Eingelangt am 02.06.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und
Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend BFA Qualitätssicherung Referent:innen
Erschreckend
hohe Missstände bei der Fehlerquote des Bundesamts für Fremdwesen und
Asyl (BFA) sind bereits 2020 von Medienberichten aufgezeigt worden. Laut Profil
wurden jährlich durchschnittlich 40 Prozent der erstinstanzlich negativen
Asyl-Bescheide des BFA in weiterer Folge durch das Bundesverwaltungsgericht
(BVwG) aufgehoben, wobei die Rekordfehlerquote des BFA von 79% bei
Aberkennungsverfahren hervorgehoben wurde (Profil, 2019).1
Wie der Beantwortung zu einer NEOS-Anfrage zu entnehmen, bleibt seither eine
Verbesserung der Umstände aus: 2022 lag die Fehlerquote des BFA bei fast
50 Prozent und nur knapp 39 Prozent der Entscheidungen der Behörde hatten
laut BVwG Bestand (14054/AB, 2023).2 Diese Zahlen stehen in
starkem Kontrast zu dem Budgetziel, das eine Fehlerquote von maximal (!) 30
Prozent vorsieht, schließlich beläuft sich der durchschnittliche
finanzielle Aufwand pro Asylbeschwerdeverfahren auf € 1.800, wobei 2022
für zweitinstanzliche Rechtsberatung vor dem BVwG über € 13.5
mil. ausgegeben wurden. Zusätzliche Kosten für die Grundversorgung
etc. nehmen während der Beschwerdeverfahren, die durchschnittlich sechs
Monate, aber oft auch mehrere Jahre dauern, zu. Hier ist auch die psychische
sowie materielle Belastung für Betroffene zu betonen, deren Asylantrag unbegründeterweise
abgelehnt oder deren Status aberkannt wurde.
In
Hinblick auf die signifikante Ressourcenverschwendung durch kontinuierlich
mangelnde Qualität des BFA sind die Personalentscheidungen der
Behörde zu hinterfragen. Eine Prüfung des Rechnungshofes im Jahre
2018 zeigte beispielsweise, dass nur 87% der verfahrensführenden
Referent:innen eine volle Approbation vom BFA erteilt wurden, wobei nur knapp
290 der 480 Referent:innen einen der Grundausbildungslehrgänge des BFA
besucht hatten (RH-Bericht, 2023).3 Dass beispielsweise
im Zuge erstinstanzlicher Aberkennungsverfahren wegen Straffälligkeiten
oft auf die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsprognose verzichtet oder
im „Copy-Paste-Verfahren“ erstellt wurde (Der Standard, 2020)4,
zeigt die problematische Nachlässigkeit des BFA. Laut der
Follow-Up-Prüfung des BFA vom Rechnungshof im Zeitraum Februar bis April
2022 konnte ein Großteil der überprüften Empfehlungen des
RH-Berichts 2019, auch bezüglich des Personalmanagements, umgesetzt
werden. So soll das BFA beispielsweise „wesentliche Schritte“
gesetzt haben, um einen bedarfsgerechten und einheitlichen Ausbildungsstand
seiner Mitarbeiter:innen zu garantieren und eine flexiblere Personalsteuerung
eingeführt haben, die den wechselnden Einsatz der Bediensteten auf Grund
des schwankenden Arbeitsanfalls im asyl- und fremdenrechtlichen Bereich
ermöglichen soll (Wiener Zeitung, 2023).5 In Anbetracht
der oben angeführten Missstände im BFA, vor allem der weiterhin
erschreckend hohen Fehlerquote bei erstinstanzlichen Asyl-Entscheidungen, sind
Personalentscheidungen der Behörde sowie die Effizienz der gesetzten
Maßnahmen und Reformen jedoch weiterhin zu hinterfragen.
- https://www.profil.at/oesterreich/erste-instanz-asylverfahren-kosten-1124150
- https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/14054
- https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/home_7/2023_4_Bundesamt_Asyl.pdf
- https://www.derstandard.at/story/2000122205034/die-absurd-hohe-fehlerquote-desbundesamts-fuer-fremdenwesen-und-asyl
- https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2177856-BFA-setzte-grossen-Teil-der-Rechnungshof-Empfehlungen-um.html
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Wie viele Planstellen standen mit Stichtag 01.01.2022
sowie mit 01.01.2023 am BFA zur Verfügung?
- Wie viele davon waren
Vollbeschäftigungsäquivalente (VBÄ)?
- Wie viele davon entfielen auf Jurist:innen, andere
wissenschaftliche Mitarbeiter:innen bzw. sonstiges Personal?
i. Wie
viele davon konnten berufliche Vorerfahrung im Asyl- und fremdenrechtlichen
Bereich aufweisen?
ii. Ist
eine berufliche Vorerfahrung im Asyl- und fremdenrechtlichen Bereich eine
Voraussetzung?
- Wie viele Mitarbeiter:innen wurden seit Jänner 2022
gekündigt? Wie viele neu angestellt?
- Wie viele Posten sind im BFA unbesetzt?
- Um welche Stellen handelt es sich (bitte um Auflistung)?
- Wie viele Posten (ab Referatsleiter:innen) werden im BFA
interimistisch geführt?
- Um welche Stellen handelt es sich (bitte um Auflistung)?
- Welche Posten sind länger als zwei Monate vakant und
noch nicht ausgeschrieben?
- Wie entwickelte sich die Fluktuation der Mitarbeiter:innen
des BFA seit Jänner 2022? Wurden folglich vakante Stellen
nachbesetzt? Warum (nicht)? (siehe RH 2023 Follow-Up Bericht, S.19)
- Welche konkreten Maßnahmen haben Sie bzw. Ihr
Ressort gesetzt, um das Budgetziel einer Fehlerquote von 30% (oder
weniger) zu erreichen?
- Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bzw. Ihr
Ressort noch setzen, um das Budgetziel einer Fehlerquote von 30% (oder
weniger) zu erreichen?
Umsetzung
Rechnungshof-Empfehlungen laut Bericht der Follow-Up Überprüfung 2023
(Prüfungszeitraum Februar bis April 2022)
- Aus- und Fortbildung: Wurde allen seit
Jänner 2022 beschäftigten verfahrensleitenden Referent:innen
eine volle Approbation vom BFA erteilt?
- Wie vielen verfahrensleitenden Referent:innen wurde keine
Approbation erteilt?
- Welchen Ausbildungsstand (gemäß des 2021 durch
Erlass eingeführten Ausbildungsprogramms) hatten und haben seit
Jänner 2022 beschäftigte Referent:innen (bitte um Auflistung
nach Ausbildung)? (siehe RH-Bericht 2023, S.30)
- Wie lange beträgt die durchschnittliche
Ausbildungsdauer bis zur vollen Approbation für Referent:innen?
- Wurde seit Juli 2021 Bediensteten die Approbation ganz
oder teilweise entzogen? Aus welchen Gründen? Mit welchen Folgen
für die Betroffenen?
- Welche verpflichtenden Fortbildungsveranstaltungen zu
besonders relevanten Themen waren seit Jänner 2022 verpflichtend
für BFA-Bedienstete? (Bitte um Auskunft der Themen und jeweiligen
Teilnehmer:innen-Anzahl)
- Wie viel wurde 2022 in Ausbildungs- und
Fortbildungsprogramme der Mitarbeiter:innen des BFA investiert?
- Welches Budget steht 2023 für Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme
der Mitarbeiter:innen des BFA zur Verfügung?
- Qualitätsmanagement und
Qualitätssicherungsmaßnahmen: Wie sah der vom Referat
„Qualität, Ausbildung und Wissensmanagement BFA“ (Sektion
V, BMI) entwickelte Qualitätsrahmenplan für 2022 aus?
- Was beinhaltete er konkret?
- Wie sieht der Qualitätsrahmenplan für 2023 aus?
- Was beinhaltet er konkret?
- Wie sieht die darin enthaltene Folgeevaluierung aus dem
abgelaufenen Qualitätsjahr 2022 aus (Bitte um Übermittlung der
Dokumente)? (siehe RH-Bericht 2023, S.33)
- Was beinhaltet er konkret?
- Welche externen Stakeholder waren in die Erstellung des
Qualitätsrahmenplans 2022 bzw. 2023 involviert?
i. Mit
welchem Ergebnis jeweils?
- Inwiefern wurden für den Jahreszyklus 2023 die
RH-Empfehlungen zur konkreten Quantifizierung der in den jährlichen
zentralen Qualitätsrahmenplänen und regionalen
Qualitätsplänen festgelegten Ziele umgesetzt, um eine bessere
Überprüfung der Zielerreichung zu ermöglichen? (RH-Bericht
2023, S.35)
- Wenn nicht – warum?
- Wurde die RH-Empfehlung zu einer organisationsweiten
Auswertung bzw. dem Controlling von erhobenen Rechtsmitteln bzw. den
Entscheidungen des BVwG zu Gründen, die im Einflussbereich des BFA
lagen, gänzlich umgesetzt?
- Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen konnten
getroffen werden? (RH-Bericht 2023, S.36)
- Wenn nicht - warum und welcher Zeitplan ist für eine
Umsetzung angestrebt?
- Anhand welcher Kriterien werden mithilfe des BVwG
Erfassungstools BERT Defizite in der Arbeit des BFA analysiert?
- Welche Ergebnisse brachte das BVwG Erfassungstools BERT
bisher (seit Einführung und bis Stichtag Zeitpunkt der Anfrage)?
- Wo konnte Schulungsbedarf festgestellt werden?
i. Wie
wurde und wird auf Schulungsbedarf reagiert? Welche Schulungen und/oder andere
(Qualitäts-)Maßnahmen konnten seit Einführung des BERT
umgesetzt werden?
- Wie viele Asylverfahren der Kategorie „sonstige
Verfahren“ wurden seit Jänner 2022 eingeleitet?
- Wie unterscheiden sich „sonstige Verfahren“
jeweils von Normverfahren?
- Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob ein
„sonstiges Verfahren“ eingeleitet wird?
- Gab und gibt es Weisungen seitens des BMI an
verfahrensführende Referent:innen bzgl. einer Quote an maximal
positiv bzw. negativ auszustellenden Asylbescheiden?
- Wenn ja, anhand welcher Kriterien wird diese Quote
festgelegt?
- Wenn ja, wie hoch sind die Quoten festgelegt?
- Gab und gibt es sonstige Weisungen seitens des BMI an
verfahrensführende Referent:innen?
- Wenn ja, welchen Inhalts?
- Flexible Personalsteuerung: Wie wurde die
flexible Personalsteuerung auf Grund des schwankenden Arbeitsanfalls im
BFA seit 2019 umgesetzt und verbessert?
- Wie wurde in Phasen geringer Auslastung seit Jänner
2019 eine Personalreduktion bewirkt?
- Wie viele und nach welchen Kriterien wurden Mitarbeiter:innen
entlassen und Regionaldirektionen, Erstaufnahmestellen, etc. zugeteilt?
i. Durch
welche Maßnahmen wird in Phasen geringer Auslastung sichergestellt, dass
schnell auf einen unerwarteten Anstieg an Asyl-Antragstellungen reagiert werden
kann?
- Wie wurde 2019 auf den Anstieg der Asylantragszahlen von
Personen aus Syrien und Afghanistan reagiert?
i. Welche
Anzahl und nach welchen Kriterien wurden Mitarbeiter:innen zur Bearbeitung von
Asyl-Anträgen neu angestellt bzw. aus anderen Abteilungen hinzugezogen
(bitte um Auflistung nach juristischen, anderen wissenschaftlichen und
sonstigen Mitarbeiter:Innen)?
ii. Wurde
im Zuge der Personalumschichtung allen verfahrensleitenden Referent:innen eine
volle Approbation vom BFA erteilt?
- Wie wurde 2022 auf den Anstieg der Anträge auf
temporäres Aufenthaltsrecht nach der Vertriebenen-VO von Personen
aus der Ukraine reagiert?
- Wurde der Plan zur kurzfristigen Aufnahme von ca. 50
verfahrensführenden Referent:Innen und
Unterstützungskräften auf Grund des Anstiegs der
Asylantragszahlen nach April 2022 umgesetzt?
i. Wie
viele Verwaltungspraktikant:innen kamen zum Einsatz?
ii. Nach
welchen Kriterien gestalteten sich die Aufnahmeverfahren?
iii. Sind
die Bediensteten noch in ihrer Funktion tätig? (Siehe RH-Follow-Up Bericht
2023)
- Wie soll Personalplanung dahingehend optimiert werden,
dass auf Ausnahmesituationen, wie einem Anstieg der Anzahl an
Asylanträgen oder Anträge auf temporäres Aufenthaltsrecht
nach der Richtlinie 2001/55/EG, besser reagiert werden kann?