15425/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.06.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend fehlerhafte Covid-Beihilfen & ihre rechtlichen Folgen?

 

Während der Covid-Krise sind der Bundesregierung und insbesondere dem BMF eklatante Fehler bei der Anwendung des EU-Beihilfenrechts unterlaufen, die zu einem Auszahlungsstopp an die antragstellenden Unternehmen geführt haben. Im Nachhinein will es niemand gewesen sein, doch der Rechnungshofbericht (1) hält zur Zuständigkeit und daher Verantwortlichkeit des BMF in dieser Sache klar fest:

"Das ABBAG–Gesetz beschränkte die Geschäftstätigkeit der COFAG auf die Abwicklung finanzieller COVID–19–Maßnahmen für Unternehmen, wie etwa Garanten und
Zuschüsse. Jede einzelne Maßnahme erforderte eine vom Finanzminister im Einvernehmen mit dem Vizekanzler verordnete Richtlinie sowie einen Auftrag des Finanzministers an die COFAG. Alle wesentlichen Entscheidungen waren dem Finanzminister vorbehalten, darunter auch operative Angelegenheiten der Förderabwicklung der COFAG." (S. 12)

 

Der Fehler - oder die im Raum stehende absichtliche Nichtbeachtung von EU-Beihilfenrecht - betrifft im Wesentlichen den Unternehmensbegriff. Da Konzernstrukturen nicht berücksichtigt wurden, konnten gewisse Unternehmensgruppen viel mehr Hilfen abrufen als rechtlich erlaubt war. Dies hat erwartungsgemäß die EU-Kommission auf den Plan gerufen. 

 

Der Rechnungshof stellt ebenfalls klar, dass das BMF hier nicht allein gehandelt hat, sondern sich umfassend von Rechtsexperten beraten hat lassen:

"Von den Rechtsberatungskosten (4,09 Mio. EUR) entfielen 63 % auf Leistungen des Rechtsberaters A in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Beihilfenrecht, Vorarbeiten für Richtlinien sowie Musteranträge und Protokollführung im Aufsichtsrat. Für die Beratung zu steuerrechtlichen Fragen der Zuschussinstrumente und der FAQ verrechneten zwei weitere Anwaltskanzleien 557.600 EUR." (S. 89)

 

Obwohl Finanzminister Brunner nun von einem weiten Auslegungsspielraum spricht, der ex ante nicht abschätzbar war, sind sich Rechtsexperten einig, dass das BMF, was die Definition des Unternehmensbegriffs angeht, damals nicht von einem Abgehen der EU-Kommission von einer langjährigen Praxis ausgehen konnte (2). In jedem Fall wäre es ihr offengestanden, die EU-Kommission einfach zu fragen. Das bedeutet, dass das BMF selbst innerhalb ihrer eigenen Argumentation nicht alles unternommen hat, um Rechtssicherheit für die Unternehmen sicherzustellen. Vielmehr hat man die Richtlinien an der EU-Kommission vorbeigeschleust, die in einer herausfordernden Krisenzeit die Beihilfen von 27 EU-Staaten rasch freigeben musste und selbst nicht davon ausgehen konnte, dass eine Regierung unklare Richtlinien dafür nutzen wird, von grundlegenden Definitionen und damit geltendem EU-Recht abzugehen.

 

Unter diesem unprofessionellen Vorgehen leiden vor allem die Unternehmen, die lange darauf warten müssen, dass ihre Anträge abgewickelt werden und endlich Zahlungen erfolgen. Diese Anfrage soll nun klären, welche rechtlichen Konsequenzen aus den anhaltenden Fehlern des BMF entstehen können. 

 

Quellen:

  1. https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Bund_2022_31_COFAG.pdf
  2. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/14565

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Erstellung der Richtlinien
    1. Welche Organisationseinheiten des Bundes waren bei der Erstellung der Richtlinien zu den Covid-Instrumenten beteiligt? Bitte je Hilfsinstrument involvierte Abteilungen und Kabinette der einzelnen Ministerien oder anderer Gebietskörperschaften angeben.
    2. Welche externen Berater waren bei der Erstellung der Richtlinien zu den Covid-Instrumenten beteiligt? Bitte je Hilfsinstrument involvierte externe Berater, konkrete Leistung und Kosten angeben.
    3. Inwiefern waren die Geschäftsführer der COFAG bei der Erstellung der Richtlinien zu den Covid-Instrumenten beteiligt? Bitte nach Hilfsinstrumenten und Beteiligung der Geschäftsführer differenzieren.
  1. Rechtsberatung:
    1. Sind die Angaben des Rechnungshofs korrekt, wonach für 4,09 Mio. EUR für Rechtsberatung für die Erarbeitung von Covid-Hilfen ausgegeben wurde?

                                          i.    Wenn nein, wie hoch waren die gesamten Kosten?

    1. Inwiefern betrafen diese Ausgaben die Beratung über EU-Beihilfenrecht? 
    2. Inwiefern wurde im Zuge der Rechtsberatung der Unternehmensbegriff im EU-Beihilfenrecht erörtert?

                                          i.    Welche konkreten Empfehlungen haben die eingebundenen Berater hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Richtlinien beim Unternehmensbegriff abgegeben?

    1. Welche rechtlichen Schritte werden für den Fall ergriffen, dass die Verhandlungen mit der EU-Kommission ergeben, dass EU-Recht falsch angewendet wurde und daher die Rechtsberatung mangelhaft war?
    2. Welche rechtlichen Schritte wird das BMF gegen jene Unternehmen vornehmen, die mit der Beratung bei der Erstellung der COVID-Hilfsinstrumente betraut waren, falls es zu Klagen gegen die Republik kommt?
    3. Wurden vom BMF seit März 2022 weitere Beratungsaufträge an jene Unternehmen erteilt, die mit der Beratung bei der Erstellung der COVID-Hilfsinstrumente betraut waren?

                                          i.    Wenn ja, für welches Projekt und welche Kosten sind damit verbunden? Bitte nach Unternehmen, Projekt, Ziel und Kosten gliedern.

  1. Konsequenzen für COFAG-Geschäftsführer:
    1. Inwiefern wäre es ein Versagen vonseiten der COFAG-Geschäftsführer, falls Verhandlungen mit der EU-Kommission ergeben, dass EU-Recht falsch angewendet wurde?
    2. Welche rechtlichen Schritte wird das BMF vornehmen, falls die Verhandlungen mit der EU-Kommission ergeben, dass EU-Recht falsch angewendet wurde?
    3. Welche rechtlichen Schritte wird das BMF vornehmen, falls es zu Klagen gegen die Republik kommt?
  1. Disziplinarverfahren:
    1. Werden Disziplinarverfahren für den Fall in die Wege geleitet, dass die Verhandlungen mit der EU-Kommission ergeben, dass EU-Recht falsch angewendet wurde und daher die Beihilfeexperten innerhalb des BMF Fehler begangen haben?  
    2. Gab es sonstigen Konsequenzen für jenen Mitarbeiter:innen im BMF, die mit der Erstellung der Richtlinien betraut waren, über eine umfassende Expertise über das EU-Beihilferecht verfügen und dennoch nicht auf die fehlerhafte Ausgestaltung der Richtlinien hingewiesen haben?
  1. Klagen von Unternehmen:
    1. Wie viele Klagen haben Unternehmen gegen die COFAG bzgl. Covid-Beihilfen eingebracht? Bitte nach Jahr der Einbringung, Gegenstand und Verfahrensstand gliedern.
    2. Wie viele Klagen haben Unternehmen gegen das BMF bzgl. Covid-Beihilfen eingebracht? Bitte nach Jahr der Einbringung, Gegenstand und Verfahrensstand gliedern.
  1. Letztstand der Rückforderungsansprüche:
    1. Wie viele Antragsteller haben aufgrund des geänderten Unternehmensbegriffs bereits Rückzahlungen getätigt? Bitte Zahl der betroffenen Antragsteller nach Instrument, Unternehmensgröße und Bundesland gliedern.
    2. Wie hoch ist das aktuelle Gesamtvolumen der potenziellen Rückforderungsansprüche?
    3. Wie hoch ist das aktuelle Volumen der Rückzahlungen, die aufgrund des geänderten Unternehmensbegriffs bereits getätigt wurden?  Bitte Volumen nach Instrument, Unternehmensgröße und Bundesland gliedern.
  1. Letztstand der offenen Auszahlungen:
    1. Wie viele Anträge wurden noch nicht fertig abgewickelt? Bitte Volumen nach Instrument, Unternehmensgröße und Bundesland gliedern.
    2. Inwiefern ist es rechtlich möglich Covid-Hilfszahlungen zuzusagen, nachdem der entsprechende befristete Beihilferahmen am 1.7.2022 abgelaufen ist?
    3. Falls eine Zusage aufgrund es abgelaufenen befristeten Beihilferahmens nicht möglich ist: Welche sonstige Möglichkeit besteht oder wurde im Nachhinein mit der EU-Kommission vereinbart, um die Auszahlung der offenen Hilfen doch zu ermöglichen?
    4. Wie viele Zusagen zu gegenständlichen Covid-Hilfen erfolgten seit März 2023?