15760/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.07.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend völlig inakzeptable Intervention seitens des österreichischen Botschafters in Nordmazedonien zugunsten der österreichischen Glücksspielindustrie

BEGRÜNDUNG

 

Am 6. Juli 2023 wurde bekannt, dass der österreichische Botschafter in Nordmazedonien, Dr. Georg Woutsas, auf eine für diplomatische Vertreter:innen ebenso unübliche wie ungebührliche Weise an politische Repräsentant:innen von Nordmazedonien herangetreten ist, um im Interesse der „Casinos Austria AG“ und der „Novomatic AG“ geplante Glücksspielgesetznovellen in dem Land seines Dienstortes zu Fall bringen.

 

Diese Novelle hätten Verschärfungen für die Glücksspielindustrie wie z.B. einen stärkeren Jugendschutz vorgesehen. Zu diesem Zweck schrieb Botschafter Dr. Woutsas am 23. Februar 2023 an den Ministerpräsidenten der Republik Nordmazedonien, Dimitar Kovačevski, und am 27. Februar 2023 an 21 Abgeordnete des nordmazedonischen Parlamentsausschusses für Europäische Angelegenheiten einen Brief, in dem er die Empfänger:innen dazu aufforderte, „die vorgesehenen Änderungen zurückzuziehen oder ausländisches Investment davon auszunehmen“. Unter anderem deponierte er in Bezug auf die geplante Spiellokale-Verbotszone von 500 Metern rund um Schulen explizit folgenden Wunsch: „Ausnahme für diese Standorte zumindest soweit sie mit ausländischem Kapital betrieben werden, jetzt und in Zukunft“. In selbigem Brief, in dem er für die beiden genannten Konzerne lobbyiert, droht der Botschafter auch mit Schadenersatzklagen durch die EU in der Höhe hunderter Millionen Euro.

 

Fest steht, dass es nicht zu den diplomatischen Gepflogenheiten gehört, auf die Gesetzgebung eines fremden Landes Einfluss zu nehmen, noch dazu in einer so direkten Weise. Aus diesem Grund spricht auch das BMEIA selbst in einer öffentlichen Klarstellung[1] am 6. Juli 2023 von „unangemessenen Interventionsversuchen“ und von einem „in Form und Inhalt gleichermaßen inakzeptablen“ Schreiben. Abgesehen davon entspreche dieses laut Außenministerium „keineswegs der üblichen Vorgehensweise zum Schutz der Interessen österreichischer Unternehmen im Ausland".

 

Soweit mittlerweile bekannt, war es zumindest die Casinos Austria AG, die sich mit ihren entsprechenden Anliegen zu einer Abkehr des nordmazedonischen Gesetzesvorhabens an den österreichischen Botschafter gewandt hat. Das Unternehmen meint aber, in die Details und die Formulierungen des Botschafters nicht eingebunden gewesen zu sein.

 

Die Abgeordneten Ernst-Dziedzic, Freundinnen und Freunde, sind der Ansicht, dass das Vorgehen von Botschafter Dr. Woutsas im vorliegenden Fall dem Ansehen der Republik Österreich im Ausland und am Westbalkan im Speziellen erheblichen Schaden zugefügt hat. Die unterzeichneten Abgeordneten bekennen sich ausdrücklich dazu, dass es im Interesse Österreichs ist, einen wirkungsvollen Spieler:innenschutz nicht nur im In-, sondern auch im Ausland zu unterstützen, insbesondere, wenn dieser Schutz im Verantwortungsbereich von Unternehmen mit österreichischer Beteiligung liegt. In der Angelegenheit sind bei Weitem noch nicht alle Fragen geklärt, eine vollständige Aufklärung aber ist im Hinblick auf die Reputation der Republik Österreich, ihr Verhältnis zu befreundeten Staaten und auch hinsichtlich der Vermeidung ähnlicher Vorfälle in Zukunft von großer Bedeutung.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)            Haben Sie Kenntnis darüber, warum und in wessen Auftrag Botschafter Dr. Georg Woutsas beim nordmazedonischen Premierminister mit einem offiziellen Schreiben der ÖB Skopje am 23. Februar 2023 für die Interessen von „Novomatic“ und „Casinos Austria“ und gegen mehr Spielerschutz beim Ministerpräsidenten Dimitar Kovačevski interveniert hat?

a.    Hat das BMEIA dem österreichischen Botschafter in Nordmazedonien oder der ÖB Skopje im Zusammenhang mit dieser Intervention in irgendeiner Form einen Auftrag erteilt?

b.    Haben Sie Kenntnis darüber, mit wem diese Interventionen abgestimmt waren und waren dem BMEIA diese Interventionen zugunsten von „Novomatic „und „Casinos Austria AG“ im Vorhinein bekannt?

c.    Wenn diese Intervention bekannt war, hat das BMEIA diese Intervention gutgeheißen?

d.    Wenn diese Intervention bekannt und durch das BMEIA gutgeheißen wurde, aus welchen Gründen?

 

2)            Haben Sie Kenntnis darüber, warum und in wessen Auftrag Botschafter Dr. Georg Woutsas am 27. Februar 2023 mit demselben Brief bei 21 Abgeordneten des nordmazedonischen Parlaments interveniert hat?

a.    Hat das BMEIA dem österreichischen Botschafter in Nordmazedonien oder der ÖB Skopje im Zusammenhang mit dieser Intervention in irgendeiner Form einen Auftrag erteilt?

b.    Von wem kam die Initiative für diese Intervention?

c.    Mit wem waren diese Interventionen abgestimmt und war das BMEIA diesbezüglich informiert?

d.    Waren diese Interventionen mit „Novomatic“ bzw. „Casinos Austria AG“ abgestimmt?

3)            Warum und in wessen Auftrag hat sich Botschafter Dr. Woutsas dafür eingesetzt, österreichische bzw. „ausländische“ Glücksspielkonzerne von der geplanten Schutzzone rund um Schulen auszunehmen?

4)            Unterstützt das BMEIA die Lobbying-Anliegen von Botschafter Dr. Woutsas in Nordmazedonien, die dem Ziel dienen, österreichischen Glücksspielkonzernen in Nordmazedonien eine Sonderbehandlung zuteilwerden zu lassen und diese etwa auch von geplanten Schutzzonen rund um Schulen auszunehmen?

5)            Entspricht es den Interessen der Republik Österreich und ist es üblich, dass ein österreichischer Botschafter von einem Regierungschef des Gaststaates das „Zurückziehen“ von „vorgesehenen Änderungen“ oder eine „Ausnahme“ für „ausländisches Investment“ fordert?

6)            In seinem Schreiben droht Botschafter Woutsas mit „Schadensersatz-forderungen in Höhe Hunderter Millionen Euro“.

a.    Wie kam es zu dieser Drohung?

b.    War das eine Drohung im Namen der Glücksspielkonzerne „Novomatic“ und „Casinos Austria AG“?

7)            Wann und vom wem hat das BMEIA von den beiden Interventionsschreiben des österreichischen Botschafters Dr. Georg Woutsas erfahren?

8)            Wer hat die genannten E-Mails von Botschafter Dr. Georg Woutsas in der Causa an den nordmazedonischen Premierminister bzw. die nordmazedonischen Parlamentsabgeordneten gekannt und in Kopie oder Blindkopie erhalten?

a.    Können Sie ausschließen, dass das BMEIA-Kabinett oder sonstige BMEIA Mitarbeiter:innen damit im Vorfeld vertraut waren oder die Korrespondenz in Kopie/Blindkopie erhalten haben?

b.    Können Sie ausschließen, dass das BMI-Kabinett oder sonstige BMI Mitarbeiter:innen damit im Vorfeld vertraut waren oder die Korrespondenz in Kopie/Blindkopie erhalten haben?

c.    Können Sie ausschließen, dass das BKA-Kabinett oder sonstige BKA Mitarbeiter:innen damit im Vorfeld vertraut waren oder die Korrespondenz in Kopie/Blindkopie erhalten haben?

d.    Können Sie ausschließen, dass das BMLV-Kabinett oder sonstige BMLV-Mitarbeiter:innen damit im Vorfeld vertraut waren oder die Korrespondenz in Kopie/Blindkopie erhalten haben?

e.    Können Sie ausschließen, dass das BMF-Kabinett oder sonstige BMF-Mitarbeiter:innen damit im Vorfeld vertraut waren oder die Korrespondenz in Kopie/Blindkopie erhalten haben?

 

9)            Botschafter Dr. Woutsas betont, dass er bereits „vor etlichen Monaten und sogar Jahren“ mit dem Finanzminister und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten in Skopje entsprechende Gespräche geführt hätte. Damals konnte es nicht um das geplante Spielerschutz-Gesetz gehen. Was war damals der Zweck seiner Interventionen zugunsten von „Novomatic“?

10)         Wann hat das BMEIA gegenüber dem österreichischen Botschafter Dr. Woutsas erstmals klargestellt, dass es sich aus Sicht des BMEIA um unangemessene Interventionsversuche handelt?

a.    Wann wurde erstmals mit dem Botschafter dazu Kontakt aufgenommen?

11)         Wann und durch wen wurde seitens des BMEIA gegen Botschafter Woutsas eine Ermahnung[2] ausgesprochen?

12)         Gegenüber welchen Akteuren haben Sie als Außenminister bzw. das BMEIA bereits betont, dass Österreich – entgegen den gegenteiligen Interventionsversuchen – der Spielerschutz und der Schutz von Kindern und Jugendlichen ein Anliegen ist?

13)         Gegenüber welchen Akteuren werden Sie als Außenminister noch in Zukunft betonen, dass Österreich der Spielerschutz und der Schutz von Kindern und Jugendlichen – entgegen den gegenteiligen Interventionsversuchen – ein Anliegen ist?

14)         Hat man seitens des BMEIA die nordmazedonische Bundesregierung darüber informiert, dass sich das BMEIA von den Interventionen des Botschafters vollinhaltlich distanziert und diese inhaltlich nicht (mehr) teilt?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 

15)         Hat man seitens des BMEIA das nordmazedonische Parlament bzw. die betroffenen durch den Botschafter kontaktierten Abgeordneten darüber informiert, dass sich das BMEIA von den Interventionen des Botschafters vollinhaltlich distanziert und diese inhaltlich nicht (mehr) teilt?

a.     Wenn ja, wann?

b.     Wenn nein, warum nicht?

16)         Können Sie ausschließen, dass der Gesetzgebungsprozess im nordmazedonischen Parlament im Bereich des Glückspiels aufgrund der Intervention des Botschafters verlangsamt wurde?

17)         Welche weiteren Schritte sind in welchem Zeitraum seitens des nordmazedonischen Parlaments geplant, um den Spielerschutz und den Schutz von Kindern im Bereich des Glückspiels zu verbessern und unterstützen Sie diese Anliegen ausdrücklich?

18)         Sind Ihnen weitere Vorfälle bekannt, bei denen Botschafter Woutsas versucht hat, Vertreter:innen und/oder Einrichtungen von Nordmazedonien oder anderen Staaten unter Druck zu setzen?

19)         Können Sie ausschließen, dass es zu weiteren unzulässigen Interventionen seitens des Botschafter Dr. Woutsas bzw. im Namen der Österreichischen Botschaft Skopje gekommen ist?

a.     Wenn ja, warum?

b.     Wenn nein, warum nicht?

20)         Botschafter Dr. Woutsas war im Zeitraum 2001 – 2006 im BMEIA für EU- und Wirtschaftsangelegenheiten zuständig. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass es in diesem Zeitraum zu unzulässigen Interventionen durch den Botschafter gekommen ist?

a.    Wenn ja, welche Anzeichen bzw. Anhaltspunkte gibt es?

b.    Wenn ja, welche Form der unabhängigen Untersuchung ist geplant?

21)         Sind dem BMEIA noch weitere Fälle bekannt, in denen österreichische diplomatische Vertreter:innen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auf Regierungs- und/oder parlamentarischer Ebene zugunsten privater Unternehmen auf unangemessene Weise intervenierten?

a.     Wenn ja, welche?

22)         Botschafter Dr. Woutsas hat durch seine Intervention namens der Republik Österreich unter Verwendung des Logos und Briefpapiers der Österreichischen Botschaft Skopje einen Premierminister und 21 Abgeordnete iZm Glücksspielgesetzen unter Druck gesetzt. Dabei hat er Ziele verfolgt, die den Interessen der Republik Österreich in Bezug auf Spielerschutz und Kinderschutz diametral entgegengesetzt sind.

a.    Hat Botschafter Dr. Woutsas damit dem BMEIA und dem Ansehen Österreichs geschadet?

b.    Wenn ja, welche Maßnahmen haben Sie bereits gesetzt und werden Sie noch setzen, um den Reputationsschaden, den Österreich durch die unzulässige Intervention des Botschafters gesetzt hat, zu minimieren?

23)         Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um das Risiko unangemessener Interventionen durch Botschafter:innen bzw. österreichischer Vertretungsbehörden im Ausland zu minimieren? 

24)         Welche konkreten Maßnahmen werden Sie in Abstimmung mit anderen Ministerien treffen, damit österreichische Unternehmen mit staatlicher Beteiligung künftig keine ungebührlichen Interventions- oder Lobbyingversuche gegenüber österreichischem diplomatischem Personal ausüben?

25)         Welches Regelwerk und welche Standards müssen österreichische Diplomat:innen im Bereich der Wirtschaftsdiplomatie berücksichtigen?

a.      Gibt es spezielle Schulungsmaßnahmen und/oder spezielle Weiterbildungsmöglichkeiten für österreichische Diplomat:innen in diesem Bereich?

b.      Sind weitere Sensibilisierungsmaßnahmen geplant und, wenn ja, welche? 

26)         Wie ist sichergestellt, dass österreichische Diplomat:innen im Bereich der Wirtschaftsdiplomatie ausschließlich die Interessen der Republik Österreich vertreten und nicht Partikularinteressen von Wirtschaftskonzernen?

27)         Welche Formen der Aufklärung und Sanktionierung der Interventionen durch Botschafter Dr. Woutsas haben Sie bereits eingeleitet bzw. werden Sie noch einleiten?

28)         Welche (weiteren) disziplinarrechtlichen und sonstigen Konsequenzen drohen dem Botschafter Dr. Woutsas nach Bekanntwerden des Fehlverhaltens?

29)         Warum haben Sie Botschafter Dr. Woutsas bis heute nicht von seiner Funktion als Botschafter in Nordmazedonien abberufen?



[1] Klarstellung des Außenministeriums zu Medienberichten über Interventionsversuche des österreichischen Botschafters in Skopje | Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, 06.07.2023.

[2] Vgl. Klarstellung des Außenministeriums zu Medienberichten über Interventionsversuche des österreichischen Botschafters in Skopje | Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, 06.07.2023.