15407/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.06.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Steuerstundungen an Kika/Leiner trotz drohender Uneinbringlichkeit?

 

Am 13.06.23 wurde am Landesgericht St. Pölten über die insolvente Möbelhandelskette Kika/Leiner - seit 2018 im Besitz von René Benkos Signa Holding - ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Laut Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) ist die Insolvenz von Kika/Leiner die größte der letzten zehn Jahre in Österreich. Insgesamt sind im Insolvenzverfahren mehr als 132 Millionen Euro an ungesicherten Forderungen gegen Kika/Leiner offen. Wie berichtet sollen davon über 40 Millionen auf aufgeschobene Steuern entfallen. Die Republik ist der größte Gläubiger der Möbelkette und droht einen hohen zweistelligen Millionenbetrag zu verlieren. Laut Gerald Zmuegg, Leiter des Finanzombudsteams, betrugen die gestundeten Abgabenverpflichtungen der Rudolf-Leiner-Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt per Ende September 2021 32,7 Millionen Euro. Zugleich habe laut Zmuegg die verfügbare Liquidität der Gesellschaft 76 Millionen Euro betragen, weshalb seiner Meinung nach einer Stundung nicht unbedingt hätte zugestimmt werden müssen. (1)&(2)

Grundsätzlich haben Unternehmen gemäß § 212 Bundesabgabenordnung (BAO) die Möglichkeit, einen Antrag auf Stundung oder Ratenzahlung ihrer Abgabenschulden zu stellen. Unter der Voraussetzung, dass die sofortige oder volle Entrichtung der Abgabe für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgabe durch den Aufschub nicht gefährdet wird, kann das Finanzamt den Antrag auf Stundung bewilligen .(3)

Üblich sind in so einem Fall, vor allem wenn es sich um Höhe Beträge handelt, aber Sicherheitsleistungen in Form von Grundstücken oder Garantien der Muttergesellschaften. Während der Covid-Krise wurden bis Ende Juni 2021 aufgrund der wirtschaftlichen Ausnahmesituation im großen Stil Abgaben gestundet. Aufgrund der vielen Anträge verzichtete das Finanzamt meist auf Sicherheitsleistungen , bei vielen mittelständische Kunden wurden diese aber sehr wohl auch in den Covid-Jahren gefordert, so Finanzombudsmann Zmuegg. (4)&(5) Warum diese Sicherheiten auch nicht bei Unternehmen wie Kika/Leiner, deren schlechte finanzielle Situation bekannt war, verlangt wurden, ist nicht ganz nachvollziehbar, zumal sich Kreditgeber in der Privatwirtschaft derart hohe Kreditbeträge üblicherweise besichern lassen.

Die Raiffeisen-Bank war weit weniger großzügig als die öffentliche Hand: Während das Finanzamt die letzen Jahre auf seinen Steuerstundungen sitzen blieb, flossen rund die Hälfte der Mieteinnahmen der Kika/Leiner-Immobiliensparte an die Raiffeisen LB NÖ-Wien - zur Bedienung eines Kredits, den diese beim Einstieg der Signa an die Besitzgesellschaften der Immobilien vergeben hatte. Auffallend an den Krediten ist auch die kurze Kreditlaufzeit, die die Finanzierungskosten für das Unternehmen in die Höhe trieb. (5)

Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, will nun jedenfalls die Vorgänge rund um den Verkauf von Kika/Leiner sowie eine Kompensation für die Steuerstundungen nun genau prüfen. Zu klären ist aus Sicht von Peschorn auch, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. Als "auffällig" bezeichnete Peschorn die Verschmelzung der beiden Unternehmen Kika und Leiner im Jahr 2021. (6)

Detail am Rande: Die Signa Holding verlegte 2018 über Nacht ihren Firmensitz von Wien nach Innsbruck, weil man sich vom dortigen Finanzamt eine entgegenkommender Behandlung im Streit um eine Steuernachzahlung erwartete. Konkret soll der damalige Sektionschef und Vertraute von Thomas Schmid, Eduard Müller (heute Leiter der Finanzmarktaufsicht) beim Finanzamt in Wien zu Gunsten von Benko interveniert haben. Der zuständige Finanzbeamte in Wien weigerte sich. Ein Anruf Müllers im nach Wechsel des Firmensitz zuständigen Finanzamt Innsbruck war erfolgreicher. Der Steuerstreit wurde kurz darauf für die Signa vorteilhaft beigelegt. Die WKStA ermittelt, die Betroffenen weisen alle Anschuldigungen zurück. (7)

Quellen:

  1. https://www.krone.at/3037378
  2. https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/6298337/KikaLeinerPleite_Miethoehen-und-Zeitpunkt-der-Insolvenzeroeffnung
  3. https://news.wko.at/news/wien/Zahlungsaufschub-fuer-Steuern-und-Abgaben-beantragen.html
  4. https://www.derstandard.at/story/3000000174560/offene-kikaleiner-steuern-nich
  5. https://www.krone.at/3037378
  6. https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/6298337/KikaLeinerPleite_Miethoehen-und-Zeitpunkt-der-Insolvenzeroeffnung
  7. https://www.falter.at/morgen/20230615/die-kikaleiner-pleite-und-ein-steuerdeal-fur-milliardar-benko

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie hoch sind die Abgabenforderungen des Finanzamts gegenüber der Kika/Leiner-Gruppe mit Stichtag 13.06.2023?
  2. Wie hoch wird der voraussichtliche Ausfall aus diesen Forderungen sein?
  3. In welcher Höhe hat die Kika/Leiner-Gruppe die gesetzliche Möglichkeit zur Abgabenstundung, bzw. Ratenzahlung in Anspruch genommen?
    1. Mit Stichtag 31.12.2018?
    2. Mit Stichtag 31.12.2019?
    3. Mit Stichtag 15.03.2020?
    4. Mit Stichtag 30.06.2021?
    5. Mit Stichtag 31.12.2021?
    6. Mit Stichtag 31.12.2022?
  1. Wie viele Anträge auf Abgabenstundung, bzw. Ratenzahlung wurden von der Kika/Leiner-Gruppe gestellt?
    1. im Zeitraum 1.1.2018 bis 31.12.2018?
    2. im Zeitraum 1.1.2019 bis 31.12.2019?
    3. im Zeitraum 1.1.2020 bis 15.03.2020?
    4. im Zeitraum 15.03.2020 bis 30.06.2021?
    5. im Zeitraum 1.7.2021 bis 31.12.2021?
    6. im Zeitraum 1.1.2022 bis 31.12.2022?
  1. Wurden die Anträge der Kika/Leiner-Gruppe vom Finanzamt bewilligt?
    1. Falls ja - wie viele Anträge wurden bewilligt?
    2. Falls ja - wurde jeweils geprüft, ob die Entrichtung der Abgaben mit Härten verbunden war?
    3. Falls ja - wurde geprüft, ob die Einbringlichkeit der Abgaben durch die Bewilligung nicht gefährdet war?
    4. Falls ja - Wurde sichergestellt, dass Forderungen anderer Gläubiger der Unternehmenskette nicht bevorzugt bedient wurden (z.B. Raiffeisen)?
    5. Falls ja - wurden die Abgabenstundungen jeweils mit Sicherheitsleistungen wie Grundstücke oder Haftungen besichert?
    6. Falls nein - wie viele Anträge wurden abgelehnt?
  1. Inwiefern wurden die Anträge der Signa/Leiner Gruppe auf Abgabenstunden und Ratenzahlung nach Bekanntwerden der Insolvenz auf Fehler in der Abwicklung überprüft?
    1. Welche Schritte wurden vom BMF in diesem Zusammenhang bisher gesetzt und welche Rolle hat das BMF im weiteren Verfahren?
    2. Welche Schritte wurden von der Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang bisher gesetzt und welche Rolle hat sie im weiteren Verfahren?
    3. Welche Schritte hat die Finanzprokuratur bisher gesetzt und welche Rolle hat sie im weiteren Verfahren?
  1. In welcher Höhe wurden insgesamt Abgabenstundungen, bzw. Ratenzahlungen in Anspruch genommen?
    1. Mit Stichtag 31.12.2018?
    2. Mit Stichtag 31.12.2019?
    3. Mit Stichtag 15.03.2020?
    4. Mit Stichtag 30.06.2021?
    5. Mit Stichtag 31.12.2021?
    6. Mit Stichtag 31.12.2022?
  1. Wie viele Anträge auf Stundung, bzw. Ratenzahlung wurden vom Finanzamt bewilligt (als Anteil an der Gesamtzahl der gestellten Anträge)?
    1. im Zeitraum 1.1.2018 bis 31.12.2018?
    2. im Zeitraum 1.1.2019 bis 31.12.2019?
    3. im Zeitraum 1.1.2020 bis 15.03.2020?
    4. im Zeitraum 15.03.2020 bis 30.06.2021?
    5. im Zeitraum 1.7.2021 bis 31.12.2021?
    6. im Zeitraum 1.1.2022 bis 31.12.2022?
  1. Bei wie vielen der bewilligten Anträge wurden von der Finanzverwaltung Sicherheitsleistungen von Seiten der Antragssteller gefordert (absolut und als Anteil an der Gesamtzahl der gestellten Anträge)?
    1. im Zeitraum 1.1.2018 bis 31.12.2018?
    2. im Zeitraum 1.1.2019 bis 31.12.2019?
    3. im Zeitraum 1.1.2020 bis 15.03.2020?
    4. im Zeitraum 15.03.2020 bis 30.06.2021?
    5. im Zeitraum 1.7.2021 bis 31.12.2021?
    6. im Zeitraum 1.1.2022 bis 31.12.2022?
  1. Prüfung von Anträgen nach § 212 BAO:
    1. "sofortige oder volle Entrichtung der Abgabe für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden":

                                          i.    Welche Voraussetzungen müssen bei der Bewertung erfüllt sein, um dieses Kriterium zu erfüllen? 

                                        ii.    Inwiefern wurde während der Corona-Krise die Voraussetzungen weiter ausgelegt?

    1. "Einbringlichkeit der Abgabe durch den Aufschub nicht gefährdet":

                                          i.    Welche Voraussetzungen müssen bei der Bewertung erfüllt sein, um dieses Kriterium zu erfüllen? 

                                        ii.    Inwiefern wurde während der Corona-Krise die Voraussetzungen weiter ausgelegt?

    1. Sicherheitsleistungen:

                                          i.    Welche Voraussetzungen müssen bei der Bewertung erfüllt sein, dass Sicherheitsleistungen vom Ansuchenden verlangt werden? 

                                        ii.    Inwiefern wurde während der Corona-Krise die Voraussetzungen weiter ausgelegt?

  1. Mögliche Einflussnahme des BMFs auf laufende Verfahren der Finanzverwaltung:
    1. Wie oft kam es in den Jahren 2016-2023 vor, dass - wie anscheinend im Jahr 2018 - BMF-Sektionschefs bei den Finanzämtern Informationen über laufende Verfahren einholt (bitte um Angabe nach Jahren und Bundesländern)?
    2. Wie oft kam es in den Jahren 2016-2023 vor, dass - wie anscheinend im Jahr 2018 - BMF-Sektionschefs bei den Finanzämtern bei laufenden Verfahren intervenieren (bitte um Angabe nach Jahren und Bundesländern)?
  1. Firmensitzwechsel während strittiger Verfahren:
    1. Wie oft kam es in den Jahren 2016-2023 vor, dass Unternehmen während laufender Verfahren mit der Finanzverwaltung innerhalb Österreichs Firmensitz - und somit in die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts - wechselten? (bitte um Angabe pro Jahr und Bundesland)