15461/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.07.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Katharina Kucharowits, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Grundrechtseingriffe durch CSAM-VO

Am 11. Mai 2022 präsentierte die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (im folgenden kurz „CSAM-VO“ genannt). Neben vielen sinnvollen Maßnahmen für Kinderschutz sieht der Vorschlag aber auch weitgehende Eingriffe in das Grundrecht auf Privatsphäre vor: Private Anbieter von Messenger Diensten sollen dazu verpflichtet werden, die Chats ihrer Nutzer:innen anlasslos nach Missbrauchsdarstellungen zu durchsuchen. Grundrechts- und Datenschutzorganisationen sehen darin eine defacto Abschaffung der Ende zu Ende Verschlüsselung und warnen eindringlich vor dem Entwurf.[1] In den letzten Wochen wurden auch Berichte des Juristischen Dienst des Rates[2] und des wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlamentes[3] bekannt, die den Entwurf stark kritisierten und unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe orteten. Da die für die Chat-Durchsuchung vorgesehene Erkennungstechnologie eine hohe Fehlerquote aufweise, warnten zuletzt auch Kinderschutzorganisationen vor einer unverschuldeten Kriminalisierung.[4] Auch die Justizminister*innen aus Österreich, Deutschland, Schweiz, Lichtenstein und Luxemburg warnten zuletzt in einem offenen Brief vor dem Entwurf.[5]

Österreich hat sich als einer der ersten Mitgliedsstaaten bereits vor Monaten mit einem Vier-Parteien-Antrag klar positioniert. Der ständige Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union forderte in seinem Antrag auf Stellungnahme[6] gemäß Artikel 23e BVG, die zuständigen Bundesminister:innen dazu auf, der Verordnung nicht zuzustimmen, solange keine grundrechtskonforme Ausgestaltung sichergestellt ist. Gleichzeitig wird mehr Einsatz für einen Ausbau des Kinderschutzes sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene gefordert.

Seit Beschluss der Stellungnahme am 3.11.2022 hat sich der Europäische Rat bzw. seine Arbeitsgruppen intensiv mit der Verordnung auseinandergesetzt. Trotz massiver Kritik will eine Gruppe von Mitgliedstaaten rund um Irland den jetzigen Entwurf ohne Änderungen durchsetzen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, die daraus resultierende Aushöhlung wichtiger Grundrechte auf europäischer Ebene zu verhindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       Wurden zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung von Kindesmissbrauch[7] von Ihrer Seite Stellungnahmen in ihrem Ressort oder bei Kinderschutz- bzw. Datenschutzorganisationen eingeholt?

a.       Falls ja: Was ist der Inhalt der Stellungnahme(n) und wo sind diese einsehbar? Inwiefern sind diese Stellungnahme(n) in die Positionierung Österreichs auf europäischer Ebene eingeflossen?

b.       Falls nein: Warum nicht?

2.       Die EU-Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung (Polizei) setzte sich in ihren Sitzungen am 19.10.2022, 03.11.22, 24.11.22, 23.01.23, 27.02.23, 29.03.23, 13.04.23, 27.04.23, 28.04.23, 12.05.23, 25.05.23, 26.05.23 und 02.06.23 intensiv mit der geplanten CSAM-VO auseinander.[8]

a.       Wie wurden die entsandten Vertreter*innen auf die jeweiligen Sitzungen vorbereitet?

b.       Wurden andere Ministerien, Datenschutz- oder- Kinderschutzorganisationen in die Vorbereitungen der jeweiligen Sitzungen eingebunden?

i.      Falls ja: Welche Ministerien bzw. Organisationen? In welchem Rahmen erfolgte die Einbindung?

ii.    Falls nein: Warum nicht?

3.       Wie stellt sich der weitere Zeitplan in Bezug auf die CSAM-VO im Rat bzw. in der Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung dar?

a.       Bei welchen geplanten Sitzungsterminen steht die CSAM-VO auf der Tagesordnung?

b.       Wurde im Rat bzw. in der Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung ein Zeitpunkt bestimmt, bis zu dem ein Abschluss der Verhandlungen angepeilt wird?

4.       Infolge der Sitzung der EU-Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung am 24.02.2023 brachten 15 Mitgliedstatten schriftliche Stellungnahmen zu den Artikeln 1-39 der geplanten CSAM-VO ein.[9] Wieso brachte Österreich keine entsprechende Stellungnahme ein?

5.       Der juristische Dienst des EU-Rates (JDR) ortete in seinem Gutachten[10] zum Entwurf der CSAM-VO unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe. Können Sie ausschließen, einem Verordnungsentwurf im Rat der europäischen Union zuzustimmen, bevor sämtliche grundrechtliche Bedenken des JDR ausgeräumt worden sind?

6.       Zur Stärkung ihrer Verhandlungsposition haben sich hinter Irland neun weitere Mitgliedstaaten zu einer Gruppe von „Like-minded-States“ zusammengeschlossen, die den jetzigen Verordnungsentwurf gegen sämtliche Bedenken durchsetzen möchten. Gibt es Ihrerseits Bestrebungen, eine Gruppe mit jenen Staaten zu bilden, die die grund- und datenschutzrechtlichen Bedenken Österreichs teilen?

a.       Falls ja: An welche Mitgliedstaaten sind Sie diesbezüglich herangetreten und welche Mitgliedstaaten haben bereits Unterstützung signalisiert?

b.       Falls nein: Warum nicht? Welche Strategien verfolgen Sie, um die zehn „like-minded-States“ von Ihrer Position zu überzeugen?

7.       Dem Bericht[11] über die Sitzung der EU-Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung am 12.05.2023 ist die Klarstellung Deutschlands zu entnehmen, dass der offene Brief der deutschsprachigen Justitzminister*innen[12] zur CSAM-VO nicht die offizielle Position der deutschen Bundesregierung wiedergebe. Stellt der Inhalt des Briefes die offizielle Position der österreichischen Bundesregierung dar?

a.       Falls nein: Worin unterscheidet sich die offizielle Position der Bundesregierung vom Inhalt des offenen Briefes?

8.       Den dem Nationalrat übermittelten Berichten[13] über Sitzungen der EU-Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung (Polizei) ist zu entnehmen, dass Österreich in den Diskussionen zum Entwurf der CSAM-VO wiederholt allgemeine Bedenken in Bezug auf Grund- und Freiheitsrechte zum Ausdruck gebracht hat. Welche konkreten Änderungsvorschläge wurden von österreichischer Seite in die Verhandlungen eingebracht, um die geäußerten Bedenken auszuräumen?

9.       Der ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der europäischen Union des Hauptausschusses, verabschiedete am 3.11.2022 eine Stellungnahme gemäß Artikel 23e BVG, in der Sie bindend aufgefordert werden, sich für den Ausbau und die EU-weite Harmonisierung von geeigneten Maßnahmen für Kinderschutz einzusetzen.

a.       Welche Initiativen haben Sie gesetzt, um dieser Aufforderung nachzukommen?

b.       Welche Ergebnisse liegen bis heute vor?



[1] https://www.derstandard.at/story/2000146389035/deutschsprachige-justizminister-warnen-geeint-vor-chatkontrolle-der-eu

[2] https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2023/05/2023-04-26_Council_Legal-Service_CSAR_8787.pdf

[3] https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2023/04/2023-04-05_EPRS_CSAM_Complementary-Impact-Assessment_DRAFT.pdf

[4] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230323_OTS0134/digitaler-kinderschutz-muss-kinderrechte-wahren

[5] https://www.derstandard.at/story/2000146389035/deutschsprachige-justizminister-warnen-geeint-vor-chatkontrolle-der-eu

[6] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/SEU/8/imfname_1480263.pdf

[7] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52022PC0209

[8] Kann den dem Parlament übermittelten Berichten entnommen werden: 9496/EUBTG, 9630/EUBTG, 9924/EUBTG, 10383/EUBTG, 10790/EUBTG, 11196/EUBTG, 11290/EUBTG, 11597/EUBTG, 11753/EUBTG, 11835/EUBTG

[9] https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7354-2023-INIT/en/pdf

[10] https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2023/05/2023-04-26_Council_Legal-Service_CSAR_8787.pdf

[11] 11597/EUBTG

[12] https://www.derstandard.at/story/2000146389035/deutschsprachige-justizminister-warnen-geeint-vor-chatkontrolle-der-eu

[13] Siehe Fußnote 8