Eingelangt am 14.06.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg
Sarre, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Lehrkräfte- und
Direktor:innen-Mangel an Österreichs Schulen
Der Lehrer:innenmangel an Österreichs
Schulen ist seit Jahren Thema in der Bildungspolitik und in der medialen
Öffentlichkeit. Die Ursachen - allen voran die Pensionierungswelle der
Babyboomer-Generation, aber auch das im internationalen Vergleich geringe
Interesse am Lehramtsstudium und mäßige Image des Berufs - sind seit
langem bekannt. Dennoch wurden erst kürzlich erste Maßnahmen gegen
den Mangel gesetzt. Nennenswert ist diesbezüglich vor allem das neue
Quereinstiegsmodell, während die Arbeit am Berufsimage nur
oberflächlich stattfindet ("positive Erzählung") und nicht
an den tatsächlichen Arbeitsbedingungen im Berufsalltag ansetzt.
Jedes Jahr zu Schulbeginn kommen aus den
Bundesländern Meldungen, dass in einzelnen Fächern, Schularten und
Regionen noch Lehrpersonen fehlen. In der Regel werden diese Lücken durch
Überstunden und mit Lehramtsstudierenden kurzfristig gefüllt, von
einer nachhaltigen Lösung sind wir aber noch weit entfernt. Im Bereich der
Bundesschulen ist der Bund unmittelbar für das Personalwesen
zuständig ist, im Bereich der Landesschulen trägt er zumindest eine
Mitverantwortung: Die Zuständigkeit für das Personalmanagement liegt
dort zwar bei den Ländern, der Bund ist jedoch für die Ausbildung der
zukünftigen Lehrpersonen und für die Rahmenbedingungen im Berufsfeld
(Schulgesetze, Finanzierung etc.) verantwortlich.
Der Mangel an Lehrkräften zeigt sich in
vielfältiger Weise zu Lasten der Schülerinnen und Schüler:
- Aus den Schulen wird berichtet, dass
vorgesehene Doppelbesetzungen immer öfter entfallen. Darunter leiden
besonders Kinder mit Behinderungen (fehlende Begleitlehrkraft für Inklusion),
und Kinder mit Lernschwierigkeiten (fehlende Zweitlehrkraft in
Hauptfächern in Mittelschulen). Bei Ausfall der zweiten Lehrkraft ist
keine Supplierung vorgesehen, daher ist dieser Mangel nicht zentral
erfasst.
- 2022 waren österreichweit 386 Lehramt-Studierende
in den Schulen beschäftigt. Diese sind oft noch mitten im
Bachelorstudium, kurz nach der eigenen Matura und nicht ausreichend auf
die Herausforderungen vorbereitet, denen Sie gegenüberstehen.
- 2022 hatten 9.028 von 120.000
Lehrer:innen einen Sondervertrag, haben also nicht die regulären
Anstellungserfordernisse erfüllt.
- Weiters wurden rund 6 Mio. Überstunden
geleistet, was Kosten von fast 350 Mio. Euro verursacht hat.
- 2021 waren 46% der Lehrer:innen im ersten
Dienstjahr in einem Fach eingesetzt, das sie nicht studiert hatten, 8,9%
musst sogar ausschließlich fremde Fächer unterrichten.
Über den fachfremden Unterricht in späteren Dienstjahren liegen
keine Zahlen vor, er ist aber weit verbreitet.
Zum Lehrkräfte-Mangel tritt immer
öfter auch ein Direktor:innen-Mangel. Für ausgeschriebene
Schulleitungsposten treffen keine oder nur sehr wenige Bewerbungen ein, sodass
Stellen unbesetzt bleiben oder Personen Direktor:in werden, die dafür nur
mäßig geeignet sind. Auch hier werden nur zögerlich
Maßnahmen gesetzt, um die Tätigkeit attraktiver zu machen. So wurden
zwar zuletzt die administrativen Unterstützungskräfte aufgestockt,
aber nicht flächendeckend im benötigten Ausmaß. Ein
"Mittleres Management" in größeren Schulen ist (mit
Ausnahme der BMHS) weiterhin nicht vorgesehen und für eine Gesamtreform
des bürokratischen Schulverwaltungssystems - Stichwort "Vertrauen
statt Kontrolle" und "Autonomie statt Bürokratie" - scheint
der politische Wille zu fehlen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Zur Pensionierungswelle: In früheren
Anfragebeantwortungen (z.B. 2583/AB vom 11.3.2019) wurden Prognosedaten
für die nächsten Jahre vorgelegt. Bis zu welchem Jahr liegen
derzeit Prognosen vor? Bitte um Auflistung der voraussichtlichen Pensionierungen
nach Bundesland und Schulart sowie auch nach Unterrichtsfächern,
wobei den Anfragesteller:innen bekannt ist, dass Lehrer:innen i.d.R.
über Studienabschlüsse in mindestens zwei
Unterrichtsfächern verfügen und die Zahl der Pensionierungen nach
Schulfächern daher in Summe eine höhere Anzahl ergibt, als die
Zahl der in Pension gehenden Personen.
- Das Personalprognosemodell des BMBWF
ermöglicht österreichweite Prognosen für allgemein bildende
Unterrichtsfächer. Welcher Personalbedarf (in Vollzeitäquivalenten)
wurde dabei für die kommenden 5-10 Jahre ermittelt? Bitte um
Auflistung nach Bundesland und Schulart sowie nach
Unterrichtsfächern, in absoluten Zahlen und in Prozent der
Beschäftigten.
- Wie viele Lehrpersonen mit Sondervertrag
gibt es im Schuljahr 2022/23? Bitte um Auflistung nach Bundesland und
Schulart.
- Wie viele davon waren Lehramtsstudierende?
Bitte um Auflistung nach Bundesland und Schulart.
- Wie hoch war die
Teilbeschäftigungsquote im Schuljahr 2022/23? Bitte um Auflistung
nach Bundesland und Schulart.
- Wie viele Lehrpersonen waren im Schuljahr
2022/23 von einem Teil ihrer Unterrichtsverpflichtung für
Tätigkeiten in der Personalvertretung freigestellt? Bitte um
Auflistung nach Bundesland und Schulart.
- Wie viele Personen mit abgeschlossenem
Lehramtsstudium waren im Schuljahr 2022/23 in der Schulverwaltung
(Bildungsdirektionen, Schulqualitätsmanagement, Bildungsministerium)
eingesetzt? Bitte um Auflistung nach Bundesländern.
- Ende 2022 wurde seitens des BMBWF die
"Ressortstrategie Klasse Job" mit drei verschiedenen
Handlungsfeldern vorgestellt. Bitte um Darstellung der in diesen drei
Feldern
- bisher gesetzten und
- bis zum Ende der Legislaturperiode noch
geplanten Maßnahmen.
- Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen,
die Lehrer:innen, die in höheren Schulen als Administrator:innen
eingesetzt sind, durch Sekretariats-/Assistenzkräfte zu ersetzen, um
sie wieder mit voller Lehrverpflichtung als Lehrkräfte einsetzen zu
können? Wenn nein, warum nicht?
- Als Maßnahme gegen den
Lehrkräfte-Mangel sollen auch pensionierte Lehrpersonen für die
Rückkehr in den Schuldienst gewonnen werden. Es würde Sinn
machen, im Zuge der Pensionierung jeder Lehrperson automatisch ein
attraktives Angebot für eine Weiterbeschäftigung in Teilzeit zu
unterbreiten.
- Gibt es derzeit ein
routinemäßiges Weiterbeschäftigungsangebot, das
Bundeslehrer:innen und/oder Landeslehrer:innen im Zuge ihrer
Pensionierung erhalten?
i. Wenn ja, bitte um Beschreibung.
ii. Wenn nein, ist ein solches in Vorbereitung?
iii. Wenn abermals nein, warum nicht?
- Wäre es aus Sicht des BMBWF sinnvoll
oder erforderlich, etwas an den rechtlichen Rahmenbedingungen (bspw. im
Dienstrecht oder im Vertragsbedienstetengesetz) zu ändern, um mehr
pensionierte Lehrer:innen für die Weiterbeschäftigung in der
Schule gewinnen zu können? Wenn ja, welche Änderungen
wären sinnvoll?
- Junge Lehrer:innen arbeiten oft nur in
Teilzeit in der Schule, weil sie berufsbegleitend ihr Masterstudium zu
absolvieren haben. Wenn es gelänge, einen Teil der
Lehrveranstaltungen des Masterstudiums in die Sommerferien zu verlegen,
könnten diese Lehrer:innen eine höhere Lehrverpflichtung
eingehen.
- Ist das BMBWF mit den Pädagogischen
Hochschulen und Universitäten in Kontakt, um dieses Ziel zu
erreichen? Wenn ja, bitte um Erläuterung der Pläne und
Überlegungen.
- Wenn nein, warum nicht?
- Wie viele Stellen als Schulleiter:in wurden
in den letzten 5 Jahren jeweils ausgeschrieben? Bitte um Auflistung nach
Schulart und Bundesland in absoluten Zahlen und in Prozent der
Schulen.
- Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es
keine Bewerbungen?
- Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es
eine bis drei Bewerbungen?
- Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es
mehr als drei Bewerbungen?
- Gibt es Prognosen, wie viele Schulleitungen
in den nächsten 5 Jahren voraussichtlich jeweils ausgeschrieben
werden? Wenn ja, bitte um Auflistung nach Schulart und Bundesland in
absoluten Zahlen und in Prozent der Schulen.
- Wie viele Schulen werden derzeit von einer
provisorisch betrauten Leitungsperson geführt? Bitte um Auflistung
nach Schulart und Bundesland.
- Welche Maßnahmen setzt das BMBWF gegen
den Mangel an Bewerber:innen für Schulleitungsposten?
- bisher gesetzte Maßnahmen
- bis zum Ende der Legislaturperiode geplante
Maßnahmen
- Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen,
den für die Leitung einer Schule in Frage kommenden Personenkreis
auszuweiten, also nicht länger auf Lehrer:innen zu beschränken
sondern bspw. Führungskräften aus anderen Bereichen des
Bildungswesens (Kindergarten bis Erwachsenenbildung), HR-Manager:innen,
Psycholog:innen etc. zu ermöglichen, sich zu bewerben?
- Wenn ja, welche Überlegungen werden
diesbezüglich angestellt und welcher Zeithorizont für die
Umsetzung ist angedacht?
- Wenn nein, warum nicht?
- In den höheren Schulen gibt es
zusätzlich zu Sekretariatskräften auch Administrator:innen. Gibt
es seitens des BMBWF Überlegungen, ähnliche Stellen auch in
(größeren) Pflichtschulen zu etablieren (bzw. den
Bundesländern diese Stellen zu finanzieren), um Direktor:innen
für Führungsaufgaben (bspw. Begleitung und Führung der
Junglehrer:innen) freizuspielen und die Führungsposition zu
attraktivieren?
- Wenn ja, inwiefern?
- Wenn nein, warum nicht?