Eingelangt am 30.06.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter,
Dr. Stephanie Krisper, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Sicherstellung von Arbeits- und
Kommunikationsmitteln eines Investigativjournalisten
Anfang 2023 berichtete der
freie Journalist, Franz Miklautz, über den Klagenfurter Magistratsdirektor
Peter Jost, der im Jahr 2022 800 Einheiten an Überstunden angesammelt
hatte und sich diese in Höhe von 66.000 Euro auszahlen ließ. Damit
verdiente Jost im vergangenen Jahr knapp 270.000 Euro brutto. Auch dem ehemaligen
FPÖ-Politiker und „Projektkoordinator“ Martin Strutz
genehmigte der Magistratsdirektor 370 Überstunden, obwohl Überstunden
laut einer Anordnung von Jost eigentlich nicht erwünscht seien und als
Zeitausgleich konsumiert werden sollten. Ausgenommen davon seien Mitarbeiter,
bei denen „eine Zeitausgleichkonsumation organisatorisch nicht
zielführend erscheint“.1 Seine
Recherchen führten dazu, dass der Neos-Oppositionspolitiker, Janos Juvan,
im Klagenfurter Gemeinderat die Abberufung Josts beantragte.2
Am 20.6.2023 wurden dem
Journalisten wegen Verdachts der Beteiligung an der Verletzung des
Amtsgeheimnisses gem. §§ 12 3. Fall, 14, 310 StGB von der Polizei auf
Anordnung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gem. §§ 109 Z 1 lit a,
110 Abs. 1 Z 1 und 2, Abs. 2 StPO sein Mobiltelefon und Laptop abgenommen. Der
Anordnung der Sicherstellung ist zu entnehmen, dass die Veröffentlichung
der Dokumente geeignet gewesen sei, ein öffentliches und berechtigtes
privates Interesse zu verletzen. Der Journalist stehe daher im Verdacht,
"durch die Veröffentlichung an der strafbaren Handlung" von zwei
beamteten Whistleblowern "beigetragen zu haben".3 Die Arbeit von
Journalist:innen erfährt in Österreich im Rahmen
der Pressefreiheit durch die entsprechende Verfassungsbestimmung des Art.
10 EMRK Schutz.
In einem ähnlich
gelagerten Fall ließ der damalige Bundesminister für Inneres,
Wolfgang Peschorn, das Vorgehen des Bundesamtes zur Korruptionsprävention
und Korruptionsbekämpfung (BAK) hinsichtlich der versuchten Sicherstellung
des Handys einer Journalistin von einer unabhängigen
Rechtsschutzkommission prüfen und auf Basis ihres Berichts Richtlinien
für grundrechtsintensive Ermittlungshandlungen erstellen.4
Der "Verein der
Chefredakteur:innen", der "Presseclub Concordia" und die internationale
Organisation "Reporter ohne Grenzen" kritisieren das Vorgehen der
Kärntner Staatsanwaltschaft gegen den Journalisten massiv und sehen darin
einen "Anschlag auf die Pressefreiheit".5 Der
Investigativjournalist und Vorstand bei Reporter ohne Grenzen, Michael
Nikbakhsh, monierte in einer Pressemitteilung das Vorgehen gegenüber
Miklautz und bewertete dies als einen "Dammbruch".
Der Präsident von
Reporter ohne Grenzen, Fritz Hausjell, konstatierte zudem darin, dass die Causa
förmlich nach einer umgehenden Einführung eines weitreichenden
Informationsfreiheitsgesetzes und damit endlich nach dem Ende des
Amtsgeheimnisses schreie. Österreich sei hier seit Jahren säumig.6 Gäbe es schon ein
von der Bundesregierung mehrfach angekündigtes Informationsfreiheitsgesetz,
dann wären die Ausgaben des Klagenfurter Magistratsdirektors
öffentlich einsehbar.
Obwohl das Verfahren gegen Franz Miklautz
mittlerweile am 22.06.2023 eingestellt wurde, bleiben viele Fragen hinsichtlich
der Vorgehensweise offen.
Quellen:
1https://www.mediapartizan.at/?p=5458
2https://www.5min.at/202302616491/neos-gemeinderat-juvan-werde-heute-die-abberufung-vom-magistratsdirektor-beantragen/
3https://www.derstandard.at/story/3000000175492/staatsanwaltschaft-ermittelt-nach-investigativer-recherche-gegen-kaerntner-journalisten
4https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191115_OTS0164/unabhaengige-rechtsschutzkommission-untersucht-vorgehen-des-bundesamtes-zur-korruptionspraevention-und-korruptionsbekaempfung-bak
sowie https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191216_OTS0140/die-rechtsschutzkommission-hat-ihren-bericht-zum-bundesamt-zur-korruptionspraevention-und-korruptionsbekaempfung-vorgelegt
5https://www.derstandard.at/story/3000000175605/heftige-kritik-an-ermittlungen-gegen-kaerntner-journalisten
6https://www.rog.at/pm/ein-durch-nichts-zu-rechtfertigender-uebler-anschlag-auf-die-pressefreiheit/
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Wurde das
Ermittlungsverfahren gegen Franz Miklautz von der Staatsanwaltschaft auf
Basis einer oder mehrerer bei ihr eingelangter Sachverhaltsdarstellungen
eingeleitet?
- Falls ja, wann langten
diese Sachverhaltsdarstellungen bei der Staatsanwaltschaft ein?
- Falls ja, welche
Ermittlungsschritte wurden wann aufgrund dieser Sachverhaltsdarstellungen
veranlasst?
- Wurde das
Ermittlungsverfahren gegen Franz Miklautz auf Basis eines polizeilichen
Ermittlungsverfahrens eingeleitet?
- Falls ja, wann langte
der Abschlussbericht bzw. vorläufige Abschlussbericht bei der
Staatsanwaltschaft ein?
- Falls ja, von welcher
polizeilichen bzw. sicherheitsbehördlichen Dienststelle wurde der
Abschlussbericht bzw. vorläufige Abschlussbericht erstellt?
- Welcher
auf Basis welcher Beweise angenommene Anfangsverdacht
führte wann zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens?
- Gibt es eine nachvollziehbare und (im Lichte
des Deliktsaufbaus des § 310 StGB und der Rechtsprechung des OGH)
rechtskonforme Begründung des Tatverdachtes gegen den Journalisten
Franz Milautz?
- Wenn ja, bitte um Erläuterung?
- Stützt sich die
Sicherstellungs-Anordnung vom 13.06.2023, 12 St 50/23y StA Klagenfurt, auf
eine vertretbare Rechtsansicht?
- Wenn nein, wurde oder wird gegen die
für diese Sicherstellungsanordnung verantwortlichen Personen bereits
ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts hinsichtlich § 302 Abs
1 StGB (Missbrauch der Amtsgewalt) und/oder ein Disziplinarverfahren
eingeleitet?
- Wenn ja, unter welcher AZ wird dieses
Verfahren geführt?
- Welche
Ermittlungsmaßnahmen wurden seit Einleitung des
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wann und durch wen gesetzt?
- Welche Personen wurden
wann einvernommen?
- Wo wurden wann
Sicherstellungen oder Hausdurchsuchungen durchgeführt?
- Wann haben Sie davon
erfahren (bitte um zeitliche Aufschlüsselung je nach
Ermittlungsschritt)?
- Wurde vonseiten der
Polizei Beweise an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt herangetragen?
- Falls ja, wann welche von welcher Einheit?
- Wurde die Sicherstellung des Laptops und des
Mobiltelefons des Journalisten Franz Miklautz von der Polizei angeregt?
- Falls ja, wann und von welcher Einheit?
- Falls nein, wurden Zwangsmaßnahmen,
wie eben die angeordnete Sicherstellung von Privatpersonen
angeregt?
- Falls je, von wem?
- Wer war wann in die Ausfertigung der
Anordnung zur Sicherstellung involviert?
- Wann wurde die Anordnung der Polizei
übermittelt und wann führte die Polizei durch welche Einheit die
Anordnung durch?
- Wann, durch wen und durch welche wann
gesetzten Maßnahmen wurde die Sicherstellung durchgeführt?
- Wann wurde der betroffene Journalist
über die Sicherstellung informiert?
- Wurde ihm eine Bestätigung der
Sicherstellung gem. § 111 Abs. 4 StPO ausgefolgt bzw. zugestellt?
- Wenn ja, wann genau und in welcher Form?
- Wann und durch wen wurden Sie über die
vorliegende Anordnung informiert?
- In der Sicherstellungsanordnung heißt
es, dass "die Offenbarung geeignet war, ein öffentliches und
berechtigtes privates Interesse zu verletzten (...)." Gab es einen
Austausch der Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit anderen
Staatsanwaltschaften, insb. der für die Fachaufsicht verantwortlichen
Oberstaatsanwaltschaft Graz oder anderen Personen aus dem BMJ zu der
Frage, ob diese Eignung vorliegt?
- Wenn ja, wann mit wem?
- In der Sicherstellungsanordnung wird
angeführt, dass der Investigativjournalist als Beitragstäter der
Verletzung des Amtsgeheimnisses verdächtigt wird. Welche
Indizien/Beweise lagen vor, dass die Staatsanwaltschaft Klagenfurt von
einem Beitrag iSd § 12 3. Fall StGB seitens des Journalisten
ging?
- Gab es einen Austausch der
Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit anderen Staatsanwaltschaften, insb. der
für die Fachaufsicht verantwortlichen Oberstaatsanwaltschaft Graz
oder anderen Personen aus dem BMJ zu der Frage, ob der
Investigativjournalist als Beitragstäter der Verletzung des
Amtsgeheimnisses verdächtigt wird?
- Wenn ja, wann mit wem?
- Inwiefern lag im vorliegenden Fall (im
Zusammenhang mit dem Umgehungsverbot gem. § 144 Abs. 2 und 3 StPO)
ein dringender Verdacht vor?
- Welche konkreten Kenntnisse von Tatsachen,
die auf den Beitrag zur Verletzung des Amtsgeheimnisses schließen
lassen, hatte die StA Klagenfurt?
- Gab es einen Austausch der
Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit anderen Staatsanwaltschaften, insb. der
für die Fachaufsicht verantwortlichen Oberstaatsanwaltschaft Granz
oder anderen Personen aus dem BMJ zu der Frage, ob ein dringender Verdacht
vorliegt?
- Wenn ja, wann mit wem?
- Gab es einen Austausch der
Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit anderen Staatsanwaltschaften, insb. der
für die Fachaufsicht verantwortlichen Oberstaatsanwaltschaft Graz,
oder anderen Personen aus dem BMJ zu der Frage, ob die Sicherstellung im
vorliegenden Fall mit dem Art. 10 EMRK vereinbar ist?
- Wenn ja, wann mit wem?
- Der Begründung der
Sicherstellungsanordnung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ist zu
entnehmen, dass die Anordnung zur Bedeutung der Sache nicht außer
Verhältnis, weil es gegenständlich um die Aufklärung eines
Vergehens mit einer Strafdrohung bis zu drei Jahre gehe. Inwiefern wurde
die Einhaltung des angemessenen Verhältnis iSd § 5 StPO zwischen
der Anordnung der Sicherstellung und dem mutmaßlichen Vergehen iSd
§ 17 Abs. 2 StGB sichergestellt?
- Inwiefern stellte die Sicherstellung das
gelindeste Mittel iSd § 5 Abs. 2 StPO dar?
- Gab es einen Austausch der
Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit anderen Staatsanwaltschaften, insb. der
für die Fachaufsicht verantwortlichen Oberstaatsanwaltschaft Graz
oder anderen Personen aus dem BMJ zu der Frage, ob die Anordnung zur
Bedeutung der Sache nicht außer Verhältnis stehe, weil es
gegenständlich um die Aufklärung eines Vergehens mit einer Strafdrohung
bis zu drei Jahre gehe?
- Wenn ja, wann mit wem?
- Handelt es sich hier um ein
berichtspflichtiges Verfahren?
- Wenn ja, wann erstattete die
Staatsanwaltschaft worüber wem Bericht?
- Wenn ja, was war wann die Reaktion der den
Bericht empfangenden Behörde?
- Wann erstattete die Staatsanwaltschaft
worüber wem einen Vorhabensbericht?
- Erstattete die Staatsanwaltschaft einen
Vorhabensbericht über die geplante Sicherstellung des Laptops und
Mobiltelefons?
- Wenn ja, was war wann die Reaktion der den
Bericht empfangenden Behörde?
- Wie verlief der Berichtsweg in der Folge?
- War die Sektion V im BMJ über dieses
Ermittlungsverfahren informiert?
- Wenn ja, seit wann worüber?
- Wenn ja, gab es vonseiten der Sektion
Berichtsaufträge, Weisungen etc.?
i. Wenn ja, wann mit welchem Inhalt?
- Gab es in den letzten 5 Jahren Fälle,
in denen ein Exekutivbehörde bei einer StA die Sicherstellung von
Kommunikationsmitteln einer/s Journalist:in anregte?
- Wenn ja, wann welche Exekutivbehörde
bei welcher StA bzgl. welcher/s Journalist:in?
- Wenn ja, wie wurde mit dieser Anregung
umgegangen?
- Welche weiteren Abwägungen wurden
seitens der Staatsanwaltschaft Klagenfurt hinsichtlich der
Verhältnismäßigkeit der Sicherstellungsanordnung
getroffen?
- Wurde die Oberstaatsanwaltschaft Graz
über die Sicherstellungsanordnung informiert?
- Falls nein, warum nicht?
- Falls ja, wann?
i. Was war wann deren Reaktion?
- Gab es Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft
Graz iZm diesem Verfahren?
- Wenn ja, wann mit welchem Inhalt?
- Wenn ja, wer genau war im Weisungsprozess
involviert?
- Gab es Dienstbesprechungen zu diesem
Verfahren?
- Wenn ja, wann?
- Wenn ja, wie viele?
- Wenn ja, wer war anwesend?
- Wenn ja, wurden diese Dienstbesprechungen
protokolliert?
- War in diesem Fall in irgendeiner Art und
Weise die Generalprokuratur involviert?
- Wurde in diesem Zusammenhang der Anschein
der Befangenheit der StA Klagenfurt geprüft?
- Sie haben angekündigt sich von der
Staatsanwaltschaft Klagenfurt über den Vorfall berichten zu lassen?
Ist dies schon erfolgt?
- Falls ja, welche Konsequenzen ziehen Sie
daraus?
- Falls ja, was war der Inhalt des Berichts
(um genaue Angaben wird gebeten)?
- Falls ja, hat die StA mündlich oder
schriftlich berichtet?
- Falls ja, wie lange hat es gedauert bis die
StA Ihnen berichtet hat?
- Falls nein, warum nicht?
i. Wann ist damit zu rechnen?
- Wie lange dauert es in der Regel, bis eine
Berichterstattung seitens der StA an Sie erfolgt?
- Falls es dazu keine Daten gibt: Wird dies
künftig erfasst?
- Haben Sie ansonsten Schritte zur
Aufklärung der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft eingeleitet?
- Falls nein, warum nicht?
- Falls ja, welche wann?
- Haben Sie eine Weisung an die
Staatsanwaltschaft Klagenfurt in Bezug auf den konkreten Fall erteilt?
- Falls ja, welche Weisungen wann mit welchem
Inhalt?
- Falls nein, warum nicht?
- Gibt es interne Richtlinien, aufgrund derer
eine nachvollziehbare Entscheidung für einen Eingriff mittels Weisung
getroffen werden kann?
- Wenn ja, welche?
- Wenn nein, werden solche ausgearbeitet?
- Welche Maßnahmen sind geplant, um
derartige Vorkommnisse in Zukunft hintanzuhalten?
- Warum wurde das Verfahren gegen den
Journalisten eingestellt (bitte um genaue Begründung)?
- Wann ist die Einstellung erfolgt?
- Durch wen ist die Einstellung erfolgt?
- Auf wessen Zutun ist sie erfolgt?
- Inwiefern waren Sie involviert?
- Wurde die
Einstellungsbegründung nach § 35a StAG veröffentlicht?
- Wenn ja, wann inwiefern?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wann ist die Aufhebung
der Sicherstellung gemäß § 113 Abs. 1 Z. 2 StPO erfolgt?
- Wann und wie wurden die sichergestellten
Gegenstände dem Journalisten Franz Miklautz ausgefolgt?
- Wurden im Zusammenhang mit der
Sicherstellungsanordnung vom 13.06.2023 bzw. dem zugrunde liegenden
Ermittlungsverfahren Amtshaftungsansprüche geltend gemacht?
- Wenn ja, in welcher Höhe?
- Wenn ja, wurden diese anerkannt?
i. Wenn nein, warum nicht?
- Konnten von Seiten des BMJ Kontakte abseits
des Amtswegs zwischen Vertretern des StA Klagenfurt und Amtsträgern
der Stadt Klagenfurt iZm diesem Fall festgestellt werden?
- Ist es richtig, dass bereits im Mai 2010 in
der sog. Zulagenaffäre gegen Peter Jost ermittelt wurde?
- Wenn ja, wie verlief dieses Verfahren
(bitte um detaillierte chronologische Beschreibung)?
- Wenn ja, welchen Ausgang hatte dieses
Verfahren wann?
- Falls es zur Einstellung kam: Wurde die
Einstellungsbegründung nach § 35a StAG veröffentlicht?
i. Wenn ja, wann inwiefern?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Werden Sie diesen Fall zum Anlass für
eine Reform des staatsanwaltschaftlichen Berichtswesens nehmen?
- Inwiefern werden die Erkenntnisse aus diesem
Fall in die Reform des Weisungsrechtes Eingang finden?