15430/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.06.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Pushbacks in Griechenland - mit welcher Konsequenz?

 

Ende März 2023 veröffentlichte das Anti-Folterkomitee des Europarates (CPT) seinen Jahresbericht mit einem klaren Ergebnis: Es herrschen an den EU-Außengrenzen erschreckende Zustände im Umgang mit Geflüchteten. Ein Appell erging somit auch an die Mitgliedsstaaten der EU: Misshandlungen von Geflüchteten und Pushbacks an Land - oder Seegrenzen müssen aufhören. Pushbacks, also direkte Zurückweisungen an der Grenze ohne Prüfung des Asylantrags, stellen ein Verstoß gegen das in der 1951 Genfer Flüchtlingskonvention verankerte Non-refoulement-Prinzip sowie ein Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das Folterverbot, dar und sind daher absolut rechtswidrig.

Am 19. Mai 2023 veröffentlichten die New York Times Videoaufnahmen eines österreichischen humanitären Helfers, auf denen zu sehen ist, wie die griechische Küstenwache Asylsuchende - darunter auch Kinder - zum Meer bringt und auf einem Floß aussetzt. Es ist mutmaßlich der erste Videobeweis für Pushbacks an der griechischen Küste, die die Regierung in Athen stets abstreitet. Laut Recherche der New York Times stammen die Geflüchteten aus Somalia, Eritrea und Äthiopien. Eine der Frauen der Gruppe hatte ein sechs Monate altes Baby bei sich.2

Seit Jahren ist bekannt, dass an den EU-Grenzen täglich Recht gebrochen wird - nur liegen handfeste Beweise dafür vor. Daher sollte Österreich sich auf EU-Ebene dringend für gemeinsame, rechtsstaatliche Lösungen im Bereich Asyl einsetzen, inklusive eines europäischen, rechtsstaatlichen Grenzmanagements. Wir NEOS fordern dies schon lange, wie zuletzt durch Antrag auf Stellungnahme3 im EU-Hauptausschuss des Februars 2023. Es braucht:  

Zur Vermeidung von Pushbacks wären insbesondere ein unabhängiges Monitoring an den EU-Außengrenzen und die Stärkung der Kontrollbefugnisse der Frontex-Menschenrechtsbeauftragten essentiell. Auch einen Einsatz für die Errichtung derartiger Strukturen haben wir NEOS längst beantragt.4 Jedoch gibt es seitens der Bundesregierung keine diesbezüglichen Bemühungen oder Maßnahmen. Viel mehr werden rechtsbrechende Staaten mit kostbaren (Personal-)Ressourcen im Rahmen der bilateralen Kooperation unterstützt: Sowohl nach Ungarn als auch nach Griechenland werden immer wieder Exekutivbeamt:innen sowie polizeiliche Ausrüstung geschickt.So hieß es im Jahr 2020 von dem damaligen Innenminister Nehammer "Es gibt keine Zweifel und kein Zögern, Griechenland zur Seite zu stehen. Denn wenn wir die griechische Grenze schützen, dann schützen wir auch die österreichische" und schickte Cobra-Beamt:innen nach Griechenland.6 Weiters sei die Forderung nach Vertragsverletzungsverfahren eine "Kriegserklärung", so EU-Ministerin Edtstadler im Menschenrechtsausschuss des Januars 2023 - und das, obwohl sogar Stimmen aus der ÖVP sich dafür aussprechen.7 

Angesichts der durch die New York Times veröffentlichten Videoaufnahmen besteht ein hohes Interesse an konkreten Angaben zu dem genauen Ausmaß und Umfang der bilateralen Leistungen Österreichs an Griechenland im Bereich des Grenzmanagement und inwiefern die österreichische Regierung sich für ein europäisches, rechtsstaatliches Grenzmanagement einsetzt, insbesondere im Rahmen von Frontex, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache.

Des Weiteren fand am 14. Juni 2023 die schlimmste Bootstragödie in Jahren statt: Ein Schiff sank im Mittelmeer, südwestlich von Griechenland, und hunderte Personen sind ertrunken, darunter viele Minderjährige. Die Rolle der griechischen Küstenwache ist unklar. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle EU Mitgliedsstaaten Bemühungen einleiten, damit solchen Tragödien, die etliche Menschenleben kosten, nicht mehr vorkommen. 

 

  1. https://rm.coe.int/1680aabe2b
  2. https://www.nytimes.com/2023/05/19/world/europe/greece-migrants-abandoned.html
  3. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/IV/18/fname_1517744.pdf
  4. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/2940
  5. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/13453
  6. https://www.krone.at/2217736
  7. https://orf.at/stories/3318009/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie viele österreichische Exekutivbeamt:innen sind gemäß Frontex Verordnung (EU) 2019/1896 in Griechenland tätig? Bitte um Aufschlüsselung nach Monat für die Jahre 2020 bis 2023. 
    1. In welchen Grenzgebieten? 
    2. Zu welchen Kosten (bitte um Aufschlüsselung nach Personal, Sachaufwand, sonstige Kosten usw.)? 
  1. Wie viele österreichische Exekutivbeamt:innen sind mit Stichtag Zeitpunkt der Anfrage gemäß Frontex Verordnung (EU) 2019/1896 in Griechenland tätig?
    1. In welchen Grenzgebieten? 
    2. Zu welchen Kosten (bitte um Aufschlüsselung nach Personal, Sachaufwand, sonstige Kosten usw.)? 
  1. Wie viele österreichische Exekutivbeamt:innen wurden im Rahmen der bilateralen polizeilichen Kooperation nach Griechenland entsandt? Bitte um Aufschlüsselung nach Monat für die Jahre 2020 bis 2023. 
    1. In welchen Grenzgebieten? 
    2. Zu welchen Kosten (bitte um Aufschlüsselung nach Personal, Sachaufwand, sonstige Kosten usw.)? 
  1. Wie viele österreichische Exekutivbeamt:innen sind im Rahmen der bilateralen polizeilichen Kooperation mit Stichtag Zeitpunkt der Anfrage in Griechenland tätig? 
    1. In welchen Grenzgebieten? 
    2. Zu welchen Kosten (bitte um Aufschlüsselung nach Personal, Sachaufwand, sonstige Kosten usw.)? 
  1. Welche Befugnisse haben österreichische Exekutivbeamt:innen in Griechenland (bitte um Detaillieren nach Einsatzart: Frontex, bilateral usw.)?
    1. Wurden bzw. werden Personen an der Grenze bzw. in den Grenzgebieten angehalten? 

                                          i.    Wenn ja, wie viele welcher Staatsangehörigkeit bei welchen Einsätzen jeweils?

                                        ii.    Wenn ja, wie wird in der Folge mit den Personen verfahren? 

1.    Was passiert, wenn um Asyl angesucht wird? 

                                       iii.    Welche Daten zu den Personen stehen Ihnen zur Verfügung?

    1. Durften bzw. dürfen österreichische Beamt:innen Befehls- und Zwangsgewalt ausüben? 
  1. Wie lautet(e) der genaue Arbeitsauftrag an österreichische Exekutivbedienstete in Griechenland (bitte um Detaillieren nach Einsatzart: Frontex, bilateral usw.)?
    1. Gibt bzw. gab es Weisungen? Wenn ja, welchen Inhalts?
    2. Gibt bzw. gab es sonstige Anordnungen, spezielle Dienstbefehle, Dienstanweisungen, Aufträge an Exekutivbedienstete, die in Griechenland tätig waren?
  1. Sind bzw. waren österreichische Exekutivbeamt:innen auch auf den griechischen Inseln tätig (bitte um Detaillieren nach Einsatzart: Frontex, bilateral usw.)?
    1. Wenn ja, wie viele und wann? 
  1. Wie werden bzw. wurden die Exekutivbediensteten ausgesucht (bitte um Detaillieren nach Einsatzart: Frontex, bilateral usw.)? 
    1. Welche Qualifikationen und Ausbildung mussten letztere aufweisen? 
    2. Erfolgten die Entsendungen auf Basis freiwilliger Meldung? 
    3. Waren österreichische Exekutivbeamt:innen, die nach Griechenland entsandt wurden, je in Disziplinarverfahren verwickelt? 

                                          i.    Wenn ja, wie viele? 

  1. Seit wann sind Sie in Kenntnis des 2022-Berichts des Anti-Folterkomitees des Europarats? 
    1. Welche Maßnahmen haben Sie in der Folge jeweils wann gesetzt, um deren Empfehlungen nachzukommen? 
  1. Wann haben Sie von den Videoaufnahmen in den New York Times, die ein Pushback belegen, Kenntnis erlangt? 
    1. Welche Maßnahmen haben Sie in der Folge wann gesetzt? 
  1. Welche Konsequenz hat der Beweis eines Pushbacks in Griechenland auf die bilaterale Kooperation zwischen Österreich und Griechenland? 
  2. Welche Vorkehrungen gibt es seitens Ihres Ressorts jeweils seit wann, um rechtswidriges Verhalten von österreichischen Beamt:innen in Griechenland zu verhindern?
  3. Inwiefern wurde überprüft, ob die Möglichkeit einer Beteiligung an den Pushbacks durch österreichische Beamt:innen besteht?
    1. Wenn dies nicht überprüft wurde, warum nicht?
    2. Wenn dies überprüft wurde: wann durch wen mit welchem Ergebnis?
  1. Haben österreichische Bedienstete Misshandlungsvorwürfe bzw. Menschenrechtsverletzungen je gemeldet? Wurden rechtswidrige Praktiken beobachtet?
    1. Wenn ja, wann, wie viele und welche? 
    2. Wenn ja, wie wurde in der Folge verfahren?
  1. Gab es Beschwerden gegen österreichische Bedienstete? 
    1. Wenn ja, wann und wie viele? 
    2. Wenn ja, wie wurde in der Folge verfahren?
  1. Waren österreichische Exekutivbeamt:innen je an den Push-Backs beteiligt?
    1. Wenn ja, wann und wie viele Beamt:innen waren an wie vielen Push-Backs beteiligt?
    2. Wenn ja, mit welcher Konsequenz? 
  1. Erfolgte bereits eine Evaluierung der bilateralen Einsätze in Griechenland? 
    1. Wenn ja, wann? 
    2. Wenn ja, anhand welcher Kriterien? 
    3. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 
    4. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Haben Sie sich je für ein Menschenrechtsmonitoring an der EU-Außengrenze Griechenlands eingesetzt? 
    1. Wenn ja, wann und was beinhaltete Ihr Vorschlag konkret? 
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Haben Sie sich je für die Stärkung der Kontrollbefugnisse der Frontex-Menschenrechtsbeauftragten eingesetzt? 
    1. Wenn ja, wann und wem gegenüber? 
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Welche Forderungen stellen Sie im Rahmen der Entsendung von österreichischen Beamt:innen nach Griechenland an die griechischen Vertreter:innen und Behörden? 
    1. Haben Sie je aktiv die Einhaltung der Menschenrechte gefordert? 

                                          i.    Wenn ja, wann, mit wem und mit welchem Ergebnis? 

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Haben Sie je das Thema Pushbacks an der griechischen-türkischen Grenze thematisiert bzw. mit griechischen Vertreter:innen und Behörden besprochen? 

                                          i.    Wenn ja, wann, mit wem und mit welchem Ergebnis? 

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

  1. Fordern Sie aktuell im Rahmen der Kooperation mit Griechenland
    1. die Einhaltung welcher Menschenrechte von Asylwerber:innen oder Migrant:innen?
    2. das Unterlassen von Pushbacks?
    3. Wenn nein, wie lauten die Forderungen an Griechenland im Rahmen der gemeinsamen Kooperation? 
  1. Wie viele Drohnen hat Österreich an Griechenland im Rahmen der bilateralen Kooperation geliefert? Bitte um Angaben nach Jahr seit 2020 und Verwendungszweck. 
    1. Zu welchen Kosten? 
  1. Welche andere(n) polizeiliche(n) Ausrüstung(en) wurden an Griechenland im Rahmen der bilateralen Kooperation geliefert? Bitte um Angaben nach Jahr seit 2020 und Verwendungszweck. 
    1. Zu welchen Kosten? 
  1. Welche weiteren Leistungen Sach- oder Geldleistungen wurden an Griechenland im Rahmen der bilateralen Kooperation geliefert? Bitte um Angaben nach Jahr seit 2020 und Verwendungszweck. 
    1. Zu welchen Kosten? 
  1. Wann waren Sie zuletzt mit Vertreter:innen Griechenlands zu den Themen Asyl, Migration und Grenzmanagement im Austausch? 
    1. Mit wem? 
    2. Zu welchen Themen konkret? 
    3. Mit welchen Ergebnissen? 
  1. Erkundigten Sie sich aktiv über Pushbacks an Griechenlands Grenzen oder an anderen EU-Außengrenzen?
    1. Wenn ja, was war das Ergebnis (bitte nach Grenze aufschlüsseln)?
  1. Mit welchen Maßnahmen unterstützen Sie die Aufarbeitung der Pushbacks an den EU-Außengrenzen Griechenlands?
    1. Wie haben Sie sich im Frontex-Verwaltungsrat diesbezüglich positioniert?
    2. Was wird auf EU-Ebene in welchen Gremien diesbezüglich gefordert?
  1. Gab es Gespräche auf europäischer Ebene
    1. zu Pushbacks durch EU Mitgliedsstaaten, seit der Veröffentlichung des Pushback-Videos durch die New York Times?

                                          i.    Wenn ja, wann und in welchen Gremien? 

                                        ii.    Wenn ja, mit welchem Inhalt? 

                                       iii.    Wenn ja, welche Position hat Österreich in den Gesprächen vertreten?

                                       iv.    Wenn ja, mit welchem konkreten Ergebnis bzw. welche Maßnahmen wurden beschlossen? 

    1. zur Verhinderung von Bootstragödie und Ertrinken von Menschen auf der Flucht im Mittelmeer, seit der Tragödie des 14. Juni? 

                                          i.    Wenn ja, wann und in welchen Gremien? 

                                        ii.    Wenn ja, mit welchem Inhalt? 

                                       iii.    Wenn ja, welche Position hat Österreich in den Gesprächen vertreten?

                                       iv.    Wenn ja, mit welchem konkreten Ergebnis bzw. welche Maßnahmen wurden beschlossen? 

  1. Haben Sie auf anderen Ebenen, Gremien bzw. mit weiteren Akteur:innen Gespräche gesucht
    1. zu Pushbacks, seit der Veröffentlichung des Pushback-Videos durch die New York Times?  

                                          i.    Wenn ja, wann und in welchen Gremien bzw. mit welchen Akteur:innen? 

                                        ii.    Wenn ja, mit welchem Inhalt? 

                                       iii.    Wenn ja, welche Position hat Österreich in den Gesprächen vertreten?

                                       iv.    Wenn ja, mit welchem konkreten Ergebnis bzw. welche Maßnahmen wurden beschlossen? 

                                        v.    Wenn nein, warum nicht? 

    1. zur Verhinderung von Bootstragödie und Ertrinken von Menschen auf der Flucht im Mittelmeer, seit der Tragödie des 14. Juni?

                                          i.    Wenn ja, wann und in welchen Gremien bzw. mit welchen Akteur:innen? 

                                        ii.    Wenn ja, mit welchem Inhalt? 

                                       iii.    Wenn ja, welche Position hat Österreich in den Gesprächen vertreten?

                                       iv.    Wenn ja, mit welchem konkreten Ergebnis bzw. welche Maßnahmen wurden beschlossen? 

                                        v.    Wenn nein, warum nicht? 

  1. Wie hoch ist das Budget Österreichs für Seenotrettung seit 2015? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr. 
    1. In welchen Untergliederungen, Global- und Detailbudgets wurde dieser Budgetposten veranschlagt?
  1. Setzen Sie sich dafür ein, dass es im Falle von Bootstragödien wie am 14. Juni 2023 zu unabhängigen Untersuchungen auf europäischer Ebene kommt? 
    1. Wenn ja, inwiefern? 
    2. Wenn nein, warum nicht?