15281/J XXVII. GP
Eingelangt am 07.06.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Untätigkeit der Behörden bei Verstößen gegen Spielerschutz?
Jahr für Jahr kostet Spielsucht die Existenzen von unzähligen Betroffenen und ihrer Familien. Rund 64.000 Menschen in Österreich zeigen ein pathologisches Spielverhalten.(1) Trotz Glücksspiel-Monopol und einer grundsätzlich starken gesetzlichen Regulierung in diesem Bereich, wird der Spielerschutz in Österreich systematisch vernachlässigt. Effektive und wissenschaftliche belegte Reformvorschläge, wie die Einführung einer österreichweiten Sperrdatenbank, oder gesetzliche Änderungen für mehr Spielerschutz beim sogenannten kleinen Glücksspiel, aber auch ein entschlossenes Vorgehen gegen illegales Online-Glücksspiel (zB über DNS-Blocking), werden vom zuständigen ÖVP-geführten Finanzministerium seit Jahren verschleppt.
Selbst bestehende gesetzliche Regelungen werden von der Glücksspielindustrie nicht umgesetzt, bzw. zum Teil bewusst umgangen. So brachte der Verein Spielerhilfe, der sich für einen besseren Spielerschutz in Österreich einsetzt, nach einer Reihe von Undercover-Kontrollen im Februar 2023 insgesamt 59 Anzeigen gegen die Amatic Entertainment AG und die PG Enterprise AG ein, das österreichweit insgesamt 34 Automatensalons betreibt (2) & (3). Zur Anzeige gebracht werden Verstöße gegen den Spielerschutz (Spielersperren, Zutrittskontrollen), Gewerbeordnung, Nichtraucherschutz (ein Rauchverbot in Spiellokalen hilft bei problematischem und pathologischem Spielverhalten), sowie der Betrieb von illegalem Online-Glücksspiel (Derzeit ist Win2day der einzige legale Anbieter von Glücksspielen im Internet in Österreich). Die Anzeigen gingen an die zuständigen Behörden in Kärnten, der Steiermark und Niederösterreich, sowie ans Finanzministerium als Aufsichtsbehörde. Es scheint jedoch so, als ob die Behörden bisher untätig waren oder stillschweigend die Gesetzesverstöße dulden - denn in den letzten Wochen stattgefundene Undercover-Besuche des Vereins bei den zur Anzeige gebrachten Unternehmen zeigen, dass diese bisher keinerlei Verbesserungen beim Spielerschutz vorgenommen hatten.
Im April 2023 folgten weitere 153 Anzeigen des Vereins Spielerhilfe bei den zuständigen Landespolizeidirektionen und Bezirkshauptmannschaften, sowie bei den Aufsichtsorganen BMF und Presserat gegen die Casinos Austria und die Österreichischen Lotterien, Annahmestellen und Medien ("Heute" und die "Kronen): 70 davon im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz (Verkauf von Lotterieprodukten an Minderjährige), die im Rahmen von Testeinkäufen festgestellt wurden. Zusätzlich 83 Anzeigen gegen die Tageszeitungen "Heute" und "Kronen Zeitung", die mit Verstößen gegen das Medienrecht begründet wurden (nicht-redaktioneller Werbeinhalt für Glücksspiele wurde von den Zeitungen nicht als solcher gekennzeichnet und Leser somit in die Irre geführt).(4) Auch hier muss den Verstößen gegen Spielerschutz ehestmöglich nachgegangen werden. Aufgabe des BMFs als zuständige Aufsichtsbehörde ist es, hier ein konsequentes Handeln der Behörden sicherzustellen.
Die Sicherung hoher Spielerschutzstandards ist laut dem für Glücksspiel zuständigen BMF eine der zentralen Zielsetzungen des österreichischen Glücksspielgesetzes (GSpG) und dort auch gesetzlich verankert.(5) Im Bundesministerium für Finanzen ist zudem nach § 1 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) eine Spielerschutzstelle eingerichtet.(6) Unklar ist jedoch, was diese Stelle konkret für den Spielerschutz in Österreich leistet, bzw. ob sie Interesse daran hat, über Verstöße gegen den Spielerschutz informiert zu werden.(7)
Einen massiven Anschlag gegen den Spielerschutz in Österreich bedeutet der von Maltas Wirtschaftsminister eingebrachte Gesetzesvorschlag, mit dem maltesischen Gerichte verboten werden soll, die Urteile anderer EU-Gerichte gegen maltesische Glücksspielunternehmen anzuerkennen. Dieses Gesetz soll in Zukunft maltesischen Glücksspielunternehmen, die ihre Tätigkeit in vielen EU-Staaten rechtswidrig ohne lokale Glücksspiellizenzen angeboten und mittlerweile von zahlreichen Zivilgerichten zu Zahlungen verurteilt wurden, vor dem Zugriff der Gerichte anderer EU-Staaten schützen. Malta würde damit eklatant gegen den Grundsatz der EuGVVO 2012 (Brüssel-Ia-VO) verstoßen, wonach Urteile anderer EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken sind. (8)
Für Österreichs Spieler:innen und Spielsüchtige bedeutet der maltesische Gesetzesvorschlag, dass sie ihre bisher einzige Möglichkeit verlieren könnten, sich gegen illegale Online-Glücksspiel-Konzerne rechtlich zu Wehr zu setzen. Damit kann sich aber auch der österreichische Finanzminister bei seinem Versagen im Spielerschutz nicht länger auf diese betroffenen Spieler:innen grundsätzlich zur Verfügung stehende zivilrechtliche Möglichkeit ausreden.
Dieses Versagen beim Spielerschutz zeigt sich auch in dem eklatanten Desinteresse, das der Finanzminister (und in seinem Gefolge der Gesundheitsminister) für eine seit über einem Jahrzehnt überfällige bundesweite Sperrdatenbank für Spielsüchtige zeigt. In einer aktuellen Anfragebeantwortung (9) gibt das BMF zu, dass man - anstatt seinen gesetzlichen Verpflichtungen umgehend nachzukommen - die Möglichkeiten einer Umsetzung der seit 2010 (!) im Glücksspielgesetz vorgesehene bundesweiten Sperrdatenbank nach wie vor lediglich "prüft", also seit mittlerweile fast 13 Jahren!
Quellen:
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende