15191/J XXVII. GP

Eingelangt am 25.05.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Maga. Selma Yildirim,
Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend automatische Jahresveranlagungen und Steuergutschriften

 

Sehr geehrter Herr Finanzminister!

Auf der Website des BMF wird zum Beispiel das Predictive Analytics Competence Center als eigene Organisationseinheit ausführlich dargestellt[1], wobei die gewählte Sprache und die zahlreich verwendeten englischen Wörter und technischen Abkürzungen oberflächlich betrachtet durchaus einen beeindruckenden Leseeindruck hinterlassen.

Die PACC-Organisationseinheit wird dazu eingesetzt durch angebliches „Machine-Learning“ verschiedene Sachverhalte im Zusammenhang mit Betrug und Steuerhinterziehung zu erkennen. Abstrakt ergibt sich daher die Frage, wie das BMF erkennen kann, dass Verfahren der automatischen Arbeitnehmerveranlagung oder der automatischen Veranlagungsroutinen, nachdem der Steuerpflichtige die Erklärung in Finanzonline eingereicht hat, zu nicht korrekten Steuergutschriften führen, weil das vom BMF eingesetzte EDV-System diese Sachverhalte nicht erkennt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

(1) Welche Risikoanalyse wird für die automatische Arbeitnehmerveranlagung angewendet?

(2) Werden veranlagten Steuergutschriften, die nach der Abgabe des Steuerpflichtigen in Finanzonline automatisch bescheidmäßig veranlagt werden, nachträglich noch einmal auf betragsmäßige Richtigkeit überprüft, und gegebenenfalls zu Unrecht ausbezahlte Beträge zurückgefordert? Wenn ja, wie hoch waren die Rückforderungen in den vergangenen Jahren seit 2017 (bitte um jahresweise Angabe)?

(3) Werden Kontrollprozeduren eingesetzt um falsche Angaben in der Arbeitnehmerveranlagung, die zu unrichtigen Steuergutschriften führen können, zu finden? Bitte um getrennte Darstellung der EDV-gestützten und nicht EDV-gestützten Kontrollprozeduren.

(4) Wenn ein Fall der automatischen Arbeitnehmerveranlagung von der EDV herausgefiltert wird, und es ginge um 100 € zu viel ausgezahlte Steuergutschrift, beispielsweise durch unrichtige Angaben im Bereich der Werbungskosten, in welcher Form wird dem/der Fachbeamt*in der Finanzverwaltung dieser Steuerfall dann zur weiteren Bearbeitung vorgelegt?

(5) Wie wird verhindert, dass eine zu hohe Arbeitsbelastung in der persönlichen Nachkontrolle von automatischen Arbeitnehmerveranlagungen auftritt?

(6) Rechnet das BMF intern mit einer Summe von automatischen Fehlveranlagungen, die zu zu hohen Steuergutschriften führen? Wenn ja, aus welchen Gründen wäre das für das BMF „akzeptabel“ bzw. steht dem Anliegen der Steuergerechtigkeit und Steuerehrlichkeit nicht entgegen? Wie hoch wäre/ist der durchschnittliche jährliche Betrag?

(7)  Gibt es betragsmäßige Limits, bei denen eine persönliche Nachkontrolle von automatisiert veranlagten Bescheiden im Hinblick auf den erforderlichen Einsatz von Arbeitszeit als nicht mehr „rentabel“, daher von vornhinein ausgeschlossen wird? Wenn ja, wie hoch sind diese?

(8) Gibt es EDV-mäßige Routinen, die überprüfen, ob das System der automatischen Verarbeitung der Steuererklärung und Veranlagung korrekt funktioniert und keine zu hohen Steuergutschriften ausgezahlt werden? Wenn ja, welche und wie hoch ist der Betrag an nachträglich seit 2017 korrigierten Steuerveranlagungen, die zu einer Korrektur vor Bescheidausfertigung oder Rückforderung geführt haben? Bitte um jahresweise Angabe in Euro.

(9) Überprüft die Finanzverwaltung die Funktionsweise von Handy-Apps, die den Steuerpflichtigen „helfen“ wollen, die Arbeitnehmerveranlagung über Finanzonline durchzuführen? Wenn ja, bis zu welchem Detailgrad wird die Funktionsweise bzw. Programmierung überprüft?

(10) Wird geprüft, ob die Handy-Apps Angaben zur Übernahme der steuerlichen Vertretung machen, und in welcher Form diese gültig gegenüber der Finanzverwaltung entstanden sind? Beziehungsweise wird überprüft ob die Apps so programmiert sind, dass sie nur eine Ausfüllhilfe für den/die Steuerpflichtige/n darstellen?

(11) Wird geprüft, ob die Handy-Apps eine andere Benutzeroberfläche für das Ausfüllen der Steuererklärung verwenden, als diese der/die Steuerpflichtige in Finanzonline vorfinden würde?

(12) Wird dabei geprüft, ob Fehler beim Ausfüllen der Steuererklärung via Handy-Apps selbst entstehen könnten, die von den Masken in Finanzonline abweichende Veranlagungsergebnisse zeitigen würden?

(13) Werden die Feldzuordnungen überprüft? Wenn ja, wie?

(14) Wird geprüft, warum es Steuerpflichtigen komfortabler erscheint die Eingaben über eine zwischengeschaltete Handy-App, anstatt über die Finanzonline-Eingabe-Maske zu machen? Gibt es Usability-Tests für Finanzonline, die im Vergleich zu Handy-Apps Verbesserungspotential für die Finanzonline-Formular- bzw. -Menü-Führung ergeben haben? Wenn ja, wird Finanzonline zum leichteren Verständnis des Anwenders in dieser Hinsicht optimiert?

(15) Wird beim Login über Finanzonline oder bei den Feldeingaben, die von den Handy-Apps erzeugt werden, überprüft, dass die Eingaben im elektronischen Steuererklärungsformular von Finanzonline nicht von den Steuerpflichtigen, sondern von zwischengeschalteten Apps gemacht wurden? Gibt es eine Risikobewertung, die automatisch zu einer manuellen Nachkontrolle der eingereichten Steuererklärung führt?

(16) Konnte die Finanzverwaltung bisher feststellen, ob Handy-Apps für die Steuerveranlagung im Vergleich zu Finanzonline zu richtigeren oder unrichtigeren Veranlagungsergebnissen führen? Wenn ja, welche Unterschiede wurden festgestellt und wie wird darauf seitens der Finanzverwaltung reagiert bzw. welche Maßnahmen werden ergriffen?

(17) Wurden die internen Risikoeinschätzungen geändert und die EDV-Systeme dahingehend angepasst, dass Gutschriften in Abhängigkeit vom Eingabesystem (Apps, Finanzonline), verstärkt manuell nachkontrolliert werden? Wenn ja, welche Ergebnisse in der Mehrveranlagung haben diese erhöhten Kontrollen ergeben (bitte um jahresweise Angabe seit 2017 in Euro).

(18) Sind der Finanzverwaltung Fälle bekannt, in denen offensichtlich die automatisierte Verarbeitung der über Finanzonline eingereichten Steuererklärung, in Kenntnis der seitens der Finanzverwaltung hinterlegten Prüfroutinen und Veranlagungsautomatiken, „ausgetrickst“ wurde, um unrechtmäßige Steuergutschriften zu erlangen? Wenn ja, wie wurde in diesen Fällen vorgegangen? Kam es zu Rückforderungen (wenn ja, in welcher Höhe in den Jahren 2017 bis dato)? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um diese Fallkonstellationen zu verhindern?

(19) Wurden abhängig vom durch die Finanzverwaltung festgestellten Eingabesystem (Apps, Finanzonline) zusätzliche Stichproben gemacht, die wiederum die Risikoeinschätzung geändert haben und zu erhöhten manuellen Nachkontrollen vor der endgültigen Veranlagung geführt haben? Was war das Ergebnis der Stichproben, welche Maßnahmen wurden ergriffen?

 

 



[1] https://www.bmf.gv.at/themen/betrugsbekaempfung/einheiten-betrugsbekaempfung/Predictive-Analytics-Competence-Center.html