15289/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.06.2023
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Am 7.2.2024 erfolgte eine vertraulichkeits-/datenschutzkonforme Adaptierung.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Ist das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz mehr als lediglich eine Empfehlung?

 

Gemäß § 63 Abs 2 und 3 RStDG sind Richter:innen Nebenbeschäftigungen (iSd Abs 1 leg.cit.) von der Dienstbehörde mit schriftlicher Weisung zu untersagen, wenn diese die Beschäftigung in Erfüllung ihrer Dienstpflichten behindern oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährden könnten. Zudem ist die Ausübung von Nebenbeschäftigungen zu untersagen, soweit das zeitliche Ausmaß oder die Zeit der Ausübung entweder eine Behinderung bei der Erfüllung der Dienstpflichten mit sich bringen könnte oder im Falle einer Herabsetzung der Auslastung den Grund für diese Herabsetzung darstellt.

 

Wenigen Richter:innen ist es gelungen, durch eine erhebliche Anzahl von Beschäftigungen neben dem Richteramt und gerne verkündete Informationen über gerade zusätzlich noch zu absolvierende Sprachstudien auf Hochschulen Berühmtheit zu erlangen. Selbst bei striktester Berücksichtigung der eminent wichtigen Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit stellt sich nicht zuletzt aus Gründen der Gleichbehandlungsansprüche von Rechtsunterworfenen die Frage, ob justizintern derartige bemerkenswerte Umstände Aufmerksamkeit finden.

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher anhand des Fallbeispiels DI MMMMag. Michael TOLSTIUK, LL.M, LL.M, MBA folgende

 

ANFRAGE

 

1.            Wird die Einhaltung der eingangs genannten Bestimmung des RStDG laufend überprüft und wenn ja, wie?

2.            Welche Vorkehrungen zur Einhaltung dieser Bestimmungen wurden getroffen?

3.            Ist es richtig, dass eine Obergrenze von acht Wochenstunden für Nebentätigkeiten einzuhalten ist?

4.            Ist bekannt, dass der genannte Richter des Landesgerichts für Strafsachen Wien parallel zu seiner richterlichen Tätigkeit mehrere akademische Studien/Lehrgänge –  zuletzt Chinesisch und Theologie – absolviert?

5.            Wurden diese Lehrgänge der Dienstbehörde bekannt gemacht und allenfalls unterstützt bzw. wurden mögliche Beeinträchtigungen der richterlichen Beschäftigung geprüft?

6.            Welches Ausmaß an zeitlicher Auslastung für Nebentätigkeiten erachten Sie – auch im gegenständlichen Fall - als unproblematisch bzw. problematisch?

7.            Ist es wünschenswert für die Justiz, dass ein Richter, welcher sich intensiven Nebenbeschäftigungen widmet, zusätzlich auch noch Vortragstätigkeiten nachgeht und wenn ja, welches Ausmaß in Summe ist hier den gesetzlichen Vorstellungen des Richterbilds aus Ihrer Sicht akzeptabel?

8.            Wurden die genannten Vortragstätigkeiten gemeldet?

9.            Genannter Richter führt mit seiner Ehefrau einen Heurigen- und Bauernhof samt Hofladen in N.-L. /NÖ, der sich allenfalls auch aufgrund der Tätigkeit der Ehefrau als örtliche Gemeinderätin einer größeren Regierungspartei auf Bundesebene hoher Beliebtheit erfreut. Diese Tätigkeit sowie der Einsatz des Richters als Mitglied der örtlichen freiwilligen Feuerwehr, im Pfarrgemeinderat sowie dessen Tätigkeit als Stabsführer einer örtlichen Musikkappelle haben zwar zu Anerkennung des Richters auch im lokalpolitischen niederösterreichischen Umfeld geführt, aber auch die Frage nach der Intensität der Arbeit und Arbeitszeit eines Richters entstehen lassen. Ist eine derartige Entwicklung mit den einschlägigen Vorgaben für das Richteramt aus Ihrer Sicht ohne weiteres möglich, vielleicht gar wünschenswert oder und sollte es Zweifel an dieser Handhabung geben, und wenn ja, worin bestehen diese Zweifel?

10.         Wurde eine Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 63 RStDG geprüft?

11.         Wurde die Nebentätigkeit als Disziplinaranwalt des NÖ Landesjagdverbandes durch den genannten Richter gemeldet bzw. ist dies der Dienstbehörde anderweitig bekannt?

12.         Wurden dem genannten Richter gemäß § 63 Abs 7 RStDG Nebenbeschäftigungen untersagt?

13.         Kam es beim genannten Richter bereits zu Beschwerden, disziplinarrechtlichen Prüfungen, Gesprächen mit Leitungsorganen des LGS oder sonstigen Handlungen der Dienstbehörde?

14.         Wurden die Tätigkeiten des genannten Richters für die örtliche ÖVP einschließlich seiner Kandidaturen bei öffentlichen Wahlen jemals dienstrechtlich beurteilt und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

15.         Wurde in Zusammenhang mit den diversen Tätigkeiten des genannten Richters ein Verstoß gegen § 57 Abs 3 RStDG geprüft und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

16.         Die Abteilung dieses Richters ist bzw. war im Zeitraum 2014 bis dato gegen Neuanfall gesperrt. Trifft dies zu?

a.                   Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgte eine Berücksichtigung der privaten Auslastung des Richters und wenn ja, auf welche Art?

b.                  Wie ist die Bestimmung des § 63 RStDG hier mit der Sperre gegen Neuanfall vereinbar?

17.         Für welche bzw. für wie viele sogenannte „Großverfahren bzw clamoröse Verfahren“ war der Richter im Zeitraum 2014 bis dato zuständig?

18.         Gibt es Erhebungen zur Frage der Gleichbehandlung mit anderen Richtern des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in punkto Arbeitsbewältigung und Arbeitslast?

a.                   wenn ja, mit welchem Inhalt und

b.                  wenn nein, warum nicht?

 

2.            Ohne dass dem genannten Richter eine Tätigkeit in einer Jugendorganisation einer größeren Regierungspartei auf Bundesebene zum Vorwurf gemacht werden soll, haben dessen Verfahren mit parteipolitischer Relevanz auch im Zusammenhang mit dem oben genannten lokalen Lebenswandel zu Fragen der Vereinbarkeit im Sinne des Objektivitätsgebots und dem möglichen Anschein von Befangenheit geführt. Dies etwa in nachstehenden Verfahren, die aktuellen werden hier nicht angeführt:

a.                   Freispruch des grundsätzlich geständigen Walter Meischberger im Zusammenhang mit einer unbeglichenen Scheinrechnung iHv 600.00,00 (Stichwort: „Wo war meiLeistung) im Juli 2016.

b.                  Freispruch des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser und dessen steuerrechtlichen Berater im Jahr 2022 wegen Fehlens der subjektiven Tatseite zur Abgabenhinterziehung, obwohl der mitangeklagte Berater Karl-Heinz Grasser massiv belastete, wobei der Richter bereits im Zusammenhang mit der Homepageaffäre (2004) des Karl-Heinz Grasser als Untersuchungsrichter tätig geworden war.

 

Die Fragestellungen stützen sich einerseits auf die für derart heikle Angelegenheiten doch bemerkenswerte parteipolitische Zuordenbarkeit des Richters im Sinne der „Salzburger Beschlüsse der Justiz“ und andererseits darauf, dass die Arbeitslast als Richter im Lichte der unzähligen Nebentätigkeiten zwangsläufig beeinträchtigt wird:

 

27.         Erachten Sie die seit geraumer Zeit bestehende Situation als akzeptabel und wenn nein, warum nicht und was gedenken Sie zu veranlassen?

28.         Wie oft wurde seit 2014 eine mögliche Befangenheit des Richters geltend gemacht und wie wurde jeweils über diese entschieden?

29.         Wurde im Rahmen der Justizverwaltung erörtert, dass ein Richter unter einer solchen massiven privaten Auslastung Akten im Umfang von mehreren tausend Seiten in dem notwenigen Ausmaß aufnehmen kann, um Prozesse verantwortungsvoll zu führen?

30.         Bestehen ressortinterne Vorhaben, Nebenbeschäftigungen von Richter:innen neu zu regeln bzw. auf bekanntgewordene Missstände in irgendeiner Art zu reagieren?