15395/J XXVII. GP

Eingelangt am 16.06.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Polizeieinsatz rund um die Drag-Queen-Lesung für Kinder

 

Am 16.4.2023 fand in der Türkis-Rosa-Lila-Villa in der Linken Wienzeile eine Drag-Queen-Lesung für Kinder mit der Künstlerin Freya Van Kant statt. Vor der Villa versammelten sich sowohl Personen, die gegen die Veranstaltung demonstrierten als auch Menschen, die sich - im Rahmen einer Gegendemonstration - für die Rechte der LGBTIQ+-Community stark machten. Gegen Mittag marschierte ein Teil der jeweiligen Versammlungsteilnehmer:innen von der Linken Wienzeile in die Innenstadt. Laut Polizei hätten Teilnehmer:innen der Gegendemonstration während des Marsches versucht, den Marsch der Lesungsgegner:innen zu stoppen. Dabei kam es zum intensiven Einsatz von Pfefferspray gegenüber den Gegendemonstrant:innen.(1, 2, 3) Im Internet, insbesondere auf Twitter, kursieren Videos, die ein gewaltvolles Bild vom Vorgehen der Einsatzkräfte zeichnen: Demnach soll sich - unter anderem - die Polizei trotz Bewusstlosigkeit einer Gegendemonstrantin nicht von der Intensität ihres Einsatzes abhalten haben lassen. Darüber zeigt sich insbesondere Amnesty Austria besorgt. (4)

Kritik an dem Einsatz gab es zudem wegen des Umgangs mit der Pressefreiheit, weil Journalist:innen vor Ort - gestört von rechtsextremen Demonstrant:innen - nicht ungehindert ihrer Arbeit nachgehen konnten. Die Generalsekretärin des Presseclubs Concordia und der Präsident von Reporter ohne Grenzen Österreich sahen dadurch eine weitere Eskalationsstufe erreicht und kritisierten den mangelnden Schutz der Berichterstattung durch die Polizist:innen vor Ort. (5) Laut einer Aussendung des Presseclubs Concordia wurden sogar zwei Journalisten von der Exekutive ohne ersichtlichen Grund mit Pfefferspray angegriffen. Dieser überschießende Einsatz von Gewalt sei laut der Aussendung auf Fotos dokumentiert, eine Verhältnismäßigkeit sei demnach nicht zu erkennen.(6) Journalistenorganisationen konstatieren, dass es "nicht nur an rechtlichem Wissen mangelt, sondern auch am Bewusstsein für diese wichtige Aufgabe der Exekutive" und fordern nun, dass "man die 'freie Berichterstattung konsequent schützen und dieses strukturelle Problem durch Schulungen, Bewusstseinsbildung, klare Einsatzvorgaben und Verbesserung der Planung und Organisation von Polizeieinsätzen im Zuge von Demonstrationen' dringend lösen müsse. Damit komme man auch der Empfehlung der EU-Kommission zur Gewährleistung des Schutzes und der Sicherheit von Medienschaffenden nach." (7)

Quellen:

(1) https://www.vienna.at/demo-gegen-drag-queen-lesung-in-wien-mit-identitaeren-und-fpoe/8022640

(2) https://www.vienna.at/pfefferspray-einsatz-bei-demo-gegen-drag-queen-lesung-in-wien/8023675

(3) https://wien.orf.at/stories/3203288/

(4) https://twitter.com/AmnestyAustria/status/1647899434791886849

(5) https://www.derstandard.at/story/2000145548364/rechtsextremer-aufmarsch-vor-villa-mit-drag-queen-lesung

(6) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230420_OTS0075/demos-polizei-muss-pressefreiheit-gewaehrleisten-nicht-behindern

(7) https://www.puls24.at/news/politik/strukturelles-problem-journalisten-organisationen-fordern-gewaehrleistung-von-pressefreiheit/295155

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie bereitete sich wer seitens der Sicherheitsbehörden auf den Einsatztag am 16.4.2023 vor (bitte um Beschreibung der Vorbereitungen in chronologischer Form)? 
  2. Welche Gefährdungsprognose ging dem Einsatz am 16.4.2023 voraus?
    1. Von wem wurde diese wann vorgenommen?
    2. Welche strategischen bzw. einsatztaktischen Leitlinien wurden im Vorfeld von wem wann ausgegeben?
    3. Warum wurde kein sicherheitspolizeiliches Platzverbot gem. § 36 Abs. 1 SPG im Bereich der Linken Wienzeile ausgesprochen?
  1. Inwiefern waren Sie oder Ihr Kabinett bzw. wer außerhalb der LPD Wien wann in die vorbereitenden Planungen involviert?
  2. Inwiefern waren Sie oder Ihr Kabinett bzw. wer außerhalb der LPD Wien wann in die Entscheidung über die vorbereitenden Maßnahmen involviert?
  3. Welche Einheiten waren bei den Demonstrationen im Einsatz (bitte um Aufschlüsselung nach Örtlichkeit bzw. Demonstration)?
  4. Wurden im Zuge des gesamten Einsatzes auch andere Einheiten von außerhalb Wiens bzw. welche andere(n) Sondereinheit(en) rekrutiert?
  5. Wie lange dauerte der besagte Einsatz und wie viele Einsatzkräfte waren insgesamt vor Ort (Bitte um Aufschlüsselung nach Örtlichkeit bzw. Demonstration)?
  6. Welche polizeilichen Zwecke verfolgten die Akte der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt?
    1. Zu welchem Zeitpunkt waren diese Zwecke erfüllt bzw. gegenstandslos?
    2. Welche gelinderen Maßnahmen wurden erwogen und warum verworfen?
    3. Warum war der Einsatz von Pfefferspray aus Sicht der vor Ort tätigen Einsatzkräfte verhältnismäßig?
    4. Wie wurde in weiterer Folge im Rahmen des Einsatzes mit der im Begründungstext beschriebenen bewusstlosen Demonstrantin einerseits, als auch mit den beiden Journalisten umgegangen?
  1. Durch welche konkreten Maßnahmen seitens der Exekutive wurden bei welcher der beiden Demonstrationen wann und wo berichterstattende Journalist:innen bzw. Kameraleute udgl. vor Ort geschützt?
    1. Von wem sind diese Maßnahmen wann beschlossen worden?
    2. Warum wurden offenbar dennoch Journalist:innen durch rechtsextreme Demonstrant:innen gestört?
    3. Warum kam es offenbar zum Einsatz von Pfefferspray gegen zwei Journalisten?
    4. War ein:e Medienkontaktbeamte:r vor Ort?

                                          i.    Falls ja, inwiefern kam er:sie zum Einsatz?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

  1. Es wurden immer wieder Maßnahmen angekündigt, um einen besseren Schutz von Journalist:innen zu gewährleisten. Welche Maßnahmen sind damit konkret gemeint?
    1. Wie ist es möglich, dass es trotzdem immer wieder zu Angriffen auf Journalist:innen kommt? 
    2. Welche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, um einen besseren Schutz von Journalist:innen durch die Exekutive zu gewährleisten?
    3. Welche Maßnahmen werden Sie noch setzen, um in Zukunft einen besseren Schutz von Journalist:innen durch die Exekutive zu gewährleisten?
  1. Welchen Kenntnisstand haben die Sicherheitsbehörden von dem Sachverhalt der beiden verletzen Journalisten?
    1. Welche Ermittlungsschritte zogen die Sicherheitsbehörden wann?

                                          i.    Mit jeweils welchem Ergebnis? 

  1. Wie viele Anzeigen gegen Demonstrant:innen wurden im Zuge der Demonstration wegen welches Sachverhaltes eingebracht? 
    1. Wie viele wurden jeweils gegen Teilnehmer:innen der Demonstration bzw. Gegendemonstration eingebracht? (bitte um genaue Aufschlüsselung)
  1. Wurde ein Verwaltungsstrafverfahren gegen Teilnehmer:innen der Versammlung eingeleitet (bitte um konkrete Aufschlüsselung, ob es sich dabei um Teilnehmer:innen der Demonstration oder Gegendemonstration handelt)?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlagen?
    3. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
  1. Gegen wie viele Exekutivbeamt:innen wurden Anzeigen in Bezug auf die im Zuge der Demonstration erfolgten Amtshandlungen eingebracht?
  2. Wie viele Anzeigen wurden bei welcher der beiden Demonstrationen gelegt, weil berichterstattende Journalist:innen bzw. Kameraleute udgl. angegriffen bzw. bedroht wurden (bitte um konkrete Auflistung mit Deliktsangaben)?
    1. Wie viele davon aus Eigenem?
    2. Wie viele aufgrund Aufforderer/Geschädigte:r?
  1. Wie viele Anzeigen wurden bei welchen der beiden Demonstrationen gegen Journalist:innen bzw. Kameraleute udgl. gelegt (bitte Auflistung mit Deliktsangaben)?
    1. Wie viele davon aus Eigenem?
    2. Wie viele aufgrund Aufforderer/Geschädigte:r?
    3. Wegen welcher Delikte?
  1. Wurden gegen das polizeiliche Handeln Maßnahmenbeschwerden gem. § 88 Abs. 1 SPG und/oder Richtlinienbeschwerden gem. § 89 Abs. 1 SPG eingereicht?
    1. Falls ja, wie viele (samt einer konkreten Aufschlüsselung)?
    2. Wie viele Beamt:innen waren von den Beschwerden betroffen?
    3. Um welche konkreten Vorwürfe handelt es sich dabei?
    4. Wie viele Beamt:innen davon waren bei den Einsätzen in Führungsaufgabe?
    5. Wie viele Beamt:innen davon waren bei den Einsätzen in Führungsaufgabe und schon in der Vergangenheit von Beschwerden betroffen?
  1. Welche Schritte unternahm Ihr Ministerium bisher zur Aufarbeitung des Einsatzes jeweils wann (um Angabe einer chronologischen Auflistung aller wesentlichen Schritte bei der Aufklärung wird ersucht)?
    1. Gab es in diesem Zusammenhang disziplinäre Konsequenzen für die beteiligten Polizist:innen?

                                          i.    Falls ja, welche und wie viele Polizist:innen sind davon betroffen?

  1. Wurde der Einsatz im Nachhinein evaluiert bzw. diskutiert?
    1. Wenn ja, zwischen wem, wann und mit welchem Ergebnis?
    2. Welche Lehren und Konsequenzen wurden aus den Vorfällen, sowohl gegenüber den Demonstrant:innen als auch gegenüber den Journalist:innen, bereits gezogen?
    3. Gibt es ein Einsatzprotokoll?

                                          i.    Falls ja, mit welchem Inhalt?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

    1. Gibt es bereits einen Schlussbericht?

                                          i.    Falls ja, mit welchem Inhalt?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

  1. Wie viele Demonstrationen der LGBTIQ+-Community wurden bisher österreichweit angemeldet (bitte um zeitliche Aufschlüsselung)?
    1. Wie viele von diesen wurden untersagt?
    2. Aus welchem Grund jeweils (bitte um zeitliche Aufschlüsselung)?
  1. Von wem wurde jeweils hinsichtlich der angemeldeten Demonstrationen der LGBTIQ+-Community die Gefährdungsprognose vorgenommen (bitte Aufschlüsselung nach Bundesländern und hierfür herangezogene Organisationseinheit (DSN/LVT))?
  2. Gab es Sensibilisierungsschulungen bzw. -maßnahmen für die Einsatzkräfte/Einsatzleiter:innen im taktischen Umgang mit dem Protestklientel?
    a. Wenn ja, wann, für wie viele Personen welcher Einheiten in welchem zeitlichen Umfang und mit welchem inhaltlichen Schwerpunkt?
  3. Welche Maßnahmen bzw. besondere Zusatzkräfte, besondere Einsatzmittel und Einsatztaktiken plante die Polizei bei Demonstrationen der LGBTIQ+-Community im Voraus im Hinblick auf welche Örtlichkeit/Demonstration an welchem Tag mit welcher Begründung:
    1. Panzer?
    2. Diensthunde?
    3. Wasserwerfer?
    4. Einkesselung?
    5. Sonderbewaffnung?

                                          i.    Wenn ja, welche?

    1. Hubschrauber?
    2. Drohnen?
    3. Sonstige?

                                          i.    Wenn ja, welche?

  1. Welche Maßnahmen bzw. besondere Zusatzkräfte, besondere Einsatzmittel und Einsatztaktiken setzte die Polizei an welchem Tag bei welcher Örtlichkeit/Demonstration der LGBTIQ+-Community mit welcher Begründung ein:
    1. Panzer?
    2. Diensthunde?
    3. Wasserwerfer?
    4. Einkesselung?
    5. Sonderbewaffnung?

                                          i.    Wenn ja, welche?

    1. Hubschrauber?
    2. Drohnen?
    3. Sonstige?

                                          i.    Wenn ja, welche?