Staat, der wegen seiner Besetzung der Westsahara in der Afrikanischen Union kein gutes Ansehen genießt. Nach welchen Kriterien wurden Marokko, Angola, Ghana und Ägypten als Reiseziele ausgewählt?
    1. Welche Rolle spielten Menschenrechte, Demokratie und Gleichstellung, drei zentrale Kriterien für Österreichs Entwicklungs- und Außenpolitik in der Wahl der Staaten? 
  1. Warum wurden keine EZA-Fokusstaaten besucht?
  2. Das BMEIA arbeitet angeblich seit geraumer Zeit an einer Afrikastrategie. Der Bundeskanzler bezog sich während seiner Reise auf diese. Ist diese Strategie fertig und wann wird sie endlich veröffentlicht?
  3. Die Themen der Reise waren laut Bundeskanzler Migration, Sicherheit und Hilfe vor Ort. Die dafür zuständigen Minister:innen wären Innenminister Karner, Außenminister Schallenberg bzw. Verteidigungsministerin Tanner sowie Energieministern Gewessler. Mitgefahren ist aber Landwirtschaftsminister Totschnig. Warum?
  4. In Angola sprach der Bundeskanzler von grünem Wasserstoff. Von Angola nach Europa sind die Transportwege aber extrem lang, sodass Wasserstofferzeugung für Europa eher im klimatisch ebenso gut situierten Nordafrika sinnig erscheint. Welche Pläne gibt es, Wasserstoff aus Angola nach Österreich zu importieren, und mit welchen Transportmitteln?
  5. In Luanda sagte der Bundeskanzler, Angola könne "ein wertvoller Ratgeber sein um die Situation in Afrika, aber auch der Welt besser einschätzen zu können." Angola gilt als einer der korruptesten Staaten der Welt, die Wirtschaftssituation ist trotz des Öl- und Gasreichtums für den Großteil der Bevölkerung schlecht. In welchen Fragen will sich der Bundeskanzler in Zukunft Rat von Angolas Regierung einholen, und warum?
  6. Bezüglich Wirtschaftszusammenarbeit ist Angola aufgrund der vorherrschenden Korruption für österreichische Unternehmen bedenklich. Wird es staatliche Garantien für Handel mit oder Investitionen in Angola geben?
  7. Welche Prioritäten setzt Österreich in Ghana, der einzigen funktionierenden Demokratie auf der Reise des Kanzlers?
  8. Es stand ein Mobilitätsabkommen mit der Optionen für Arbeit und Ausbildung in Österreich zur Debatte. Ist eine Regelung für Arbeits- oder Bildungsmigration mit Ghana oder anderen afrikanischen Staaten geplant? 
    1. Wenn ja, wurde dieses Thema auf der Reise angesprochen? Mit wem und mit welchem Resultat? 
    2. Gab es mit den anderen Staatschefs Gespräche zu diesem Thema? Wenn ja, mit welchem Resultat? Wenn nein, warum nicht?
  1. Gab es in Ägypten Gespräche zur Situation im Sudan? Was war die Einschätzung des ägyptischen Machthabers zum dortigen Bürgerkrieg?
  2. Welche Diskussionen hatte der Bundeskanzler in Ägypten über die Behandlung von Flüchtenden, von denen zurzeit etwa 6 Millionen in Ägypten aufhältig? 
    1. Gibt es Pläne, mit Ägypten ein Abkommen, das dem mit der Türkei nachempfunden ist, zur Versorgung von Asylsuchenden vor Ort abzuschließen, um deren Weiterreise nach Europa zu verhindern?  
    2. Wenn ja, gibt es hier einen europäischen Ansatz?
    3. Wenn nein, was hat der Kanzler bilateral mit Sisi vereinbart? 
  1.  Ägypten ist seit der Machtübernahme Sisis eines der repressivsten Regime Afrikas. Regimegegner und Sympathisant:innen der vor Sisi regierenden, aber demokratisch gewählten Bruderschaft werden zum Tode verurteilt. Die Zivilgesellschaft ist ebenso wie die Medien unterdrückt. Im Dezember 2021 beantwortete Außenminister Schallenberg eine Anfrage (7510/AB) zum Menschenrechtsdialog mit Platitüden zur Bedeutung von Menschenrechten für Österreichs Außenpolitik, beantwortete aber keine Frage danach, was er zu diesem Thema mit dem ägyptischen Machthaber Sisi besprochen hatte. Daher die Frage, was hat der Bundeskanzler konkret zu Sisi zu diesem Thema gesagt?
    1. Gibt es österreichische rote Linien für eine Kooperation mit dem Regime? Wenn ja, welche?
    2. Hat sich der Bundeskanzler bezüglich der Menschenrechtsposition gegenüber Ägypten mit der europäischen Union abgesprochen? Wenn ja, mit wem?
  1. Ein greifbares Resultat der Reise war das Versprechen, eine österreichische Botschaft in Ghana zu eröffnen. Welche anderen greifbaren Resultate sind aus der Reise entstanden? Gibt es Pläne für die Eröffnung von anderen österreichischen Vertretungen in Afrika?
  2. Bundeskanzler Nehammer sprach von einem Dialog auf Augenhöhe. Es werden aber regelmäßig afrikanische Minister:innen in Österreich nicht von ihren Pendants, sondern von niedriger-rangigen Beamten oder Diplomatinnen empfangen. Wie viele Minister:innen aus afrikanischen Staaten haben Österreich in der aktuellen Gesetzgebungsperiode (seit 7. Jänner 2021) in offizieller Funktion besucht?
    1. Wie viele von ihnen wurden von Minister:innen, dem Bundeskanzler oder dem Bundespräsidenten empfangen?
    2. Von wem wurden die anderen Staatsbesuche empfangen?