15727/J XXVII. GP
Eingelangt am 07.07.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Michael Seemayer,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung
betreffend Lehrkräfteoffensive zum Nachteil von Berufsschulen
Der Lehrkräftemangel zählt zu den größten Herausforderungen unseres Bildungssystems. Während Bildungsminister Polaschek die Situation vor einem Jahr noch als „Hysterie der Medien“ qualifizierte[1], erkannte er wenige Wochen später doch noch den Ernst der Lage: Im Oktober 2022 präsentierte er die Ressortstrategie für eine Lehrkräfteoffensive „Klasse Job“[2]. Durch PR-Arbeit und Aufbesserungen im Dienstrecht sollte der Lehrer:innen – Beruf attraktiver werden. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen wurde aber auf eine große Gruppe an Lehrkräften vergessen: Die Berufsschullehrer:innen.
Mit der Dienstrechtsnovelle 2022[3] wurde etwa die Regelung geschaffen, dass neue Lehrkräfte während der verpflichtenden Einführungswoche(n) 6,25% ihres Einstiegsgehaltes erhalten. Eine Maßnahme, die die Realität an Berufsschulen völlig außer Acht lässt: Berufsschullehrer:innen waren immer schon Quereinsteiger:innen. Da sie in der Regel einen gut bezahlten Vollzeit-Job aufgeben, war es üblich, dass sie auch während der Einführungswochen bereits die volle Entlohnung erhalten. Die Neuregelung mag zwar an mittleren und höheren Schulen zu einer gewissen Attraktivierung führen, an Berufsschulen führt sie allerdings zum genauen Gegenteil. Wer den Fachkräftemangel ernsthaft bekämpfen will, muss an den Berufsschulen damit anfangen.
Vor wenigen Tagen wandten sich Personalvertreter:innen in einem offenen Brief[4] an Sie und legten mehrere Benachteiligungen von Lehrkräften an Berufsschulen offen. Im Mittelpunkt stand der Apell, die Arbeitsrealität an Berufsschulen bei der Umsetzung von Maßnahmen nicht weiter zu ignorieren und zukünftige Gesetzesänderungen im Vorhinein mit Vertreter:innen von Berufsschulen abzustimmen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Am 27.06.2023 appellierten Personalvertreter:innnen von Berufsschulen in einem offenen Brief[5] an Sie, die Arbeitsrealität von Berufsschullehrer:innen nicht weiter zu ignorieren.
a. Haben Sie seit Zustellung des Briefes Kontakt mit Personalvertreter:innen aufgenommen, um an Lösungen für die geschilderten Problemlagen zu arbeiten?
b. Welche Maßnahmen planen Sie, um den Appellen der Personalvertreter:innen nachzukommen?
2. Mit der Dienstrechtsnovelle 2022[6] wurde mit §18 Abs 6 Landevertragslehrpersonengesetz eine neue Regelung für Entlohnung von Lehrpersonen während der verpflichtenden Einführungsveranstaltungen vor Dienstbeginn geschaffen, die 6,25% der Entlohnungsstufe 1 vorsieht. Berufsschullehrer: innen wurden vor Schaffung dieser Neuregelung für die Zeit der Einführungsveranstaltungen bereits in vollem Ausmaß entlohnt.
a. Wurden die Auswirkungen dieser Neuregelung vor ihrem Inkrafttreten mit Vertreter:innen von Berufsschulen besprochen?
i. Falls ja: Mit welchen Vertreter:innen und zu welchem Zeitpunkt? Was war Inhalt der Gespräche?
ii. Falls nein: Warum nicht?
b. Gibt es Ihrerseits Bestrebungen, neuen Berufschullehrer:innen während der Einführungsveranstaltungen weiterhin die volle Entlohnung zu ermöglichen?
i. Falls ja: Bitte um Darstellung der Pläne
3. Wurden Vertreter:innen von Berufsschulen in die Ausarbeitung der Lehrkräfteoffensive „Klasse Job“ eingebunden?
a. Falls ja: Welche Vertreter:innen wurden eingebunden? In welchem Rahmen erfolgte die Einbindung?
b. Falls nein: Warum nicht?
4. Wie viele Lehrstellen an österreichischen Berufsschulen sind derzeit unbesetzt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern)
a. Verfügen Sie über Prognosen, wie sich die Zahl der unbesetzten Lehrstellen an Berufsschulen in den nächsten Jahren entwickeln wird?
i. Falls ja: Bitte um Darstellung der prognostizierten Entwicklung
5. Aus der Anfragebeantwortung 14419/AB[7] geht hervor, dass im Zeitraum September 2022 bis März 2023 insgesamt 4.174 neue Lehrverträge (Sonder-, Vollzeit-, Teilzeitverträge) abgeschlossen wurden. Davon entfielen nur 36 (0,8%) auf Lehrstellen in Berufsschulen.
a. Wie viele Lehrverträge (Sonder-, Vollzeit., Teilzeitverträge) wurden im Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 an Berufsschulen abgeschlossen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern in Relation zur Gesamtzahl von neu abgeschlossenen Lehrverträgen)
b. Welche Strategien verfolgen Sie, um den Anteil neuer Berufsschullehrer:innen im kommenden Schuljahr zu erhöhen?
6. Quereinsteiger:innen (Studium + Berufserfahrung) an Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, haben die Möglichkeit durch facheinschlägige Studien ergänzende Studien (FESES)[8] berufsbegleitend einen Bachelor of Education (BEd) im Ausmaß von 60 ECTS abzuschließen. Für Quereinsteiger:innen (Studium + Berufserfahrung) an Berufsschulen besteht diese Möglichkeit nicht. Sie müssen verschiedene pädagogische Lehrveranstaltungen besuchen; ein berufsbegleitender Studiengang mit Abschluss ist dabei nicht vorgesehen.
a. Gibt es Ihrerseits Pläne oder Bestrebungen, diese Benachteiligung von Quereinsteiger:innen an Berufsschulen zu beseitigen?
i. Falls ja: Bitte um Darstellung der Pläne
ii. Falls nein: Warum nicht?
[1] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2161476-80-Millionen-Euro-fuer-Ueberstunden-kaschieren-Lehrermangel.html
[2] https://klassejob.at/
[3] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/ME/193/fname_1441161.pdf
[4] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230627_OTS0022/initiativen-zur-attraktivierung-des-lehrerinnen-jobs-erweisen-sich-fuer-berufsschul-neueinsteigerinnen-als-abschreckend
[5] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230627_OTS0022/initiativen-zur-attraktivierung-des-lehrerinnen-jobs-erweisen-sich-fuer-berufsschul-neueinsteigerinnen-als-abschreckend
[6] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/ME/193/fname_1441161.pdf
[7] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/14419/imfname_1571763.pdf
[8] https://phwien.ac.at/wp-content/uploads/2023/01/PHW_Bachelor_BB_FESE_2022_12.pdf