15564/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.07.2023
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend ID Austria-Zwang in NEBA-Projekten des Sozialministeriumservice

 

 

In Ihrer Anfragebeantwortung 13757/AB erklärten Sie:

 

Es gibt verschiedene Lebenssachverhalte, die der Nutzung digitaler Services entgegenstehen. Daher wird darauf geachtet, dass auch alternative Wege wie persönliche Termine, telefonische Auskünfte oder Briefverkehr weiterhin zur Verfügung stehen und es daher zu keiner Diskriminierung der betroffenen Personengruppen kommt.

 

Wie der Blog „TKP“ am 1. Juli berichtete, kommt es jedoch gerade in der Sozialwirtschaft zunehmend durch die verpflichtende Nutzung von ID Austria am Arbeitsplatz zu Diskriminierung. Vor allem in vom Sozialministeriumservice geförderten Projekten. Der Bericht im Wortlaut:[1]

 

Arbeiten im Sozialbereich: Ohne ID Austria bald nicht mehr möglich?

 

In vielen Bereichen der Sozialwirtschaft müssen Mitarbeiter auf die ID Austria umsteigen und sich biometrisch authentifizieren, um klientenbezogene Datenbanken befüllen zu können. Ein Beispiel aus der Wirklichkeit.

 

Die digitale Identitätswelle beginnt die Arbeitswelt zu erfassen. Insbesondere im Sozialbereich, welcher seinen Fortbestand durch staatsnahe Fördergeber sichern kann, werden Mitarbeiter dazu angehalten den Umstieg von der Handysignatur auf die ID Austria zu vollziehen. Bei Ablehnung droht der Jobverlust.

Fallbeispiel: NEBA-Projekte des Sozialministeriumservice

So etwa in vom Sozialministeriumservice geförderten arbeitsmarktpolitischen Projekten, die von vielen gemeinnützigen Unternehmen getragen werden. In diesen sogenannten NEBA-Projekten (Netzwerk berufliche Assistenz), darunter fallen beispielweise „AusbildungsFIT“, Jugendarbeitsassistenz, Arbeitsassistenz, Jobcoaching, soll bezahlte Arbeit am regulären Arbeitsmarkt sichergestellt oder erhalten werden. Menschen mit Behinderung und Jugendliche mit schwierigen Startbedingungen und Unternehmen können diese Angebote nutzen. Teilnehmer an diesen Angeboten benötigen professionelle Begleitung im Rahmen ihrer Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration.

 

Vor diesem Hintergrund entstand ein Modell der EDV-Dokumentation. Hierfür stehen zwei Datenbanken zur Verfügung: das Monitoring Berufliche Integration (MBI) ist für die Eingabe personenbezogener Daten von Klienten vorgesehen.
Im nicht-personenbezogenen Wirkungs- und Aktivitätsmonitoring der Beruflichen Assistenzen (WABA) findet eine anonymisierte und umfassendere Datenerhebung statt. Der Einstieg zu diesen Datenbanken erfolgt über das Unternehmensserviceportal mittels Handysignatur. Für die Handysignatur müssen Mitarbeiter Privatmittel für berufliche Zwecke einbringen. Die Arbeitgeber stellen keine Unternehmensaccounts zur Verfügung, sondern halten ihre Mitarbeiter dazu an, ihre privaten personenbezogenen Daten zur Registrierung herzugeben.

 

Nun soll die Handysignatur durch die ID Austria ersetzt werden. Die einzelnen NEBA-Projekte erhalten biometrisch signaturfähige Smartphones (Fingerscans/Gesichtsscans) und bewegen ihre Mitarbeiter dazu den Einstieg in die Datenbanken mittels privater biometrischer Scans vorzunehmen. Wer sich weigert, kann die Arbeitsanforderungen nicht zur Gänze erfüllen und ist somit mit Jobverlust konfrontiert.

 

Noch ist der Zugang per Handysignatur möglich, wird aber demnächst automatisch auf die ID Austria umgestellt. Was danach mit den ID Austria-Verweigerern passiert, kann gegenwärtig  noch nicht gesagt werden. Es würde aber nicht überraschen wenn einzelne Projektträger ähnlich Druck aufbauen, wie bei den Corona-Tests, Impfungen und FFP2-Masken, diesmal wohl mit de-facto-Kündigungen, da man keinen Zugang mehr zu den Projektdatenbanken hat und sich als Humankapital für Betriebe entwertet.

 

Gewerkschaften: Kritik an der Handysignatur, Schweigen zur ID Austria?

Ab dem 01. Jänner 2016 mussten die Projektdaten für die Fördergeber mittels Handysignatur in das Monitoring-System des Sozialministeriumservice eingegeben werden. Zahlreiche Mitarbeiter wollten es nicht widerstandslos hinnehmen, dass sie nun ihre privaten Daten für berufliche Zwecke einsetzen sollten.


Die Gewerkschaft der Angestellten (GPA) schlug damals kritische Töne gegenüber der Handysignatur an:

„Die GPA-djp riet vorerst zur Zurückhaltung beim Besorgen von Handysignaturen/Bürgerkarten und vertrat die Meinung, dass ein solches Ansinnen unrechtmäßig sei, weil das Einbringen von Privatmitteln für berufliche Zwecke kein Zwang sein könne.“

 

Trotzdem wurde die Handysignatur eingeführt und gilt seitdem im NEBA-Bereich als Einstellungsvoraussetzung.

 

Bezüglich der ID Austria findet ein kritischer gewerkschaftlicher Diskurs (noch) nicht statt. Es wird – wie es scheint – still und an der Öffentlichkeit vorbei umgestellt und von der Gewerkschaft wie die Corona-Konterrevolution gefügig hingenommen.

 

Dabei äußerte der Geschäftsführer des Datenschutzvereins epicenter.works, Thomas Lohninger, Bedenken betreffend Datenschutz und Privatsphäre:

„Ich hab da schon wirklich Angst vor Überidentifizierung. Etwa, dass man Dienste, die man heute noch anonym oder pseudonym in Anspruch nehmen kann, bald nur noch unter Bekanntgabe der staatlich beglaubigten Identität wird nutzen können. Etwa auch das Posten in einem Onlineforum.“

 

In diesem Zusammenhang stellt die unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Welche Alternativen stehen Mitarbeitern der NEBA-Projekte des Sozialministeriumservice zur ID Austria zur Verfügung?

2.    Wenn keine Alternativen zur ID Austria zur Verfügung stehen, warum nicht?

3.    Welche Maßnahmen setzt Ihr Ministerium gegen die Diskriminierung durch die Verpflichtung zur ID-Austria-Nutzung durch Mitarbeiter der NEBA-Projekte?

4.    Wie viele Menschen arbeiten in den NEBA-Projekten und sind vom ID-Austria-Zwang bzw. dem Zwang zur Handy-Signatur betroffen?

5.    Was entgegnen Sie der Kritik der Gewerkschaft, dass das Einbringen von Privatmitteln für berufliche Zwecke kein Zwang sein könne, dies aber in NEBA-Projekten der Fall sein soll?

6.    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der ID-Austria-Zwang in NEBA-Projekten beendet wird?

a.    Wenn ja, wann und wie?

b.    Wenn nein, warum nicht?

7.    Wie werden Sie einem ID-Austria-Zwang im gesamten Sozialbereich entgegenwirken?



[1] https://tkp.at/2023/07/01/arbeiten-im-sozialbereich-ohne-id-austria-bald-nicht-mehr-moeglich/