15284/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.06.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Maßnahmenvollzugsreform 2022 - Nicht zu Ende gedacht?

 

Am 15.12.2022 wurde vom Nationalrat mehrheitlich das Maßnahmenvollzuganpassungsgesetz 2022 beschlossen und am 30.12.2022 im Bundesgesetzblatt kundgemacht (BGBl. I 223/2022). Gemäß Artikel 4, Ziffer 11 dieses Gesetzes wurde dem § 63 JGG ein Absatz 13 angefügt, der unter anderem vorsieht, dass die Bestimmungen der § 5 Ziffer 6b JGG und § 17b JGG, jeweils idF BGBl. I 223/2022, mit 1. September 2023 in Kraft treten werden. 

§ 5 Ziffer 6b JGG idF BGBl. I 223/2022 sieht vor, dass Anlass einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 StGB nur eine Tat sein kann, für die nach den allgemeinen Strafgesetzen lebenslange Freiheitsstrafe oder eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zehn Jahren angedroht ist. § 17b JGG idF BGBl. I 223/2022 ordnet an, dass die strafrechtliche Unterbringung nach § 21 StGB wegen einer Jugendstraftat grundsätzlich nicht länger als fünfzehn Jahre dauern darf. Gemäß § 19 Abs. 2 JGG (idF BGBl. I 223/2022) gelten die vorgenannten Bestimmungen auch für Straftaten junger Erwachsener, sohin in allen Fällen, in denen die Tat vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen wurde.

Diese neuen Regelungen führen dazu, dass auch Personen, die als junge Erwachsene vor mehr als 15 Jahren (zurückgerechnet ab 01.09.2023) schwerwiegende Straftaten unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung begangen haben und nur deshalb nicht bestraft werden konnten, weil sie im Zeitpunkt der Tat wegen dieser Störung zurechnungsunfähig (§ 11 StGB) waren, per 01.09.2023 unverzüglich aus dem Maßnahmenvollzug zu entlassen sind. 

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese Personen in den letzten 15 Jahren in ihrer persönlichen Lebensführung durch die mit der vorbeugenden Maßnahme verbundene Freiheitsentziehung massiv eingeschränkt waren, in diesem Zusammenhang aber auch umfassend alimentiert und medizinisch betreut worden sind, steht die begründete Befürchtung im Raum, dass diese plötzlich in die Freiheit und umfassende Selbstversorgung entlassenen Personen mit ihrer neuen, komplett geänderten Lebenssituation nicht zurecht kommen und aus der dadurch bedingten Überforderung heraus neuerlich strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzen. 

Die unbedingte Entlassung aus einer vorbeugenden Maßnahme kommt in gewisser Weise einer Delogierung gleich. Diesbezüglich ist in § 33a MRG vorgesehen, dass das Gericht die Gemeinde zu benachrichtigen hat, sobald gegen einen Mieter ein auf die Erwirkung eines Exekutionstitels auf Räumung von Wohnräumen abzielendes Verfahren eingeleitet wird. Dies zeigt, dass es auch im Falle der Entlassung von bisher untergebrachten Personen eines Zusammenwirkens der Justiz mit anderen öffentlichen Stellen bedarf, um das nötige soziale Auffangnetz zu gewährleisten. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Bei wie vielen Personen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Anlasstat das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die zum Zeitpunkt der Verlautbarung des Maßnahmenvollzugsgesetzes 2022 in BGBl. I 223/2022 am 30.12.2022 gemäß § 21 Abs. 1 StGB untergebracht waren, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der zeitlichen Obergrenze von 15 Jahren gemäß § 17b Abs. 1 JGG (idF BGBl. I 223/2022) vor?
    1. Wieviele Personen werden mit 01.09.2023 aus dem Maßnahmenvollzug entlassen?
    2. Wieviele Personen werden bis zum 01.09.2024 aus dem Maßnahmenvollzug entlassen? (Bitte um genaue zeitliche Auflistung)
  1. Von welchen Landesgerichten wurden die Personen gemäß Frage 1. verurteilt (bitte um ziffernmäßige Aufgliederung)?
  2. In welchen Justizanstalten bzw. forensisch-psychiatrischen Abteilungen von Krankenhäusern sind diese Personen untergebracht (bitte um ziffernmäßige Aufgliederung)?
  3. Wegen welcher Anlasstaten wurde hinsichtlich dieser Personen jeweils die Unterbringung angeordnet (bitte um ziffernmäßige Aufgliederung)?
  4. Welche konkreten Maßnahmen sind seitens des Bundesministeriums für Justiz geplant, um im Zusammenwirken mit anderen öffentlichen Stellen und/oder anderen Organisationen zu gewährleisten, dass die ab 01.09.2023 aus dem Maßnahmenvollzug zu Entlassenden im erforderlichen Umfang betreut und begleitet werden?
    1. Sind legistische Maßnahmen geplant?

                                          i.    Wenn ja, mit welchen Ressorts gab es wann Gespräche?

  1. Welche konkreten Maßnahmen wurden bis zum Stichtag der Anfragebeantwortung von Seiten des Bundesministeriums gesetzt, um im Zusammenwirken mit anderen öffentlichen Stellen/oder anderen öffentlichen Organisationen zu gewährleisten, dass die ab 01.09.2023 aus dem Maßnahmenvollzug zu Entlassenden im erforderlichen Umfang betreut und begleitet werden?
    1. Welche Stellen innerhalb des Ressorts waren damit befasst?
    2. Welche Gespräche gab es wann mit welchen Ressorts?
    3. Welche Gespräche gab es wann mit welchen staatlichen Behörden, gesundheitlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen oder anderen öffentlichen Stelle?