15397/J XXVII. GP
Eingelangt am 16.06.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Auslegung der Sanktionsgesetze durch die DSN in Sachen Sberbank-Übernahme
Begründung
Das millionenschwere Restvermögen der russischen Sberbank-Tochter in Wien wurde verkauft.[1] Trotz des Sanktionsregimes konnte der Bankendeal mit Russland abgeschlossen werden, weil der in diesem Fall zuständige Verfassungsschutz den Weg frei machte, berichtet Der Standard.[2] Die rechtliche Begründung erzeugt aus Sicht der unterzeichnenden Abgeordneten allerdings große Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung der europäischen Sanktionsregeln.
Die Sberbank Europe war und ist zu 100 Prozent im Eigentum des russischen Staates[3]. Nur fünf Tage nach der kriegerischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022, musste die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) auf Geheiß der Europäischen Zentralbank (EZB) der russischen Bank mit Sitz in Österreich die Ausübung relevanter Geschäfte untersagen.[4] Im Juni 2022 wurde die Muttergesellschaft seitens der Europäischen Union aus dem internationalen Finanzkommunikationsnetzwerk SWIFT ausgeschlossen, im Juli landete die Sberbank mit samt der Muttergesellschaft auf der Sanktionsliste.[5] Die Abwicklung der Sberbank Europe wurde davor von der FMA begonnen und bis Dezember abgeschlossen und mündete in der Zurücklegung der Bankkonzession.[6] Das Restvermögen der nun als Sber Vermögensverwaltung handelnden AG soll von da an um die 350 Millionen Euro betragen haben.
Im März 2023 enthüllte der FALTER, dass die Raiffeisen International (RBI) ein seltsames Tauschgeschäft mit dem russischen Staat und der Sberbank Europe mit eben diesen Assets plante, um an ihre ebenfalls von Sanktionen belegten Dividendengewinne in Russland zu kommen. Diese Pläne sollen rund um den Jahrestag der russischen Invasion geschmiedet worden sein. [7]
Das steht im krassen Widerspruch zur Genehmigung der DSN, die laut Standard von einem Verkauf spricht, der bereits vor der Sanktionierung begonnen haben soll.
Wie kann eine Verhandlung bereits vor den Sanktionen begonnen haben, wenn die Pläne der RBI erst im Februar dieses Jahres geschmiedet worden sind?
Pikant ist das deshalb, weil sich die DSN auf jenen Ausnahmeparagraphen in der EU-Sanktionsverordnung bezieht,[8] der Geschäfte mit Sanktionierten ausnahmsweise dann erlaubt, wenn der Verkauf vor dem Stichtag der Sanktionsmechanismen begonnen hat.
Laut Standard sei im Genehmigungsbescheid recht umständlich für eine eigentümliche Definition für einen laufenden Verkauf im Sinne der Sanktionsverordnung argumentiert worden. Die DSN kommt dabei zum Schluss, dass nicht näher definierte irgendwelche Handlungen dabei ausreichend seien, einen entsprechenden Verkauf zu belegen.[9]
Die RBI selber verkündete noch im März 2023 auf Anfrage der APA, dass “weder eine Vereinbarung noch andere konkrete Schritte zur Umsetzung” gesetzt wurden und dass “[a]llfällige Transaktionen [...] vorab mit den Behörden abgestimmt und nur bei Vorliegen aller relevanten Genehmigungen durchgeführt” werden würden.[10] Auch das passt nicht zu einem angeblichen laufenden Verkauf seit dem Jahr 2022.
Die DSN hat laut Medienbericht, nicht nur der RBI (genauer: Ithuba Gesellschaften rund um den Investmentbanker Wilhelm Hemetsberger), sondern auch dem Unternehmer Stephan Zöchling sowie einem Konsortium rund um den ehemaligen Sberbank-Europe-Chef Gerhard Randa, an dem auch der österreichische Investor Siegfried Wolf beteiligt sein soll, erteilt.[11]
Am Freitag Vormittag, 16.6.2023, wurde bekannt, dass Zöchling, der beste Kontakte nach Russland pflegt, den Zuschlag um 240 Mio. EUR für 350 Mio. EUR Barvermögen bekommen hat. Angeblich profitiere auch die Raiffeisen Bank International durch Dividendenzahlungen an dem Deal- die Dividenden der Russland-Tochter befinden sich wie oben erwähnt gesperrt in Russland[12]. Wann genau der Verkauf der Sberbank an Stephan Zöchling begann, ist öffentlich nicht bekannt (siehe auch den Anhang zu den zeitlichen Abläufen, sofern sie bisher bekannt sind.)
Ende gut, alles gut? Nein, denn es drängt sich der Verdacht auf, dass nach dem Motto “was nicht passt, wird passend gemacht”, die Sanktionsverordnung so ausgelegt worden ist, dass der Verkauf der russischen Bank doch noch abgeschlossen werden konnte.
Wir haben bereits in mehreren parlamentarischen Anfrage auf den internationalen Reputationsverlust für die Republik hingewiesen, der durch einen zu laxen Umgang mit den Sanktionen abermals verstärkt wird.
Zur Erinnerung: Bei den Sanktionen gegen den russischen Staat und seinen auf der Sanktionslisten stehenden Bürger:innen und Firmen, geht es darum, das Land wirtschaftlich so zu schwächen, dass Russland von seinen kriegerischen Handlungen, die so viel Tod und Leid in die Ukraine gebracht haben, ablässt.
Da zumindest zweifelhaft ist, dass die Auslegung der Sanktionsmechanismen im Sinne der EU-Vorgaben erfolgte, stellen die unterzeichnenden Abgeordnete folgende
A N F R A G E
2.1. Falls ja, wer?
4.1. Welche Schritte zur Verkaufsanbahnung wurden von den jeweiligen Interessenten vor Juli bzw. Oktober 2022 gesetzt? Wurden dafür Belege eingefordert und vorgelegt?
4.2. Gab es die Interessentengruppen bereits vor Juli bzw. Oktober 2022? Welche Nachweise wurden dahingehend erbracht?
4.3. Wurde seitens des Konsortiums rund um Gerhard Randa nach erfolgter Genehmigung ein neuer Genehmigungsantrag gestellt? Wurden strukturelle Änderungen für die Transaktion vorgenommen? Wenn ja, wie kann es sich hierbei um ein bereits vor Stichtag eingefädeltes Geschäft handeln?
4.4. Gab es seitens der DSN Bedenken, dass womöglich Siegfried Wolf - der unter anderem wegen des Verdachts der Geldwäscherei[13] angeklagt ist - ein möglicher Beteiligter bei einem der genannten Konsortien war?
4.5. Warum wurden keine externen Berater:innen zur Auslegung der Sanktionsverordnung beigezogen?
4.6. Wurde die Genehmigung vorab mit einer europäischen Behörde abgeklärt?
5.1. Falls ja, wann und wie?
5.2. Falls ja, mit welchem Ergebnis?
6.1. Wenn ja, wie?
6.2. Wenn ja, was war der Inhalt der Gespräche?
7.1. Wenn ja, was? Ist eine Nachkontrolle vorgesehen, um eine Sanktionsumgehung auszuschließen?
7.2. Wenn nein, wie ist dann eine umfassende Bewertung für die Genehmigung hinsichtlich geltender Sanktionsregelungen möglich?
8.1. Falls ja, wann?
8.2. Falls ja, mit welchem Inhalt?
9. Gab es im Vorfeld einen Austausch mit Vertretern der USA oder deren Sanktionsbehörde?
9.1. Falls ja, wann?
9.2. Falls ja, mit welchem Inhalt?
13.1.Falls ja, welche?
Sollte eine detaillierte Beantwortung einzelner Fragen oder Unterfragen aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich sein, so wird dennoch um eine Beantwortung mit möglichst hohem Informationsgehalt im Sinne des parlamentarischen lnterpellationsrechts ersucht. Allenfalls ersuchen die Abgeordneten um eine Beantwortung in klassifizierter Weise nach dem Bundesgesetz über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates (InfOG).
Anhang: Zeitlicher Ablauf
● Am 24.2.2022 überfällt Russland die Ukraine.
● Am 28.2.2022 setzt die Finanzmarktaufsicht das vom Single Resolution Board (SRB) beschlossene Moratorium[14] um, welches die Geschäfte der Sberbank Europe AG umfassend einschränkt. Gläubiger und Vertragspartner verlieren vorübergehend ihre Sicherungs- und Kündigungsrechte. Das SRB befürchtet aufgrund der Sanktionen gegen die Muttergesellschaft einen bevorstehenden Zahlungsausfall.
● Am 1.3.2022 wird der Sberbank Europe AG auf Weisung der Europäischen Zentralbank (EZB) per Bescheid der Finanzmarktaufsicht (FMA) wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Fortführung des Geschäftsbetriebs zur Gänze und mit sofortiger Wirkung untersagt.[15]
● Am 21.4.2022 beschließt die Sberbank in ihrer Hauptversammlung die Auflösung der Gesellschaft und die Abwicklung der Bankgeschäfte beschlossen. Der Firmenwortlaut wird auf "Sberbank Europe AG in Abwicklung" geändert.[16]
● Am 3.5.2022 beginnt die Abwicklung der Sberbank Europe AG durch die FMA in Abstimmung mit dem Regierungskommissär sowie der EZB. Die stillgelegte Bank zahlt der Einlagensicherung die bisher ausgelegten 926 Mio. Euro zurück.[17]
●
Am 4.5.2022 kündigt die
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen an, die russische Sberbank-Mutter
aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT ausschließen zu wollen.[18]
● 21.7.2022 wird die Sberbank auf die offizielle Sanktionsliste der EU gesetzt.[19]
● Am 15.12.2022 gilt die Bank als abgewickelt, womit auch ihre Bankenkonzession erlischt. Der Regierungskommissär wird abbestellt.[20]
● Am 15.3.2023 März wird das “Wechselgeschäft” der RBI bekannt.[21] Die in Russland tätige Bank überlegt einen Tausch des Restvermögens der Sberbank, nunmehr gehalten von der Sber Vermögensverwaltungs AG, mit Teilen ihres (weiß-)russischen Geschäfts. Da es sich bei den Resten der Sberbank nicht mehr um eine Bank handelt, sondern um anderweitiges russischen Vermögen, ist die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst im Innenministerium zuständig. Der Deal kommt zunächst nicht zustande.
● Am 13.6.2023 mehren sich Gerüchte um einen baldigen Verkauf der Sberbank-Reste, Interesse soll u.a. von einem Konsortium rund um den ehemaligen Sberbank Europe Chef Gerhard Randa bekundet worden sein.[22] Der 17. Juni wurde von der EU als Frist für eine solche Veräußerung festgelegt.[23]
● Am 16.6.2023 wird der Verkauf des Vermögens der Sber Vermögensverwaltung AG an den österreichischen Unternehmer Stephan Zöchling bekannt.[24]
[1]https://www.derstandard.at/story/3000000174939/unternehmer-zoechling-hat-sberbank-reste-gekauft?ref=article
[2]https://www.derstandard.at/story/3000000174687/wer-sich-fuer-die-letzten-reste-der-russischen-sberbank-in-wien
[3] Fimenbuch “Sber Vermögensverwaltung AG”
[4]https://www.fma.gv.at/fma-oenb-insolvenz-der-sberbank-wurde-vermieden-alle-glaeubiger-koennen-fristgerecht-bedient-werden/
[5] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/russland-sanktionen-eu-113.html
[6]https://www.fma.gv.at/sberbank-europe-ag-hat-alle-bankgeschaefte-abgewickelt-konzession-erlischt-rechtswirksam-mit-15-dezember-2022-regierungskommissaer-abberufen/
[7] https://www.falter.at/zeitung/20230228/jagd-auf-roter-vogel
[8]https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32022R1273#:~:text=%27Article%209-,1.,referred%20to%20in%20Article%202.&text=are%20located%3B%20and-,(b)%20cooperate%20with%20the%20competent%20authority%20in,any%20verification%20of%20such%20information
[9] https://www.derstandard.at/story/3000000174854/rennen-um-sberbank-reste-geht-in-die-zielgerade
[10]https://www.derstandard.at/story/2000144501155/raiffeisen-international-soll-an-auschgeschaeft-mit-der-sberbank-arbeiten
[11] https://www.derstandard.at/story/3000000174854/rennen-um-sberbank-reste-geht-in-die-zielgerade
[12]ttps://www.derstandard.at/story/3000000174939/unternehmer-zoechling-hat-sberbank-reste-gekauft?ref=article
[13]https://www.derstandard.at/story/3000000173239/wksta-erhebt-anklage-gegen-siegfried-wolf-in-causa-eurofighter
[14]https://www.fma.gv.at/information-zum-bescheid-betreffend-das-moratorium-ueber-die-sberbank-europe-ag/ sowie https://www.srb.europa.eu/de/content/der-srb-betrachtet-die-sberbank-europe-ag-oesterreich-und-ihre-tochterunternehmen-kroatien
[15] https://www.fma.gv.at/sberbank-europe-ag/
[16] https://www.einlagensicherung.at/de/case-sbe.php
[17]https://www.fma.gv.at/fma-oenb-insolvenz-der-sberbank-wurde-vermieden-alle-glaeubiger-koennen-fristgerecht-bedient-werden/
[18] https://www.politico.eu/article/sberbank-will-finally-be-cut-off-from-swift-says-von-der-leyen/
[19]https://www.reuters.com/markets/europe/eu-add-sberbank-russian-metals-baron-sanctions-list-2022-07-19/
[20]https://www.fma.gv.at/sberbank-europe-ag-hat-alle-bankgeschaefte-abgewickelt-konzession-erlischt-rechtswirksam-mit-15-dezember-2022-regierungskommissaer-abberufen/
[21] https://www.falter.at/zeitung/20230314/milliarden-fuer-putin-die-raiffeisen-dokumente
[22]https://www.derstandard.at/story/3000000174515/konsortium-soll-sich-f252r-sberbank-reste-interessieren
[23] Siehe die Änderung zu Artikel 6b § 2b der Verordnung (EU) Nr. 269/2014: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32022R2475
[24] https://www.derstandard.at/story/3000000174939/unternehmer-zoechling-hat-sberbank-reste-gekauft