15199/J XXVII. GP

Eingelangt am 30.05.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Meri Disoski, Michel Reimon, Georg Bürstmayr, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Versuche der Einschüchterung und der Einschränkung der Meinungsfreiheit des Grünen Parlamentsklub durch die iranische Botschaft

BEGRÜNDUNG

 

Am 16. September 2022 starb die 19-Jährige Jina Mahsa Amini in Iran an den Folgen von in Polizeigewahrsam erlittenen Folterungen. Seitdem richtet sich eine große Protestbewegung gegen das iranische Regime, das mit gewalttätiger Unterdrückung, Massenverhaftungen, Folterungen, Vergiftungen und Hinrichtungen darauf reagiert.

Als Zeichen des politischen Protests der Abgeordneten des Grünen Klubs im Parlament gegen diese Repressalien wurde am 2. Mai 2023 eine Werbetafel der Firma Gewista im Sichtbereich der iranischen Botschaft in der Jaurèsgasse angemietet und mit der Aufschrift „Jin Jian Azadi Women Life Freedom“, dem Slogan der Protestbewegung, und dem Logo des Grünen Klubs angebracht.

Am Freitag, dem 19. Mai 2023, wurde bemerkt, dass das Schild nicht mehr an Ort und Stelle sei.

Laut zunächst erteilter Auskunft von zwei Angehörigen des österreichischen Bundesheers, die vor der iranischen Botschaft ihren Wachdienst ausübten, sei das Schild von ihnen abgehängt und in einer Kaserne hinterlegt worden. Etwas später behaupteten sie im Widerspruch dazu, dass es eine Beschwerde an die Polizei durch die Botschaft gegeben habe und die Polizei daraufhin das Schild entfernt hätte und dieses nun auf einer Polizeistation zur Abholung bereitläge. Zwei der Wachsoldaten äußerten sich in diesem Zusammenhang abfällig über die feministische Protestbewegung im Iran und bezeichneten die iranische Botschaft als ihren eigentlichen Arbeitgeber. Sie hätten sich für diesen Einsatz freiwillig gemeldet.

Auf telefonische Nachfrage bei der LPD Wien wurde dem Grünen Klub jedoch mitgeteilt, dass es zwar eine Beschwerde durch die Botschaft und daraufhin einen Polizeieinsatz vor Ort gegeben habe, dass jedoch kein Grund für eine Sicherstellung des Schildes vorgelegen sei und eine solche durch die Polizei daher nicht durchgeführt wurde. Dies wurde auch auf Twitter öffentlich bekannt gegeben[1].

Auf telefonische Nachfrage beim LVT Wien am 20. Mai wurde durch einen Beamten die Auskunft erteilt, dass dieser bereits am 2. Mai von der iranischen Botschaft kontaktiert worden sei. Diese hätte sich über die Protestaktion des Grünen Klubs und das angebrachte Schild beschwert und die Entfernung des Schildes gefordert. Während diesem Telefonat sei seitens des Botschaftsmitarbeiters die Drohung gefallen: „Wir werden Gleiches mit Gleichem vergelten.“, was der Beamte in Richtung etwaiger Geschehnisse im Iran selbst deutete. Er habe daraufhin gegenüber der iranischen Botschaft die Aussage getätigt: „Dann nehmen Sie es halt runter“. Daraufhin hätten seines Wissens die Wachsoldaten des Bundesheeres auf Aufforderung von Botschaftsmitarbeitern das Schild abmontiert.

In einem weiteren Telefonat am 21. Mai mit diesem LVT-Beamten wiederholte dieser den geschilderten Hergang und gab an, dass das Schild in einer Kaserne aufgefunden wurde und nun bei ihm am Schottenring zur Abholung bereitliege. Am Dienstag den 23. Mai brachte der Beamte persönlich das Schild in den Grünen Klub.

Die Aussagen der involvierten Angehörigen des österreichischen Bundesheers und des LVTs Wien werfen eine Fülle von Fragen auf. Es ist schwer nachvollziehbar, warum Beamte des österreichischen Staates im Auftrag des iranischen Verbrecherregimes die Meinungsfreiheit des Grünen Klubs im Parlament durch Entfernen des Schildes verletzten. Zunächst durch die Einladung des LVT-Beamten an Angehörige einer fremden Botschaft, in privates Eigentum einzugreifen und unter Verletzung der Meinungsfreiheit eine völlig legal angebrachte Werbetafel zu entfernen. In weiterer Folge durch den Umstand, dass Angehörige des Bundesheers Weisungen einer fremden Botschaft entgegen nehmen und ausführen. Auch dass der Grüne Klub über keinen dieser Vorgänge vorab informiert wurde, ist höchst irritierend.

Hinsichtlich der Wachsoldaten des Bundesheeres ist festzuhalten, dass es sich um einen Assistenzeinsatz im Auftrag der Sicherheitsbehörden handelt, so dass die Zuständigkeit beim Bundesminister für Inneres liegt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)           Welche Informationen haben Sie darüber, wer das vom Grünen Klub im Parlament gebuchte Werbeschild der Gewista „Jin Jian Azadi Women Life Freedom“ entfernt hat?

2)           Wer war an der Entfernung des Schildes beteiligt?

3)           Auf wessen Anordnung wurde das Schild entfernt?

a.      Waren Angehörige des Bundesheers an der Entfernung des Schildes beteiligt?

4)           Haben Angehörige des Bundesheers die Entfernung des Schildes beobachtet?

a.      Falls ja, warum wurde die Polizei nicht gerufen?

5)           Wurde durch Angehörige des Bundesheers eine Anzeige über die Entfernung des Schildes erstattet?

6)           Wer wusste über die Entfernung des Schildes Bescheid?

a.      Wusste die LPD Wien über die Entfernung Bescheid?

b.      Wusste das LVT Wien über die Entfernung Bescheid?

c.      Wusste das BMI über die Entfernung Bescheid?

7)           Wurde das BMLV über die Entfernung informiert?

8)           Wurde das BMEIA über die Entfernung informiert?

9)           Falls Sie im Vorfeld nicht informiert wurden, wann wurden Sie über die Entfernung des Plakats informiert?

10)        Laut unserem Informationsstand gab es vor der Entfernung des Schildes eine Einschätzung seitens der Wiener Polizei, dass das Schild nicht entfernt werden müsse. Ist das zutreffend und wie wurde diese Einschätzung begründet?

11)        Nachdem die Polizei das Schild nicht entfernte, beschwerte sich die iranische Botschaft unserem Informationsstand nach beim LVT Wien über das Schild. Das LVT Wien regte offenbar an, dass die Botschaft das Schild selber entfernen könne.

a.    Aufgrund welcher Rechtsgrundlage erfolgte diese Empfehlung zur Verletzung fremden Eigentums und zum Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit?

b.    Entspräche ein solcher Umgang mit Beschwerden durch Botschaften der Praxis des LVT Wien?

12)        Besteht eine Rechtsgrundlage dafür, dass im Assistenzeinsatz für die Sicherheitsbehörden befindliche Wachsoldaten vor Botschaften Weisungen von Botschaftspersonal entgegennehmen und ausführen?

a.    Falls ja: welche?

b.    Falls nein: entspricht eine solche Vorgehensweise der Praxis?

c.    Falls nein: dürfte die Botschaft eine solche Anweisung erteilen?



[1] https://twitter.com/LPDWien/status/1659826773071126532