15676/J XXVII. GP

Eingelangt am 06.07.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

an den Vizekanzler und Bundesminister für Kunst‚ Kultur‚ öffentlichen Dienst und Sport

betreffend Wahlkampf Erdogans in Österreich

 

Am 14. Mai wählt die Türkei ein neues Parlament. Das tangiert Österreich insofern, als hierzulande 100.000 Einwohner:innen bei türkischen Wahlen wahlberechtigt sind. Etwa die Hälfte von ihnen gab 2018 bei den letzten türkischen Parlamentswahlen ihre Stimme ab, davon knapp 72% für Erdogans Partei, die AKP.1  Bei den diesjährigen Wahlen wurde es knapp für Erdogan. Die düstere wirtschaftliche Lage und das verheerende Erdbeben, auf das die Türkei nur schlecht vorbereitet war, sorgten für eine günstige Ausgangslage für die Oppositionsparteien.2 Die Stimmen der türkischen Staatsbürger:innen im Ausland waren also umso wichtiger für Erdogan, der die Geschicke der Türkei seit 2004 leitet. Die AKP gab das auch ganz offen zu: Das erklärte Ziel der Regierungspartei war es, die Wahlbeteiligung in Österreich auf 65% zu heben. Neben Wahlkampfleiter Mahmut Koc und AKP-Politikern wie Muhammed Fatih Toprak waren für diesen Zweck 500 Wahlkampfhelfer:innen im Einsatz.3 Kurioserweise ist Auslandswahlkampf allerdings sogar nach türkischem Recht verboten. 2008 wurden unter Erdogan ein Gesetz beschlossen, das "jede Art von Propaganda im Ausland, an Auslandsvertretungen und Zolltoren" verbietet. Die Klausel wurde hinzugefügt, um Deutschland zu besänftigen, die türkischem Wahlkampf im eigenen Land seit jeher kritisch gegenüberstehen.4

Wirksam war dieses Wahlverbot im Ausland allerdings nie: Türkischer Wahlkampf in Österreich hat Geschichte. 2014 durfte Erdogan noch vor 13.000 Türk:innen in Wien sprechen5. 2018 wollte er für seine Verfassungsreform werben, blitzte aber bei Kurz ab - wegen einer Versammlungsgesetz-Novelle im Jahr 2017 wurde es einfacher, Wahlkampfveranstaltungen für ausländische Wahlen zu unterbinden6. Große Wahlveranstaltungen ausländischer Politiker sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Die meiste Überzeugungsarbeit findet im kleineren Rahmen statt - in Moscheegemeinden, bei religiösen und privaten Feiern und im öffentlichen Raum. So verwundert es, dass Alexander Schallenberg bei einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zwar deutliche Wort fand, dass Österreich "keinen Import innertürkischer Auseinandersetzungen und Konflikte nach Österreich akzeptiert und allen Versuchen einer Instrumentalisierung der türkischsprachigen Community hierzulande entschieden entgegentritt", anschließend aber geflissentlich ignorierte, dass Çavuşoğlu beim Iftar-Fastenbrechen der "Union Internationaler Demokraten" (einer AKP-Lobbyorganisation), zu den ca. 1.000 Gästen sprach und Erdogan selbst per Telefon zu Wort kommen ließ.7 

 

1 https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5453536/Wahlen-in-der-Tuerkei_Tuerken-in-Oesterreich-bestaetigen-Sultan

2 https://web.de/magazine/politik/tuerkei-experte-erklaert-erdogan-wahl-verlieren-38002214

3 https://www.dervirgul.com/viyana/avusturyada-oy-kullanma-oranini-yuzde-65e-yukseltecegiz/36076/?fbclid=PAAaamT950TyFD6lHYkN-SG84W_0JoBOj7TV8EX6Ld-wvtq7xIhm4YvIDFSwM

4 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220629_OTS0046/herr-praesident-sobotka-bitte-nicht-pochen-sondern-die-tuerkische-wahlpropaganda-in-oesterreich-verbieten

5 https://www.derstandard.at/story/2000002163301/erdogans-polarisierender-wiener-wahlkampf

6 https://www.vienna.at/erdogan-auf-wahlkampf-im-ausland-derzeit-keine-veranstaltungen-in-oesterreich/5763356

7 https://mena-studies.org/de/erdogan-wahlkampf-in-deutschland-und-oesterreich-klare-kante-und-wiener-geschmeidigkeit/

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Die ATIB-Union, der von der Dokumentationsstelle Politischer Islam der Bundesregierung im Grundlagenbericht enge Verbindungen zur staatlichen Religionsbehörde der Türkei und zur Erdogan-Partei AKP attestiert werden, erhielt laut den Förderdaten des NPO-Fonds zwischen 2020 und 2022 214.545,41 Euro an Corona-Förderungen. Gab es vonseiten des BMKÖS Prüfungen, für was genau dieses Geld verwendet wurde, und kann ausgeschlossen werden, dass dieses Geld für den AKP-Wahlkampf in Österreich ausgegeben wurde bzw. wird?