Eingelangt am 28.06.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin
Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend fehlerhafte Covid-Beihilfen
& ihre rechtlichen Folgen?
Während der Covid-Krise sind der
Bundesregierung und insbesondere dem BMF eklatante Fehler bei der Anwendung des
EU-Beihilfenrechts unterlaufen, die zu einem Auszahlungsstopp an die
antragstellenden Unternehmen geführt haben. Im Nachhinein will es niemand
gewesen sein, doch der Rechnungshofbericht (1) hält zur Zuständigkeit
und daher Verantwortlichkeit des BMF in dieser Sache klar fest:
"Das ABBAG–Gesetz
beschränkte die Geschäftstätigkeit der COFAG auf die Abwicklung
finanzieller COVID–19–Maßnahmen für Unternehmen, wie
etwa Garanten und
Zuschüsse. Jede einzelne Maßnahme erforderte eine vom
Finanzminister im Einvernehmen mit dem Vizekanzler verordnete Richtlinie sowie
einen Auftrag des Finanzministers an die COFAG. Alle wesentlichen
Entscheidungen waren dem Finanzminister vorbehalten, darunter auch
operative Angelegenheiten der Förderabwicklung der COFAG." (S.
12)
Der Fehler - oder die im Raum stehende
absichtliche Nichtbeachtung von EU-Beihilfenrecht - betrifft im Wesentlichen
den Unternehmensbegriff. Da Konzernstrukturen nicht berücksichtigt wurden,
konnten gewisse Unternehmensgruppen viel mehr Hilfen abrufen als rechtlich
erlaubt war. Dies hat erwartungsgemäß die EU-Kommission auf den Plan
gerufen.
Der Rechnungshof stellt ebenfalls klar, dass
das BMF hier nicht allein gehandelt hat, sondern sich umfassend von
Rechtsexperten beraten hat lassen:
"Von den Rechtsberatungskosten
(4,09 Mio. EUR) entfielen 63 % auf Leistungen des Rechtsberaters A in
den Bereichen Gesellschaftsrecht, Beihilfenrecht, Vorarbeiten
für Richtlinien sowie Musteranträge und Protokollführung im
Aufsichtsrat. Für die Beratung zu steuerrechtlichen Fragen der
Zuschussinstrumente und der FAQ verrechneten zwei weitere Anwaltskanzleien
557.600 EUR." (S. 89)
Obwohl Finanzminister Brunner nun von einem
weiten Auslegungsspielraum spricht, der ex ante nicht abschätzbar war,
sind sich Rechtsexperten einig, dass das BMF, was die Definition des
Unternehmensbegriffs angeht, damals nicht von einem Abgehen der EU-Kommission
von einer langjährigen Praxis ausgehen konnte (2). In jedem Fall wäre
es ihr offengestanden, die EU-Kommission einfach zu fragen. Das bedeutet, dass
das BMF selbst innerhalb ihrer eigenen Argumentation nicht alles unternommen
hat, um Rechtssicherheit für die Unternehmen sicherzustellen. Vielmehr hat
man die Richtlinien an der EU-Kommission vorbeigeschleust, die in einer
herausfordernden Krisenzeit die Beihilfen von 27 EU-Staaten rasch freigeben
musste und selbst nicht davon ausgehen konnte, dass eine Regierung unklare
Richtlinien dafür nutzen wird, von grundlegenden Definitionen und damit
geltendem EU-Recht abzugehen.
Unter diesem unprofessionellen Vorgehen
leiden vor allem die Unternehmen, die lange darauf
warten müssen, dass ihre Anträge abgewickelt werden und endlich
Zahlungen erfolgen. Diese Anfrage soll nun klären, welche rechtlichen
Konsequenzen aus den anhaltenden Fehlern des BMF entstehen können.
Quellen:
- https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Bund_2022_31_COFAG.pdf
- https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/14565
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Erstellung der Richtlinien
- Welche Organisationseinheiten des Bundes
waren bei der Erstellung der Richtlinien zu den Covid-Instrumenten
beteiligt? Bitte je Hilfsinstrument involvierte Abteilungen und Kabinette
der einzelnen Ministerien oder anderer Gebietskörperschaften
angeben.
- Welche externen Berater waren bei
der Erstellung der Richtlinien zu den Covid-Instrumenten beteiligt? Bitte
je Hilfsinstrument involvierte externe Berater, konkrete Leistung und
Kosten angeben.
- Inwiefern waren die Geschäftsführer
der COFAG bei der Erstellung der Richtlinien zu den
Covid-Instrumenten beteiligt? Bitte nach Hilfsinstrumenten und
Beteiligung der Geschäftsführer differenzieren.
- Rechtsberatung:
- Sind die Angaben des Rechnungshofs korrekt,
wonach für 4,09 Mio. EUR für Rechtsberatung für die
Erarbeitung von Covid-Hilfen ausgegeben wurde?
i. Wenn nein, wie hoch waren die gesamten Kosten?
- Inwiefern betrafen diese Ausgaben die
Beratung über EU-Beihilfenrecht?
- Inwiefern wurde im Zuge der Rechtsberatung
der Unternehmensbegriff im EU-Beihilfenrecht erörtert?
i. Welche konkreten Empfehlungen haben die eingebundenen Berater
hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Richtlinien beim
Unternehmensbegriff abgegeben?
- Welche rechtlichen Schritte werden für
den Fall ergriffen, dass die Verhandlungen mit der EU-Kommission ergeben,
dass EU-Recht falsch angewendet wurde und daher die Rechtsberatung
mangelhaft war?
- Welche rechtlichen Schritte wird das BMF
gegen jene Unternehmen vornehmen, die mit der Beratung bei der Erstellung
der COVID-Hilfsinstrumente betraut waren, falls es zu Klagen gegen die
Republik kommt?
- Wurden vom BMF seit März 2022 weitere
Beratungsaufträge an jene Unternehmen erteilt, die mit der Beratung
bei der Erstellung der COVID-Hilfsinstrumente betraut waren?
i. Wenn ja, für welches Projekt und welche Kosten sind damit
verbunden? Bitte nach Unternehmen, Projekt, Ziel und Kosten gliedern.
- Konsequenzen für
COFAG-Geschäftsführer:
- Inwiefern wäre es ein Versagen
vonseiten der COFAG-Geschäftsführer, falls Verhandlungen mit
der EU-Kommission ergeben, dass EU-Recht falsch angewendet wurde?
- Welche rechtlichen Schritte wird das BMF
vornehmen, falls die Verhandlungen mit der EU-Kommission ergeben, dass
EU-Recht falsch angewendet wurde?
- Welche rechtlichen Schritte wird das BMF
vornehmen, falls es zu Klagen gegen die Republik kommt?
- Disziplinarverfahren:
- Werden Disziplinarverfahren für den
Fall in die Wege geleitet, dass die Verhandlungen mit der EU-Kommission
ergeben, dass EU-Recht falsch angewendet wurde und daher die
Beihilfeexperten innerhalb des BMF Fehler begangen haben?
- Gab es sonstigen Konsequenzen für
jenen Mitarbeiter:innen im BMF, die mit der Erstellung der Richtlinien
betraut waren, über eine umfassende Expertise über das
EU-Beihilferecht verfügen und dennoch nicht auf die fehlerhafte
Ausgestaltung der Richtlinien hingewiesen haben?
- Klagen von Unternehmen:
- Wie viele Klagen haben Unternehmen gegen
die COFAG bzgl. Covid-Beihilfen eingebracht? Bitte nach Jahr der
Einbringung, Gegenstand und Verfahrensstand gliedern.
- Wie viele Klagen haben Unternehmen gegen
das BMF bzgl. Covid-Beihilfen eingebracht? Bitte nach Jahr der
Einbringung, Gegenstand und Verfahrensstand gliedern.
- Letztstand der
Rückforderungsansprüche:
- Wie viele Antragsteller haben aufgrund des
geänderten Unternehmensbegriffs bereits Rückzahlungen
getätigt? Bitte Zahl der betroffenen Antragsteller nach Instrument,
Unternehmensgröße und Bundesland gliedern.
- Wie hoch ist das aktuelle Gesamtvolumen der
potenziellen Rückforderungsansprüche?
- Wie hoch ist das aktuelle Volumen der
Rückzahlungen, die aufgrund des geänderten Unternehmensbegriffs
bereits getätigt wurden? Bitte Volumen nach Instrument,
Unternehmensgröße und Bundesland gliedern.
- Letztstand der offenen Auszahlungen:
- Wie viele Anträge wurden noch nicht
fertig abgewickelt? Bitte Volumen nach Instrument, Unternehmensgröße
und Bundesland gliedern.
- Inwiefern ist es rechtlich möglich
Covid-Hilfszahlungen zuzusagen, nachdem der entsprechende befristete
Beihilferahmen am 1.7.2022 abgelaufen ist?
- Falls eine Zusage aufgrund es abgelaufenen
befristeten Beihilferahmens nicht möglich ist: Welche sonstige
Möglichkeit besteht oder wurde im Nachhinein mit der EU-Kommission
vereinbart, um die Auszahlung der offenen Hilfen doch zu
ermöglichen?
- Wie viele Zusagen zu gegenständlichen
Covid-Hilfen erfolgten seit März 2023?