15363/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.06.2023
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Christian Hafenecker, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Kika/Leiner-Pleite und mutmaßliche Insolvenzverschleppung sowie damit im Zusammenhang stehende strafrechtliche Fragen

 

 

Am 13. Juni 2023 wurde folgende Nachricht in der „Wiener Zeitung“ publiziert:[1]

 

Möbelhandel: Kika/Leiner-Insolvenz verschleppt?

Aufklärungsbedarf: Beide Firmen zwecks Bilanzierung zu einer zusammengelegt - Sanierungsverfahren läuft nun.

 

Das operative Geschäft von Kika/Leiner hat Signa Anfang Juni dem steirischen Unternehmer Hermann Wieser verkauft, die Immobilien der Handelsfilialen dem deutschen Geschäftsmann Frank Albert.

 

Das Insolvenzverfahren für den Möbelhändler Kika/Leiner, der mit dem steirischen Unternehmer Hermann Wieser seit Anfang Juni einen neuen Eigentümer hat, ist am Dienstag am Landesgericht St. Pölten angelaufen. Am Ende des Verfahrens, so Wiesers Plan, soll das Unternehmen als saniert wieder durchstarten können. "Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Sanierungsbestrebungen tatsächlich aufrechterhalten werden können", sagt Insolvenz-Expertin Brigitte Dostal vom Gläubigerschutzverband KSV 1870. Über den Sanierungsplan soll am 25. September abgestimmt werden.

 

Gemessen an der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer – knapp 3.300 – gilt die Pleite von Kika/Leiner als die größte der vergangenen zehn Jahre in Österreich. Die Passiva des Unternehmens belaufen sich nach vorläufigen Zahlen auf circa 132 Millionen Euro, Angaben zu den Aktiva gibt es vorerst noch keine.

Geplant ist, dass die insgesamt 433 Gläubiger eine Quote von 20 Prozent erhalten, die binnen zwei Jahren gezahlt werden soll. Von 80 Prozent seiner Verbindlichkeiten will sich das Unternehmen demnach im Zuge des Verfahrens befreien.

 

Viel Arbeit für Masseverwalter

Zum Insolvenzverwalter hat das Gericht den St. Pöltner Rechtsanwalt Volker Leitner bestellt. Dessen Aufgabe wird es auch sein, alle aufklärungsbedürftigen Punkte rund um die Pleite unter die Lupe zu nehmen.


So sei etwa zu prüfen, ob nicht bereits eine Insolvenzantragspflicht des Voreigentümers (Signa, René Benko) vorgelegen sei, heißt es beim Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) zur Austria Presse Agentur. Von der Insolvenzverwaltung zu überprüfen seien jedenfalls die letzten zwei Wirtschaftsjahre im Hinblick auf den Eintritt der materiellen Insolvenz, auf eine mögliche Insolvenzverschleppung und auf die Verwendung der Corona-Hilfen in der Höhe von rund 5,7 Millionen Euro. "Darüber hinaus werden gänzliche Zahlungsflüsse zwischen der Schuldnerin und der Signa-Gruppe zu überprüfen sein", betonen die Gläubigerschützer des AKV.

 

Hohen Prüfbedarf sieht auch Wolfgang Peschorn, der Chef der Finanzprokuratur, die als Anwältin des Bundes fungiert. Peschorn kündigte im ORF-Radio an, die Vorgänge rund um den Kika/Leiner-Verkauf sowie eine Kompensation für die Steuerstundungen genau prüfen zu wollen. In dem jetzigen Sanierungsverfahren werde die Republik jedenfalls "ein gewichtiges Wort mitzureden haben".

 

Wie Peschorn im ORF-Fernsehen weiter ausführte, würden sich die Ansprüche der Republik auf drei verschiedene Stellen aufteilen, und zwar auf die Steuerbehörden, den Insolvenz-Entgelt-Fonds sowie möglicherweise die staatliche Finanzierungsagentur Cofag, von der Kika/Leiner die Corona-Hilfen bekam.

 

Peschorn: "Auffällig"

Wie der AKV ist auch Peschorn der Ansicht, dass ebenfalls zu klären sei, ob die Insolvenz hinausgezögert worden sein könnte. Den Umstand, dass Kika und Leiner 2022 rückwirkend auf den Bilanzstichtag 2021 zu einer Gesellschaft zusammengelegt wurden, ist für ihn "auffällig". Offenbar sei das gemacht worden, damit noch eine Bilanz erstellt werden könne. Peschorn vermutet aber auch, dass Signa als bisheriger Eigentümer vor allem an den Mietengelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft sei für Signa womöglich nur Mittel zum Zweck gewesen, sagte Peschorn, der im Zusammenhang mit all seinen Ausführungen betonte, dass die Unschuldsvermutung gelte.

 

Wie die Gläubigerschutzverbände Creditreform und KSV 1870 in Presseaussendungen mitteilten, können Gläubiger ihre Forderungen bei Gericht bis 8. August anmelden. Die erste Gläubigerversammlung ist für den 21. August angesetzt. Neben dem 80-prozentigen Schuldenschnitt will der neue Eigentümer aber auch die Strukturen des Unternehmens radikal verkleinern. So sollen von den insgesamt 40 Kika/Leiner-Filialen österreichweit 23 zugesperrt und 1.900 der 3.900 Arbeitsplätze gekappt werden.

 

Detail am Rande: Mit der Eröffnung des Sanierungsverfahrens sind die Gehaltszahlungen bereits auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds übergegangen. Gewerkschaft und Arbeiterkammer wollen die betroffenen Beschäftigten nun über die nächsten Schritte informieren. Bis zum 19. Juni sind Betriebsversammlungen an allen Filialstandorten geplant.

 

 

Am 13. Juni 2023 wurde unter der Aktenzahl 14 S 93/23a am Landesgericht St.Pölten/Niederösterreich folgendes Insolvenzverfahren in Form eines „Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung“ eingeleitet:

 

 

 

 

 

LG St. Pölten (199), Aktenzeichen 14 S 93/23a

Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung


Bekannt gemacht am 13. Juni 2023

Firmenbuchnummer:

FN 415688g

Schuldner:

Leiner & kika Möbelhandels GmbH
Porschestraße 7
3100 St. Pölten
FN 415688g

Masseverwalter:

LEITNER Volker Mag.
Wiener Straße 3
3100 St. Pölten
Tel.: 02742/805 1990, Fax: 02742/351435
E-Mail: info@leiner.at

Eröffnung:

Beginn der Wirkungen der Eröffnung: 14.06.2023
Anmeldungsfrist: 08.08.2023

Zustellung:

Den Gläubigern wird durch öffentliche Bekanntmachung in der Insolvenzdatei zugestellt werden.

Tagsatzung:

Datum: 21.08.2023
um: 10.00 Uhr
Ort: LG St. Pölten, Schwurgerichtssaal, 1. Stock,Altbau
1. Gläubigerversammlung
Berichtstagsatzung
Prüfungstagsatzung

Tagsatzung:

Datum: 25.09.2023
um: 10.00 Uhr
Ort: LG St. Pölten, Schwurgerichtssaal, 1. Stock(Altbau
Sanierungsplantagsatzung
Wesentlicher Inhalt des Sanierungsplanvorschlags:
Die Gläubiger erhalten eine Quote von insgesamt 20 %, zahlbar längstens binnen zwei Jahren ab Annahme des Sanierungsplans, nicht jedoch vor rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans.

Nachträgliche Prüfungstagsatzung
Schlussrechnungstagsatzung

Text:

WICHTIGER HINWEIS FÜR GUTSCHEINGLÄUBIGER:
Gutscheingläubiger brauchen ihre Forderungen aus noch nicht eingelösten Gutscheinen nicht als Forderung bei Gericht anzumelden. Die Einlösung der Gutscheine in den Filialen wird durch einen Kapitalzuschuss des Eigentümers ermöglicht.

Beiordnung:

Gläubigerausschuss - Mitglieder: 1) Kreditschutzverband von 1870, 1120 Wien, Wagenseilgasse 7
2) Alpenländischer Kreditorenverband, 1040 Wien, Schleifmühlgasse 2
3) Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer, 3100 St. Pölten, AK-Platz 1
4) Österreichischer Verband Creditreform, 1190 Wien, Muthgasse 36-40
5) Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19
6) eurodelkredere GmbH & Co KG, Alexanderstraße 38, 45472 Mühlheim/Ruhr, Deutschland
7) Österreichische Gesundheitskasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3

Beschluss vom 13. Juni 2023

 

Die Chronologie der vergangenen Wochen und Jahre, wie im angeführten Bericht der Wiener Zeitung auch beschrieben, liefert Indizien für den mutmaßlichen Verdacht einer sogenannten „Insolvenzverschleppung“ und damit einhergehender möglicher strafbarer Handlungen wie der Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB), der Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB), der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) sowie von Umtrieben während einer Geschäftsaufsicht oder im Insolvenzverfahren (§ 160 StGB).

 

 

In diesem Zusammenhang richten die Abgeordneten Christian Hafenecker, Dr. Dagmar Belakowitsch und Peter Wurm an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.    Wird aktuell geprüft, ob eine Insolvenzantragspflicht des Voreigentümers vorgelegen ist?

a.    Wenn ja, wie viele Wirtschaftsjahre zurück wird in diesem Fall geprüft, da die Übernahme der Kika-Leiner-Gruppe bereits im Jahr 2018 stattgefunden hat?

2.    Werden auch die Zahlungsflüsse innerhalb der Signa–Gruppe geprüft?

a.    Wenn ja, wie viele Jahre zurück?

3.    Haben Sie diesbezüglich auch Kontakt mit Dr. Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, bzw. wurden Sie von der Finanzprokuratur über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt?

a.    Wenn ja, wann?

4.    Laut dem angeführten Artikel der Wiener Zeitung gab es auch Corona-Hilfen in der Höhe von 5,7 Millionen Euro für die Kika-Leiner-Gruppe. Wird auch hier eine missbräuchliche Verwendung geprüft, bzw. wurden schon Verfahren eingeleitet?

a.    In welchen Bereichen bzw. wofür wurden Corona-Hilfen beantragt (bitte um Auflistung nach Summe)?

5.    Laut einem Standard-Artikel vom 4.2.2022 prüfte bereits die WKStA den Kika-Leiner Deal.[2] Der Standard schreibt dazu: „Am Ende, als der Deal endlich in trockenen Tüchern war, schickte Thomas Schmid vom Berg Athos aus ein Selfie mit erhobenem Daumen an René Benko. "Coole Sache Rene!!!", schrieb der damalige Generalsekretär im Finanzministerium an den Unternehmer.“ Die "coole Sache" hatte in den Tagen davor nicht nur Schmid und sein Ressort, sondern auch das Kanzleramt auf Trab gehalten: Es ging um nichts weniger als die Übernahme der schwer angeschlagenen Möbelkette Kika/Leiner durch Benkos Signa.“ – Hat die WKStA diesbezüglich wieder Ermittlungen aufgenommen?

6.    Wurde Ihr Ressort über die rückwirkende Zusammenlegung von Kika und Leiner 2022 auf den Bilanzstichtag 2021 zu einer Gesellschaft informiert?

a.    Wenn ja, wann?

7.    Gibt es auch Ermittlungen gegen Gabi Spiegelfeld in der Causa, da sie laut dem angeführten Standard-Artikel auch mit Thomas Schmid in Kontakt war?

8.    Gibt es durch den Kronzeugenstatus von Thomas Schmid neue Sachverhalte und Erkenntnisse in der Causa Kika-Leiner?

9.    Der Standard berichtet, dass das Kanzleramt involviert war, damals unter Bundeskanzler Sebastian Kurz. Wird in diesem Fall auch gegen Sebastian Kurz ermittelt, oder werden Ermittlungen aufgenommen?

10. Werden die jetzt von der WKStA sichergestellten E-Mails aus dem Bundeskanzleramt auch zur Klärung des Kika-Leiner-Deals herangezogen?

11. Ist die WKStA bei den Ermittlungen betreffend den Verdacht der Insolvenzverschleppung im vorliegenden Fall involviert?

12. Wie viele und welche Verfahren laufen aktuell gegen Rene Benko?

13. Wie viele und welche Verfahren laufen aktuell gegen die Signa Holding und deren Beteiligungen bzw. gegen Organwalter (Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsräte und Beiräte)?

a.    Gibt es neue Erkenntnisse rund um die im Oktober 2022 stattgefundenen Hausdurchsuchungen bei der Signa Holding in Innsbruck?

b.    Hatten bzw. haben diese Hausdurchsuchungen einen Zusammenhang mit den Kika-Leiner-Deals von Rene Benko?

14. Wie viele und welche Verfahren laufen aktuell gegen Sebastian Kurz?

15. Wie viele und welche Verfahren laufen aktuell gegen Gabriela Spiegelfeld?

16. Wird angesichts der jüngsten Erkenntnisse rund um die Kika-Leiner-Pleite und Rene Benko der 2017 getätigte Kauf der Kika-Leiner-Immobilie auf der Wiener Mariahilferstraße überprüft, etwa in Hinblick auf Zustandekommen des Kaufes und der Abwicklung? 



[1] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2192050-Kika-Leiner-Sanierungsverfahren-eroeffnet.html

[2] https://www.derstandard.at/story/2000133104947/wir-sind-fuer-rene-benko-kein-verfahren-wegen-tuerkiser-hilfe