15412/J XXVII. GP
Eingelangt am 22.06.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für Inneres
betreffend volle Transparenz und Aufklärung bezüglich möglicher Gefährdungen der Wiener Regenbogenparade 2023
Die Wiener Regenbogenparade am 17. Juni 2023 setzte als größte politische Kundgebung Österreichs ein starkes und wichtiges Zeichen für Zusammenhalt, Vielfalt und Akzeptanz. Mehr als 300.000 Menschen nahmen an der Parade und der abschließenden Kundgebung am Wiener Rathausplatz teil und zeigten damit ihre Unterstützung für die Gleichstellung der LGBTIQ-Community. Neben den vielen Teilnehmer*innen, sowie Vereinen, Initiativen und Unternehmen, die Teil der Parade waren, nahmen auch zahlreiche Vertreter*innen der verschiedenen Verfassungsorgane teil – drei Mitglieder der Bundesregierung, die Zweite Präsidentin des Nationalrats, zahlreiche Abgeordnete zum Nationalrat, Mitglieder des Bundesrates und Wiener Landtags, sechs Mitglieder der Wiener Landesregierung, die Vorsitzenden zweier Parlamentsparteien, die Präsidentin der Arbeiterkammer und viele mehr.
Gerade angesichts dieser breiten Unterstützung sorgten die Informationen, die am Tag nach der Regenbogenparade über einen potenziellen Angriff öffentlich wurden, für besondere Aufmerksamkeit. In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Sonntag, 18. Juni 2023, um 11 Uhr, informierten der Direktor der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und der Wiener Landespolizeipräsident über einen möglichen Anschlag auf die Regenbogenparade, der durch die Festnahme von drei Verdächtigen kurz vor Beginn der Kundgebung vereitelt werden konnte. Sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt dieser Pressekonferenz werfen jedoch zahlreiche Fragen auf, die schnellstmögliche Aufklärung und die volle Transparenz des zuständigen Ressorts nötig machen. So wurden weder die Veranstalter*innen, noch die zahlreichen Vertreter*innen der Verfassungsorgane, die an der Parade teilnahmen, vorab informiert. Bei den sichergestellten Waffen handelt es sich um „Schlagringe oder Hieb- und Stichwaffen, andererseits um Gasdruckwaffen“.[1] Außerdem stellt sich gerade angesichts der mehrfachen Betonung, dass „für die Teilnehmenden der Regenbogenparade aufgrund der im Vorfeld durchgeführten Festnahmen zu keiner Zeit eine Gefahr bestand“ die Frage, welche möglichen weiteren Ziele durch die eilig einberufene Pressekonferenz verfolgt wurden – der FPÖ-Angeordnete kommentierte dies beispielsweise mit der Aussage: „Die ÖVP missbraucht den DSN-Chef im Zuge einer unnötigen Pressekonferenz, um die Pressestunde von Babler zu torpedieren. (…) Ob allerdings ein 14-, ein 17- und ein 20-Jähriger mit Messern in der Lage sind, Hundertschaften der Polizei zu übertölpeln, ist mehr als fraglich.“
Auch wenn die Arbeit der Exekutivbeamt*innen vor Ort nicht zu beanstanden ist und sie einen wichtigen Beitrag zum geordneten Ablauf der Parade leisteten, scheinen die strategischen Entscheidungen der Polizeispitze aber schwer nachvollziehbar und werfen viele Ungereimtheiten und Fragen auf. Es muss daher im Sinne aller Zuständigen für öffentliche Sicherheit sein, schnell und restlos für Transparenz zu sorgen und auf Basis der aktuellen Situation Lehren für die Zukunft zu ziehen. Gerade Veranstaltungen wie die Regenbogenparade sind nicht nur ein besonderer Anlass politischen Engagements hunderttausender Österreicher*innen, sondern verdienen in diesem Sinne auch den uneingeschränkten Schutz aller Teilnehmer*innen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Seit wann wurden Ermittlungen bzw. Überwachungsmaßnahmen gegen die drei, am 17. Juni 2023, verhafteten Tatverdächtigen getätigt?
a. Durch welche Ermittlungs- und/oder Überwachungsmaßnahmen konnte die DSN Gefahr im Verzug für die Regenbogenparade konkret feststellen?
2. Laut Medienberichten wurden die Ermittlungsbehörden bereits am 7. März durch einen ausländischen Nachrichtendienst über die potenziellen Angriffspläne in Kenntnis gesetzt: Welche konkrete Begründung lag für den Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen kurz vor Beginn der Regenbogenparade vor und warum wurde nicht deutlich früher eingegriffen?
a. Bestand durch dieses Vorgehen die Gefahr, dass bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte potenzielle Mittäter*innen selbstständige Angriffe auf die Regenbogenparade vornehmen hätten können?
3. Von welchen konkreten Gefahrenpotenzialen bzw. Szenarien möglicher Angriffe auf die Regenbogenparade sind die Ermittlungsbehörden im Vorhinein ausgegangen?
a. Hat sich diese Einschätzung insbesondere angesichts der gefundenen Waffen verändert und wenn ja, inwiefern?
4. Gemäß Medienberichten wurden bei den Verdächtigen vor allem Hieb- und Stichwaffen, sowie Soft Guns, aber keine klassischen Schusswaffen, gefunden. Bestand im Vorfeld der Hausdurchsuchungen die Erwartungshaltung, dass andere Waffen für einen möglichen Angriff auf die Regenbogenparade verwendet werden sollten? Bitte legen Sie die dahingehenden Informationen ausführlich dar.
5. Warum wurde angesichts der bekannt großen Zahl von Vertreter*innen der Verfassungsorgane, die an der Regenbogenparade teilnehmen, keine andere Informationspolitik angewandt?
6. Warum wurden insbesondere die Veranstalter*innen der Regenbogenparade bzw. der abschließenden Kundgebung nicht über mögliche Bedrohungsszenarien informiert?
a. Welche konkreten Befürchtungen herrschten bez. möglicher „Panikreaktionen“ durch die Veranstalter*innen?
7. Wurden insbesondere Security-Firmen oder andere Sicherheitsdienstleister*innen, die im Zuge der Parade und der abschließenden Kundgebung tätig waren, vorab informiert?
a. Wenn ja, wer wurde wann informiert und durch wen?
b. Wenn nein, warum sahen die Ermittlungsbehörden dazu keine Notwendigkeit?
8. Wie viele Einsatzkräfte waren zum Schutz der Regenbogenparade und der abschließenden Kundgebung insgesamt im Einsatz?
a. Bitte geben Sie auch die Vergleichszahlen der Jahre 2017, 2018, 2019, 2021 und 2022 an.
9. Welche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen kamen angesichts der Bedrohungsszenarien zum Schutz der Regenbogenparade und der abschließenden Kundgebung zum Einsatz?
10. Welche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen kamen insbesondere zum Schutz der s.g. „Eröffnungszone“, also dem Bereich in dem die Vertreter*innen der Verfassungsorgane die Regenbogenparade eröffnen, zum Einsatz?
11. Wann und auf welcher Basis wurden Termin und Uhrzeit für die Eil-Pressekonferenz des DSN-Direktors und des Wiener Landespolizeipräsidenten fixiert?
12. Was ist der konkrete Grund, weshalb eine derartig hoch besetzte Eil-Pressekonferenz an einem Sonntagvormittag durchgeführt wurde?
13. Wer wurde wann im Vorfeld der Eil-Pressekonferenz über den Inhalt derselben informiert?
a. Gab es insbesondere Absprachen mit dem Bundesministerium für Inneres bzw. dem Kabinett des Bundesministers und wenn ja, welcher Natur waren diese?
14. Kann sichergestellt werden, dass der Inhalt und Ablauf der Eil-Pressekonferenz keine wie auch immer gearteten politischen Zielsetzungen verfolgt hat?
15. Da im Zuge dieser Eil-Pressekonferenz mehrmals die Forderung nach einer Ausweitung möglicher Überwachungsbefugnisse zur besseren Vermeidung von derartigen Angriffen aufgestellt wurde, im gegenständlichen Fall aber ohnehin mit bestehenden Regeln umfassend eingegriffen werden konnte: Hätten weitergehende Überwachungsbefugnisse im gegenständlichen Fall Verbesserungen bringen können, wenn ohnehin „zu keiner Zeit eine Gefahr bestand“? Und wenn ja, welche?
16. Welche konkreten Schlüsse zieht Ihr Ressort aus diesem Fall für den Schutz künftiger Pride-Veranstaltungen, die im Juni und Juli 2023 noch in vielen anderen österreichischen Städten stattfinden?
[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230618_OTS0019/dsn-anschlag-auf-wiener-regenbogenparade-durch-verfassungsschutz-vereitelt-bild