1569/J XXVII. GP
Eingelangt am 20.04.2020
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Max Lercher, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Gefährliche Schutzmaskenlieferungen aus China
Vor rund zwei Wochen lobten sich
Bundeskanzler Kurz und Verteidigungsministerin Tanner noch überschwenglich
für ihre „Masken-Diplomatie", die zur Lieferung von 130 Tonnen
Schutzausrüstung aus China nach Österreich geführt habe. Zwei
Austrian-Flugzeuge transportierten das Material am 21. März von Xiamen
nach Wien, wo es von der Bundesregierung medienwirksam empfangen wurde. Bestimmt
war die Schutzausrüstung für Tirol und Südtirol. Während
Kanzler Kurz davon sprach, dass die Lieferung für Tirol gedacht sei und
ein kleiner Teil nach Südtirol ginge, verkündete dies der
Südtiroler Landeshauptmann genau umgekehrt: Südtirol erhalte die
Lieferung und gebe Tirol als Dank für die logistische Hilfe etwas ab.
Dies ist jedoch insofern egal, als
dass die gelieferten Schutzmasken ohnehin nicht einmal die geringsten
Qualitätsstandards erfüllen, die entsprechenden Zertifikate offenbar
gefälscht waren und die Verwendung dieser Masken daher ein erhebliches
Gesundheitsrisiko für das medizinische
Personal darstellt. Von Kanzler und Verteidigungsministerin war dazu leider
bislang nichts zu hören. Wirtschaftsministerin Schramböck durfte auf
Nachfrage bei einer Pressekonferenz die schlechte Nachricht verkünden.
Erste Zweifel an der Qualität der Masken äußerte bereits das Rote Kreuz bei der Übernahme der Masken am Flughafen Schwechat. Mehrere Gutachten belegen dies mittlerweile. In diesen Gutachten wird dringend davon abgeraten, die Masken zu verwenden.
Bereits anhand der
Entstehungsgeschichte wären Zweifel angebracht gewesen. So geht die
Lieferung offenbar auf die Privatinitiative des Südtiroler Unternehmers
Heiner Oberrauch. Dieser sagte in
einem Interview, das am 6. April erschien[1]:
„Sie haben geholfen und Millionen Schutzmasken aus China nach Europa gebracht. Wie lief das ab?
Am 10. oder 12. März habe ich einen Anruf des Landeshauptmanns bekommen, der uns um Hilfe bat. Wir haben sofort unsere eigenen Musterbetriebe in Italien umgestellt und aus den Gore Tex-Materialien, die wir auf Lager hatten, Schutzanzüge gefertigt. Das waren einige 100 Stück, außerdem in einer ersten Tranche etwa 50.000 waschbare Schutzmasken. Also sehr kleine Mengen. Gleichzeitig haben wir aber unseren Lizenzpartner in China mobilisiert, uns bei der Beschaffung von Schutzmasken zu unterstützen.
Sie wussten, der würde helfen?
Ja, denn der hatte uns zuvor von sich aus schon einige Kartons mit Masken geschickt, da er von der Versorgungslage bei uns erfahren hatte. Mit einem sehr herzlichen Brief. Ich muss sagen, von unseren chinesischen Geschäftspartnern haben wir in den vergangenen Wochen wirklich noch eine ganz andere Seite kennengelernt und ein hohes Maß an Solidarität
erfahren. Wir haben also Muster an den Südtiroler Sanitätsbetrieb geschickt und die Produktion der ersten 1,5 Millionen Masken und 430.000 Schutzanzüge beauftragt.
Von wem finanziert?
Wir haben die Aktion vorfinanziert. Auf Grundlage einer Mail, mit der das Land Südtirol die Ware bei uns bestellt hat, haben wir 50 Mio. Euro auf Treu und Glauben an die Chinesen überwiesen. Ich war dann schon sehr froh, als die erste Ware aufs Flugzeug ging."
Der Gegenwert der Bestellung belaufe sich auf mehrere Millionen Euro, die Oberrauch vorfinanziert habe.
Auffällig ist, dass zeitgleich auch das Land
Tirol Schutzmasken aus China bestellt hat. Dies offenbar ebenfalls auf
Vermittlung eines Tiroler Unternehmers, der gleichzeitig sowohl Kliniken in
Tiroler Schigebieten betreibt, als auch im Krisenstab des Landes Tirol
mitwirkt. Als Mitglied der „Tiroler Adler - Runde" ist Alois Schranz
außerdem als Intimus von Bundeskanzler Kurz bekannt. Die Adler-Runde hat
für Kurz' Wahlkampf 2017 immerhin 1,1 Mio. Euro springen lassen. Kurz traf
noch Ende Februar
mit Schranz in Tirol zusammen, wie dieses Bild zeigt, auf dem Alois Schranz
direkt neben dem Kanzler steht:
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Schranz selbst gab gegenüber
an, die Lieferung von Schutzausrüstung im Wert von zwei Millionen
Euro für das Land Tirol selbst über einen chinesischen
Geschäftspartner eingefädelt zu haben.[2]
Unklar ist, ob die so gelieferten Masken ebenfalls Qualitätsprobleme aufweisen. Klar ist nur, dass auch in Tirol defekte Masken aus der Südtiroler Bestellung angelangt sind:
Die
"Luftbrücke" dient laut Kompatscher nun auch dazu, dass das
Bundesland Tirol seine
Lieferung erhalte. In der Zwischenzeit habe nämlich auch Tirol einen
Auftrag in China erteilt. "Nachdem Tirol einen Teil seiner Masken erst
später erhalten wird, wird Südtirol inzwischen
auch Tirol mit Masken aushelfen, die Südtirol inzwischen bereits
erlangt", so der Landeshauptmann in einer Aussendung. "Das ist ein
super Beispiel für die Zusammenarbeit in
der Europaregion, insbesondere aber auch auf grenzüberschreitender
Ebene", meinte Kompatscher, der betonte, dass das Schutzmaterial auch an
andere Regionen Italiens verteilt werden könne, die das Material dringend
brauchen.[3]
Nach Recherchen des Radiosenders Ö1[4] handelt es dabei um 100.000 Stück angeblicher FFP2- Masken, die jedoch nur äußerst mangelhaften Schutz bieten.
Wie das Nachrichtenmagazin profil am 8.4. berichtete[5],
könnte die Gefährdung für Österreich jedoch noch weitaus
größer sein: demnach hätte das Rote Kreuz im Auftrag der
Republik vom selben chinesischen Hersteller 20 Millionen Masken bestellt. Diese
hätten zwar andere Chargen – die
Vermutung liegt jedoch nahe, dass auch bei diesen weiteren Masken
Qualitätsmängel bestehen, die
sie unter Umständen gefährlich machen, wenn auf ihre Schutzfunktion
vertraut wird, obwohl diese tatsächlich nicht gegeben ist. Besonders
auffällig ist, dass es sich bei diesen 20 Mio. Masken um jene handelt, die
der Südtiroler Unternehmer Oberrauch zunächst von ihm selbst
vorfinanziert wurden.
Das mit der Prüfung der ersten Lieferung chinesischer Masken beauftragte Amt für Rüstung und Wehrtechnik kam zu folgendem, desaströsen Befund:


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Wie viel Schutzmasken hat Österreich von welchen Lieferanten wann bestellt?
2. Wie viele der gefährlichen Masken aus China wurden an wen verstellt?
a. Wie viele davon gingen nach Südtirol?
b. Wie viele davon gingen nach Tirol?
c. Wohin ging der Rest?
3. Für wann sind weitere Lieferungen der defekten Masken geplant?
4. Wer hat die Masken hergestellt?
5. Wer hat die Masken bestellt?
6. In wessen Auftrag wurden 20 Mio. FFP2-Masken auf wessen Rechnung bei welchem chinesischen Unternehmen bestellt?
7. Handelt
es sich dabei tatsächlich (zum Teil) um jene Masken, die vom
Südtiroler Unternehmer
Oberrauner vermittelt wurden?
8. Um welchen Preis wurden die Masken erworben?
9. Wie viele dieser Masken wurden an welche Einrichtungen verteilt?
10. Wie viele Masken mussten nach bereits erfolgter Verteilung zurückgerufen werden?
11. Wie
viele Personen waren auf Grund der fehlerhaften Masken einem Gesundheitsrisiko
ausgesetzt?
12. Wo befinden sich die beanstandeten Masken aktuell?
13. Wann wurden Ihnen die Mängel an den Masken erstmals berichtet?
14. Wann
wurden Ihrerseits Maßnahmen nach dem Medizinproduktgesetz oder anderen
Bundesgesetzen gesetzt, um ein Inverkehrbringen dieser gefährlichen Masken
zu verhindern?
15. Haben
Sie Ermittlungen nach dem Medizinproduktgesetz eingeleitet, das das
Inverkehrbringen
nicht zertifizierter Masken unter Strafe stellt?
16. Haben
Sie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs oder (fahrlässiger
Gemeingefährdung oder auf Grund eines anderen Straftatbestandes erstattet?
17.
Haben Sie jemals von den zuständigen Tiroler Behörden,
insbesondere dem Tiroler
Landeshauptmann bzw. Gesundheitslandesrat, einen Bericht in dieser Sache
angefordert?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?
18. Haben Sie jemals von den Tiroler Behörden, insbesondere dem Tiroler Landeshauptmann bzw. Gesundheitslandesrat, einen Bericht in dieser Sache erhalten?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?
19. Wie
ist Ihr Informationsstand in Hinblick auf die weitere Bestellung des Landes
Tirol bei
chinesischen Produzenten? Ist diese neuerliche Lieferung bereits eingetroffen?
20. Bestehen bei der neuen Lieferung die selben Qualitätsprobleme?
21. Wer hat diese Lieferung bei welchem Unternehmen bestellt?
22. Wurden
Sie jemals über das Zustandekommen der Bestellung über
Geschäftsverbindungen von
Herrn Schranz nach China informiert?
23. Entspricht diese Vorgangsweise den üblichen Verfahren insbesondere in Hinblick auf die Qualitätskontrolle medizinischer Produkte?
24. Wurde
Ihr Ressort in die Abwicklung der Lieferungen sowohl für Südtirol als
auch Tirol
eingebunden?
25. Hat
der Bundeskanzler oder dessen Bedienstete jemals zu Gunsten der genannten
Lieferungen
bei Ihnen oder Ihrem Ressort interveniert?
26. Hat
der Bundeskanzler oder die Tiroler Behörden jemals bei Ihrem Ressort
angefragt, ob
Erfahrungen mit der Lieferung von medizinischem Schutzmaterial durch die
besagten
chinesischen Unternehmen bestehen?
27. Hatten Sie oder Ihr Ressort im Zusammenhang mit den Lieferungen Kontakt zu Alois Schranz oder Heiner Oberrauch?
[1]https://www.textilwirtschaft.de/business/sports/-oberalp-chef-heiner-oberrauch-im-tw-interview-wer-
reichtum-hat-muss-besonders-helfen-224983
[2]https://www.derstandard.at/story/2000116501980/adler-mit-einfluss-wie-eng-tirols-unternehmer-mit-der-
politik
[3] https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5789313/CoronaVirus_Italien-bekommt-per-AUAFIug- Schutzmaterial-aus-China
[4]Vgl. Morgenjournal, 8.4.2020
[5] https://www.profil.at/wirtschaft/corona-krise-mangelhafte-schutzmasken-oesterreich-11437453