15277/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.06.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend BFA Qualitätssicherung Referent:innen

 

Erschreckend hohe Missstände bei der Fehlerquote des Bundesamts für Fremdwesen und Asyl (BFA) sind bereits 2020 von Medienberichten aufgezeigt worden. Laut Profil wurden jährlich durchschnittlich 40 Prozent der erstinstanzlich negativen Asyl-Bescheide des BFA in weiterer Folge durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) aufgehoben, wobei die Rekordfehlerquote des BFA von 79% bei Aberkennungsverfahren hervorgehoben wurde (Profil, 2019).1 Wie der Beantwortung zu einer NEOS-Anfrage zu entnehmen, bleibt seither eine Verbesserung der Umstände aus: 2022 lag die Fehlerquote des BFA bei fast 50 Prozent und nur knapp 39 Prozent der Entscheidungen der Behörde hatten laut BVwG Bestand (14054/AB, 2023).2 Diese Zahlen stehen in starkem Kontrast zu dem Budgetziel, das eine Fehlerquote von maximal (!) 30 Prozent vorsieht, schließlich beläuft sich der durchschnittliche finanzielle Aufwand pro Asylbeschwerdeverfahren auf € 1.800, wobei 2022 für zweitinstanzliche Rechtsberatung vor dem BVwG über € 13.5 mil. ausgegeben wurden. Zusätzliche Kosten für die Grundversorgung etc. nehmen während der Beschwerdeverfahren, die durchschnittlich sechs Monate, aber oft auch mehrere Jahre dauern, zu. Hier ist auch die psychische sowie materielle Belastung für Betroffene zu betonen, deren Asylantrag unbegründeterweise abgelehnt oder deren Status aberkannt wurde.

In Hinblick auf die signifikante Ressourcenverschwendung durch kontinuierlich mangelnde Qualität des BFA sind die Personalentscheidungen der Behörde zu hinterfragen. Eine Prüfung des Rechnungshofes im Jahre 2018 zeigte beispielsweise, dass nur 87% der verfahrensführenden Referent:innen eine volle Approbation vom BFA erteilt wurden, wobei nur knapp 290 der 480 Referent:innen einen der Grundausbildungslehrgänge des BFA besucht hatten (RH-Bericht, 2023).3  Dass beispielsweise im Zuge erstinstanzlicher Aberkennungsverfahren wegen Straffälligkeiten oft auf die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsprognose verzichtet oder im „Copy-Paste-Verfahren“ erstellt wurde (Der Standard, 2020)4, zeigt die problematische Nachlässigkeit des BFA. Laut der Follow-Up-Prüfung des BFA vom Rechnungshof im Zeitraum Februar bis April 2022 konnte ein Großteil der überprüften Empfehlungen des RH-Berichts 2019, auch bezüglich des Personalmanagements, umgesetzt werden. So soll das BFA beispielsweise „wesentliche Schritte“ gesetzt haben, um einen bedarfsgerechten und einheitlichen Ausbildungsstand seiner Mitarbeiter:innen zu garantieren und eine flexiblere Personalsteuerung eingeführt haben, die den wechselnden Einsatz der Bediensteten auf Grund des schwankenden Arbeitsanfalls im asyl- und fremdenrechtlichen Bereich ermöglichen soll (Wiener Zeitung, 2023).5 In Anbetracht der oben angeführten Missstände im BFA, vor allem der weiterhin erschreckend hohen Fehlerquote bei erstinstanzlichen Asyl-Entscheidungen, sind Personalentscheidungen der Behörde sowie die Effizienz der gesetzten Maßnahmen und Reformen jedoch weiterhin zu hinterfragen.

 

 

  1. https://www.profil.at/oesterreich/erste-instanz-asylverfahren-kosten-1124150
  2. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/14054 
  3. https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/home_7/2023_4_Bundesamt_Asyl.pdf
  4. https://www.derstandard.at/story/2000122205034/die-absurd-hohe-fehlerquote-desbundesamts-fuer-fremdenwesen-und-asyl
  5. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2177856-BFA-setzte-grossen-Teil-der-Rechnungshof-Empfehlungen-um.html

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Wie viele Planstellen standen mit Stichtag 01.01.2022 sowie mit 01.01.2023 am BFA zur Verfügung?
    1. Wie viele davon waren Vollbeschäftigungsäquivalente (VBÄ)?
    2. Wie viele davon entfielen auf Jurist:innen, andere wissenschaftliche Mitarbeiter:innen bzw. sonstiges Personal?

                                          i.    Wie viele davon konnten berufliche Vorerfahrung im Asyl- und fremdenrechtlichen Bereich aufweisen?

                                        ii.    Ist eine berufliche Vorerfahrung im Asyl- und fremdenrechtlichen Bereich eine Voraussetzung? 

  1. Wie viele Mitarbeiter:innen wurden seit Jänner 2022 gekündigt? Wie viele neu angestellt?
  2. Wie viele Posten sind im BFA unbesetzt?
    1. Um welche Stellen handelt es sich (bitte um Auflistung)?
  1. Wie viele Posten (ab Referatsleiter:innen) werden im BFA interimistisch geführt?
    1. Um welche Stellen handelt es sich (bitte um Auflistung)?
  1. Welche Posten sind länger als zwei Monate vakant und noch nicht ausgeschrieben?
  2. Wie entwickelte sich die Fluktuation der Mitarbeiter:innen des BFA seit Jänner 2022? Wurden folglich vakante Stellen nachbesetzt? Warum (nicht)? (siehe RH 2023 Follow-Up Bericht, S.19)
  3. Welche konkreten Maßnahmen haben Sie bzw. Ihr Ressort gesetzt, um das Budgetziel einer Fehlerquote von 30% (oder weniger) zu erreichen? 
  4. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bzw. Ihr Ressort noch setzen, um das Budgetziel einer Fehlerquote von 30% (oder weniger) zu erreichen? 

 

Umsetzung Rechnungshof-Empfehlungen laut Bericht der Follow-Up Überprüfung 2023 (Prüfungszeitraum Februar bis April 2022)

  1. Aus- und Fortbildung: Wurde allen seit Jänner 2022 beschäftigten verfahrensleitenden Referent:innen eine volle Approbation vom BFA erteilt?
    1. Wie vielen verfahrensleitenden Referent:innen wurde keine Approbation erteilt?
    2. Welchen Ausbildungsstand (gemäß des 2021 durch Erlass eingeführten Ausbildungsprogramms) hatten und haben seit Jänner 2022 beschäftigte Referent:innen (bitte um Auflistung nach Ausbildung)? (siehe RH-Bericht 2023, S.30)
    3. Wie lange beträgt die durchschnittliche Ausbildungsdauer bis zur vollen Approbation für Referent:innen?
    4. Wurde seit Juli 2021 Bediensteten die Approbation ganz oder teilweise entzogen? Aus welchen Gründen? Mit welchen Folgen für die Betroffenen?
  1. Welche verpflichtenden Fortbildungsveranstaltungen zu besonders relevanten Themen waren seit Jänner 2022 verpflichtend für BFA-Bedienstete? (Bitte um Auskunft der Themen und jeweiligen Teilnehmer:innen-Anzahl)
  2. Wie viel wurde 2022 in Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme der Mitarbeiter:innen des BFA investiert?
  3. Welches Budget steht 2023 für Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme der Mitarbeiter:innen des BFA zur Verfügung?
  4. Qualitätsmanagement und Qualitätssicherungsmaßnahmen: Wie sah der vom Referat „Qualität, Ausbildung und Wissensmanagement BFA“ (Sektion V, BMI) entwickelte Qualitätsrahmenplan für 2022 aus?
    1. Was beinhaltete er konkret? 
  1. Wie sieht der Qualitätsrahmenplan für 2023 aus?
    1. Was beinhaltet er konkret? 
  1. Wie sieht die darin enthaltene Folgeevaluierung aus dem abgelaufenen Qualitätsjahr 2022 aus (Bitte um Übermittlung der Dokumente)? (siehe RH-Bericht 2023, S.33)
    1. Was beinhaltet er konkret?  
    2. Welche externen Stakeholder waren in die Erstellung des Qualitätsrahmenplans 2022 bzw. 2023 involviert?

                                          i.    Mit welchem Ergebnis jeweils? 

  1. Inwiefern wurden für den Jahreszyklus 2023 die RH-Empfehlungen zur konkreten Quantifizierung der in den jährlichen zentralen Qualitätsrahmenplänen und regionalen Qualitätsplänen festgelegten Ziele umgesetzt, um eine bessere Überprüfung der Zielerreichung zu ermöglichen? (RH-Bericht 2023, S.35)
    1. Wenn nicht – warum?
  1. Wurde die RH-Empfehlung zu einer organisationsweiten Auswertung bzw. dem Controlling von erhobenen Rechtsmitteln bzw. den Entscheidungen des BVwG zu Gründen, die im Einflussbereich des BFA lagen, gänzlich umgesetzt?
    1. Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen konnten getroffen werden? (RH-Bericht 2023, S.36)
    2. Wenn nicht - warum und welcher Zeitplan ist für eine Umsetzung angestrebt? 
  1. Anhand welcher Kriterien werden mithilfe des BVwG Erfassungstools BERT Defizite in der Arbeit des BFA analysiert?
    1. Welche Ergebnisse brachte das BVwG Erfassungstools BERT bisher (seit Einführung und bis Stichtag Zeitpunkt der Anfrage)?
    2. Wo konnte Schulungsbedarf festgestellt werden?

                                          i.    Wie wurde und wird auf Schulungsbedarf reagiert? Welche Schulungen und/oder andere (Qualitäts-)Maßnahmen konnten seit Einführung des BERT umgesetzt werden?

  1. Wie viele Asylverfahren der Kategorie „sonstige Verfahren“ wurden seit Jänner 2022 eingeleitet?
    1. Wie unterscheiden sich „sonstige Verfahren“ jeweils von Normverfahren?
    2. Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob ein „sonstiges Verfahren“ eingeleitet wird?
  1. Gab und gibt es Weisungen seitens des BMI an verfahrensführende Referent:innen bzgl. einer Quote an maximal positiv bzw. negativ auszustellenden Asylbescheiden?
    1. Wenn ja, anhand welcher Kriterien wird diese Quote festgelegt?
    2. Wenn ja, wie hoch sind die Quoten festgelegt?
  1. Gab und gibt es sonstige Weisungen seitens des BMI an verfahrensführende Referent:innen?
    1. Wenn ja, welchen Inhalts? 
  1. Flexible Personalsteuerung: Wie wurde die flexible Personalsteuerung auf Grund des schwankenden Arbeitsanfalls im BFA seit 2019 umgesetzt und verbessert?
    1. Wie wurde in Phasen geringer Auslastung seit Jänner 2019 eine Personalreduktion bewirkt?
    2. Wie viele und nach welchen Kriterien wurden Mitarbeiter:innen entlassen und Regionaldirektionen, Erstaufnahmestellen, etc. zugeteilt?

                                          i.    Durch welche Maßnahmen wird in Phasen geringer Auslastung sichergestellt, dass schnell auf einen unerwarteten Anstieg an Asyl-Antragstellungen reagiert werden kann?

    1. Wie wurde 2019 auf den Anstieg der Asylantragszahlen von Personen aus Syrien und Afghanistan reagiert?

                                          i.    Welche Anzahl und nach welchen Kriterien wurden Mitarbeiter:innen zur Bearbeitung von Asyl-Anträgen neu angestellt bzw. aus anderen Abteilungen hinzugezogen (bitte um Auflistung nach juristischen, anderen wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeiter:Innen)?

                                        ii.    Wurde im Zuge der Personalumschichtung allen verfahrensleitenden Referent:innen eine volle Approbation vom BFA erteilt?

    1. Wie wurde 2022 auf den Anstieg der Anträge auf temporäres Aufenthaltsrecht nach der Vertriebenen-VO von Personen aus der Ukraine reagiert?
    2. Wurde der Plan zur kurzfristigen Aufnahme von ca. 50 verfahrensführenden Referent:Innen und Unterstützungskräften auf Grund des Anstiegs der Asylantragszahlen nach April 2022 umgesetzt?

                                          i.    Wie viele Verwaltungspraktikant:innen kamen zum Einsatz?

                                        ii.    Nach welchen Kriterien gestalteten sich die Aufnahmeverfahren?

                                       iii.    Sind die Bediensteten noch in ihrer Funktion tätig? (Siehe RH-Follow-Up Bericht 2023)

    1. Wie soll Personalplanung dahingehend optimiert werden, dass auf Ausnahmesituationen, wie einem Anstieg der Anzahl an Asylanträgen oder Anträge auf temporäres Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2001/55/EG, besser reagiert werden kann?