15283/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.06.2023
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Eva Blimlinger, Olga Voglauer, Barbara Neßler, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Ermittlungen wegen NS-Wiederbetätigung gegen Udo Guggenbichler

Am 24. Mai 2023 wurde durch einen Artikel in der Tageszeitung „Der Standard“ bekannt, dass gegen den FPÖ-Politiker Udo Guggenbichler ein Verfahren wegen Verdachts auf Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne eingeleitet wurde[1]. Grund hierfür sind die Anzeige einer Frau, die Guggenbichler über mehrere Monate getroffen hatte und die Aussage der ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat Martha Bißmann. Diese geben zu Protokoll, in der Burschenschaft von Udo Guggen­bichler, der Wiener akademischen Burschenschaft Albia, befänden sich eine Reihe von NS-Devotionalien und Bilder mit Mitgliedern der Burschenschaft in NS-Uniformen. im Dachgeschoss der Burschenschaft soll darüber hinaus ein ehemaliger SS-Sturm­bannführerversteckt leben, um sich einer Strafvollziehung zu entziehen. Des Weiteren würden sich Liederbücher mit verbotenen nationalsozialistischen Inhalten sowie ein Buch mit einem klar erkennbaren Hakenkreuz auf dem Cover in den Räumen der Burschenschaft befinden, die Guggenbichler den Frauen teilweise gezeigt haben soll.

Die Ermittlungen und Einvernahmen wurden von der Direktion Staatsschutz und Nach­richtendienst (DSN) durchgeführt. Dabei sorgt der Ablauf der Ermittlungen für Verwun­derung: Denn zwischen der Anzeigenlegung der Belastungszeugin D. bei der NS-Mel- destelle des Innenministeriums am 27. Juli 2022, der Einvernahme der Frau durch die DSN im Dezember 2022 und der Hausdurchsuchung in der Burschenschaft im Früh­ling 2023 verging erstaunlich viel Zeit.

Eine auf die Anzeige durch die Belastungszeugin folgende Anzeige von Udo Guggenbichler gegen D. wegen des Verdachts auf Stalking wurde angeblich vom LVT aufgenommen und bearbeitet, obwohl das von Guggenbichler behauptete Stalking nichts mit der politischen Tätigkeit des Udo Guggenbichler zu tun hatte. Auch die Einvernahme der offenbar zu Unrecht Beschuldigten - die diesbezüglichen Ermittlungen wurden eingestellt - soll durch das LVT Wien erfolgt sein.

Die Vorwürfe gegen Udo Guggenbichler werfen nicht nur erneut ein Licht auf das stu­dentische Verbindungswesen in Österreich, wo nach Rechtsextremismus-expert:innen, wie dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), deutschnationale Burschenschaften oft rechtsextremen bis neonazistischen Umtrie­ben nahestehen. Und es ist nicht das erste Mal, dass Hausdurchsuchungen und Er­mittlungen im Zusammenhang mit dem NS-Verbotsgesetz im Kontext deutschnationa­ler Korporationen die Öffentlichkeit beschäftigen. Erinnert sei hier beispielsweise nur an die diversen Liederbuchaffären.

Die Vorwürfe wiegen darüber hinaus deshalb schwer, weil Udo Guggenbichler nicht nur ein hochrangiger aktiver Funktionär der FPÖ und seit 2010 Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderates ist. Er nimmt auch für die deutschnationalen Burschenschaften in Österreich eine zentrale Rolle ein. So ist er Vorsitzender des Österreichischen Pennäler Rings (ÖPR), des Dachverbands der deutschnationalen Schülerverbindungen, und Organisator des von der Wiener Lan­desgruppe der FPÖ ausgerichteten Wiener Akademikerballs, der als Nachfolgeveran­staltung des Balls des Wiener Korporationsrings (WKR), dem Zusammenschluss aller deutschnationalen studentischen Verbindungen in Wien, gilt. Der ÖPR erhält zudem jährlich mehrere zigtausend Euro an Jugendförderung durch den Bund. Durch neona­zistische Umtriebe in Verbindungen besteht die Gefahr einer NS-Indoktrinierung von jungen Menschen, die dann auch noch indirekt staatlich subventioniert würde.

Bei den Funktionen, die Guggenbichler innehat, ist nicht nur ersichtlich, welchen Stellenwert Guggenbichler für Burschenschaften und die FPÖ hat. Es zeigt auch, dass das Verfahren und die Ermittlungen eine relevante politische Dimension aufweisen. Gerade weil Burschenschaften sich selbst damit rühmen, in männerbündischer Tradition ein Karrierenetzwerk mit vielfältigen Verbindungen in Wirtschaft, Beamtenschaft und Politik zu sein, muss sichergestellt werden, dass die Ermittlungen und das Verfahren nicht durch politische Interventionen beeinflusst werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Was ist die durchschnittliche Zeitdauer, mit der Anzeigen bei der NS-Meldestelle des Bundesministeriums für Inneres (DSN) bearbeitet werden?

2.    Wie ist der behördliche Ablauf, nachdem eine Anzeige bei der NS-Meldestelle des Bundesministeriums für Inneres einlangt? Bitte um detaillierte Darstellung der einzelnen Schritte.

3.    Wann und wo ist die Anzeige gegen Udo Guggenbichler das erste Mal bei den Behörden des Bundesministeriums für Inneres eingegangen?

4.   Welche Dienststellen des BMI wurden im weiteren Verlauf informiert und mit den Ermittlungen dazu beauftragt?

5.   Zu welchem Zeitpunkt wurde die DSN von der Anzeige gegen Guggenbichler informiert?

6.   Wann und von wem wurde Udo Guggenbichler von der Anzeige oder das ge­gen ihn laufende Ermittlungsverfahren informiert?

7.   Wann und von wem wurde Udo Guggenbichler zum gegenständlichen Sach­verhalt das erste Mal einvernommen?

8.   Welche Dienststellen des BMI waren in die Ermittlungen gegen Guggenbichler einbezogen?

9.   Wurde Udo Guggenbichler von anderen Dienststellen des BMI als der DSN zu den Ermittlungen kontaktiert? Wenn ja, welche und wann?

10. Wurde Udo Guggenbichler vor der stattgefundenen Hausdurchsuchung in der Burschenschaft Albia im Frühjahr 2023 von den Behörden über die Ermittlun­gen informiert? Wenn ja, von wem, wann und warum?

11 .War Udo Guggenbichler bei der Hausdurchsuchung in der Burschenschaft Al­bia anwesend? Wenn ja, warum?

12. Wann und durch welche BMI-Kräfte erfolgte die gerichtlich angeordnete Haus­durchsuchung?

13. Was wurde bei der Hausdurchsuchung in der Burschenschaft Albia gefunden? Bitte um detaillierte Auflistung und Darstellung der Gegenstände.

14. Wurden inkriminierte Gegenstände oder Waffen vorgefunden und sicherge­stellt. Wenn ja, welche?

15. Wurden die betroffenen Örtlichkeiten (Bildergalerie, Bibliothek, Paukraum etc.) fotografisch dokumentiert?

16. Bezog sich die gerichtlich bewilligte Hausdurchsuchungsanordnung nur auf bestimmte Räumlichkeiten oder auf die gesamten Räumlichkeiten der Bur­schenschaft Albia einschließlich Unterkünfte? Falls nicht die gesamten Räum­lichkeiten durchsucht wurden: Warum nicht?

17. Wurde bei der Hausdurchsuchung eine ältere Person im Dachgeschoss der Burschenschaft Albia angetroffen, beziehungsweise ist auszuschließen, dass

eine Person im Dachgeschoss der Burschenschaft Aibia wohnhaft war und/oder ist?

18. Befinden sich im Dachgeschoss der Burschenschaft Albia Räumlichkeiten, die als Wohnraum verwendet werden können?

19. Wird/werden der ÖPR und/oder einzelne pennale Verbindungen durch die DSN als rechtsextrem eingestuft und beobachtet? Wenn nein, warum nicht?

20. Werden der Wiener Korporations Ring (WKR) und/oder ihm angehörige deutschnationale Studentenverbindungen vom DSN als rechtsextrem einge­stuft und beobachtet? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Verbindungen?

21. Wie war der chronologische Ablauf der Ermittlungsschritte des BMI/der DSN ab Erstkontakt mit der Anzeigerin D. (samt Berichtslegungen an die zuständige Staatsanwaltschaft)?

22. Hatte die DSN Kenntnis von der Stalking-Anzeige des Udo Guggenbichler ge­gen die Anzeigerin? Wenn ja: Seit wann und von wem?

23. Woraus ergab sich die Zuständigkeit des LVT Wien zur Aufnahme der Stalking-Anzeige des Udo Guggenbichler?

24. Sind Mitarbeiter des LVT Wien Angehörige einer schlagenden Verbindung? Wenn ja: Wie viele und von welchen Verbindungen?

25. Sind Mitarbeiter der DSN Angehörige einer schlagenden Verbindung? Wenn ja: Wie viele und von welchen Verbindungen?



[1] https://www.derstandard.at/story/3000000050716/verdacht-der-wiederbetaetigung-gegen-fpoe-politiker-und-akademikerball-chef-guggenbichler-