1539/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.04.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Corona: Wer berät den Kanzler?

Während mittlerweile bekannt ist, wer die deutsche Bundeskanzlerin oder den österreichischen Gesundheitsminister in Zeiten von Corona berät, ist immer noch nicht klar, wer den österreichischen Bundeskanzler bei der Pandemie beratend zur Seite steht. Bekannt ist nur, dass sich der Bundeskanzler mit gegenteiligen Meinungen sehr schwer tut und unter anderem sehr verschnupft auf einen Experten des Corona-Krisenstabs im Gesundheitsministerium reagiert hat. Dieser renommierte Public-Health-Experte hat den Beraterstab anschließend leider verlassen.

Fehlerserie bei der Corona-Strategie

Da sich laufend Fehler in die Corona-Strategie der Regierung einschleichen, stellt sich die Frage, wer den Kanzler berät. Einen ihrer Höhepunkte fand die Fehlerserie in einem ominösen "Expertenpapier", das 100.000 Corona-Tote und ein Zusammenbrechen des Gesundheitssystems für Mitte April für realistisch gehalten hat. Dieses Papier wurde schon am 3. April wieder von der Webseite des Bundeskanzleramtes entfernt. Bis dato wurde nicht einmal ein zentraler Gesundheitsdatensatz für die Corona-Risikogruppenbewertung geschaffen, weil die Bundesländer nicht bereit sind, ihre Krankenhaus-Arzneimitteldaten in ELGA einzuspeisen. Die Regierung hat bis jetzt auch nicht versucht, die Gesundheitsdaten der Corona-Verstorbenen mit Daten der anderen EU-Länder zu poolen ("Euro-ELGA"), um einen größeren und aussagekräftigeren Corona-Datensatz zu haben. Des Weiteren passierten bei den systematischen Corona-Testungen grundlegende Unzulänglichkeiten - zu kleines Sample (1500), keine Antikörpertests. Womit die erste repräsentative Corona-Stichprobe nur aussagt, wie viele Menschen in der Testwoche infiziert waren, und auch das nur mit einer relativ hohen Schwankungsbreite (10.000 bis 67.000). Die berufliche Freistellung von Risikogruppen-Angehörigen ist zwei Wochen nach der Ankündigung (31.03.2020) immer noch nicht geklärt. Außerdem fehlt nach wie vor eine detaillierte Strategie, wie das öffentliche Leben und die Wirtschaft wieder "hochgefahren" werden sollen, ohne einen zweiten Shutdown zu riskieren. Vorstellbar wäre hier beispielsweise eine Festlegung von Vorreiter-Regionen gewesen, die als erste Regionen wieder schrittweise öffnen. Also Regionen, die wegen ihrer Struktur (ländlicher Raum mit wenig Tourismus) weniger anfällig für eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus sind. Relativ undurchdacht war die Vorgehensweise der Regierung auch bei der Maskenpflicht. Während man den Supermärkten mit einer Vorlaufzeit von wenigen Tagen eine Maskenpflicht aufzwang, fehlt es im Gesundheits- und Pflegebereich immer noch an Schutzausrüstung. Was mittlerweile dazu führt, dass sich die Angehörigen der Gesundheits- und Pflegeberufe teilweise ihre Masken in den Supermärkten besorgen.

Aufgrund der intransparenten und operativ holprigen Vorgehensweise stellt sich natürlich die Frage, wer den Kanzler berät und aus welchen wissenschaftlichen Fachrichtungen die Personen kommen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Corona-Beraterstab des Kanzlers: Wer berät den Kanzler während der Corona-Pandemie? (bitte um vollständige Auflistung nach Namen und wissenschaftlicher Fachrichtung)

2.    Auf Basis welcher Kriterien wurden die Personen des Beraterstabes ausgewählt?

3.    Finden regelmäßige Sitzungen des Beraterstabs statt?

a.    Wenn ja, wann und wie viele Sitzungen haben bereits stattgefunden?

b.    Bitte legen Sie die Protokolle dazu offen.

4.    Gibt es einen regelmäßigen Austausch zwischen den Corona-Beraterstäben des Bundeskanzleramts und des Gesundheitsministeriums?

a.    Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Wenn ja, wann und wie viele Sitzungen haben bereits stattgefunden?

c.    Bitte legen Sie die Protokolle dazu offen.

5.    Welche Teststrategie empfiehlt der Beraterstab des Bundeskanzlers?

6.    Wie sind die Erkenntnisse des Krisenstabs im BMSGPK in diese Empfehlung eingeflossen?

7.    Welche Vorgehensweise empfiehlt der Beraterstab beim schrittweisen Aufheben der Corona-Einschränkungen? Welche Regionen und Bereiche sollen zu welchen Zeitpunkten wieder "geöffnet" werden?

a.    Welche Empfehlungen trifft der Beraterstab für Schulen und Kindergärten?

b.    Auf welcher wissenschaftlichen Basis kommt der Beraterstab zu dieser Empfehlung?

8.    Was empfiehlt der Beraterstab zum Bereich Schulen und Kindergärten, und mit welcher Begründung?

9.    Was empfiehlt der Beraterstab zu den Schutzmasken?

a.    Auf welcher wissenschaftlichen Basis hat der Beraterstab die Maskenpflicht empfohlen, die der Bundeskanzler Ende Februar in einem ZiB-Interview noch ablehnte?

10. Was empfiehlt der Beraterstab für den inländischen und den grenzüberschreitenden Reiseverkehr, und mit welcher Begründung?

11. Von wem stammt die Empfehlung zu einer Beschränkung der Reisefreiheit, bis es eine Impfung gibt (Kurier online vom 05.04.2020)?

a.    Auf welcher wissenschaftlichen Basis kommt der Beraterstab zu dieser Empfehlung?

b.    Wenn die Empfehlung nicht vom Beraterstab kommt, von wem hat sie der Bundeskanzler übernommen?

12. Welche Möglichkeiten empfiehlt der Beraterstab bezüglich Kooperationen mit anderen Staaten?

13. Wie findet derzeit der Austausch des Corona-Beraterstabes des Bundeskanzlers mit Experten anderer Staaten statt?

14. Welche finanziellen Aufwände sind dem Bundeskanzleramt für den Corona-Beraterstab bereits entstanden?