15775/J XXVII. GP
Eingelangt am 11.07.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Verbesserung der Gesundheitsversorgung von trans*Personen
„In den Einzelinterviews berichteten alle Personen mit Transitionserfahrung von einer besonders prekären Lage in der Gesundheitsversorgung. Oftmals seien nur wenige Ärzt:innen in der Umgebung vorhanden, welche die für Behandlungen und für die Personenstandsänderung benötigten Gutachten ausstellen oder über ausreichende Kenntnisse über trans-spezifische Gesundheitsthemen verfügen. Durch Fluktuation, beispielsweise Pensionierung der Ärzt:innen, spitze sich die Lage zu. Operationstermine für geschlechtsaffirmative Operationen seien aufgrund der wenigen Möglichkeiten sehr begrenzt. Folglich beträgt die Wartezeit auf Termine laut Interviewpersonen mehrere Jahre (2 bis 3 Jahre). Sie berichteten von verlängerten Wartezeiten auf Termine aufgrund der Coronapandemie. Zudem berichteten die Interviewpersonen von langen Wartezeiten auch auf den Transambulanzen22 und von zeitweise generellen Aufnahmestopps. Generell wurde in den Einzelinterviews deutlich, dass die Transition ein (finanziell, zeitlich und emotional) überaus ressourcenintensiver Prozess ist, der im Falle einer juristischen und medizinischen Transition unweigerlich mit dem Kontakt zu Gesundheitsdienstleister:innen verbunden ist. Dies ist auch in den Behandlungsempfehlungen 23 des BMSGPK ersichtlich. Geschlechtsaffirmative (juristische und medizinische) Maßnahmen sowie die dafür benötigten Gutachten sind mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Am deutlichsten wurde dies in den Einzelinterviews hinsichtlich einer psychotherapeutischen Begleitung.“[1]
Diese Passage aus dem LGBTIQ+ Gesundheitsbericht 2022 des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz fasst treffend die vielen Probleme zusammen, vor denen trans*Personen im Rahmen ihrer Gesundheitsversorgung stehen. Nicht erst die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schlecht die medizinische Versorgung dieser Personengruppe auch in Österreich ist. Laut dem LGBTIQ+ Gesundheitsbericht weist insbesondere für den Zeitraum des Transitionsprozesses große Probleme aus: So nahmen die Hälfte der trans*Personen während des Transitionsprozesses psychotherapeutische Leistungen ohne Kostenübernahme in Anspruch, 7 Prozent geschlechtsangleichende Operationen, 27 Prozent Epilationsbehandlungen, sowie 10 Prozent logopädische Behandlungen. Die finanziellen Belastungen für trans*Personen sind damit enorm.
Auch innerhalb der Gesundheitsversorgung gibt es neben den finanziellen Hürden eine ganze Reihe von Herausforderungen für trans*Personen. Neben fehlenden Spezialist*innen, langen Wartezeiten und mangelndem Fachwissen erleben viele trans*Patient*innen direkte oder indirekte Diskriminierung: Laut dem LGBTIQ+ Gesundheitsbericht haben 24 Prozent der transidenten Befragten häufige und weitere 32 Prozent gelegentliche Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitsbereich. Ein Viertel der Befragten erlebt häufig unangebrachte Kommentare durch medizinisches Personal, weitere 30 Prozent machte diese Erfahrung manchmal. Diese und viele andere Probleme zeigen den großen Handlungsbedarf zur Sicherstellung einer flächendeckenden, adäquaten Gesundheitsversorgung von trans*Personen in ganz Österreich!
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Wie viele chirurgische Eingriffe mit Haupt- oder Nebendiagnose F64 „Störungen der Geschlechtsidentität“ wurden zwischen 2018 und 2022 in Österreich durchgeführt? Bitte um Auflistung nach Jahren, Art des Eingriffs, sowie Bundesland.
a. Wie viele geplante Operationen aus diesem Bereich mussten aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden?
2. Wie viele chirurgische Eingriffe mit Haupt- oder Nebendiagnose F64 „Störungen der Geschlechtsidentität“ wurden zwischen 2018 und 2022 in Österreich wurden finanziell durch die Krankenversicherungen übernommen? Bitte um Auflistung nach Jahren, Art des Eingriffs, sowie Bundesland.
a. Wie viele derartige Kostenübernahmen erfolgten nur teilweise bzw. wurden abgelehnt. Bitte um Auflistung nach Art des Eingriffs, sowie Bundesland.
3. Wie viele Hormonersatztherapien, die von einem staatlichen Krankenversicherungsträger übernommen wurden, wurden in Österreich zwischen 2018 und 2022 durchgeführt? Bitte um Auflistung nach Geschlecht und Bundesland.
4. Wie viele Endokrinolog*innen sind derzeit in österreichischen Krankenhäusern (insbesondere am AKH Wien, am Uniklinikum Innsbruck, sowie am Uniklinikum Graz) tätig?
5. Wie viele niedergelassene Endokrinolog*innen, die eine Hormonersatztherapie durchführen, sind aktuell in Österreich tätig? Bitte um Auflistung nach Bundesländern.
6. Wie viele Krankenkassenplätze für psychotherapeutische bzw. psychiatrische Leistungen mit Schwerpunkt Transidentität gibt es aktuell in Österreich. Bitte um Auflistung nach Bundesländern.
a. Ist eine Schaffung/Ausweitung entsprechender Kontingente zur Versorgung von Transpersonen in diesem Bereich geplant? Wenn nein, warum nicht?
7. Welche Fortbildungen gibt es im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung von Transpersonen momentan in Österreich?
8. Welche Fortbildungen gibt es im Bereich der Transgender-Medizin für Allgemeinmedizinier*innen momentan in Österreich?
9. Welche Fortbildungen gibt es im Bereich der Transgender-Medizin für Krankenhauspersonal momentan in Österreich?
10. Sind seitens Ihres Ministeriums Schritte zur Ausweitung von Fortbildungsangeboten im Bereich der psychotherapeutischen bzw. allgemeinmedizinischen Versorgung von Transgender-Personen geplant?
a. Wenn ja, welche Schritte sind genau geplant?
b. Wenn ja, welche Budgetmittel werden dafür von welcher Stelle zur Verfügung gestellt?
c. Wenn nein, warum sind keine Schritte geplant? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
11. Welche konkreten Schlüsse ziehen Sie aus dem von Ihrem Ressort vorgelegten LGBTIQ+ Gesundheitsbericht hinsichtlich der mangelhaften Gesundheitsversorgung von trans*Personen und welche konkreten Schritte planen Sie, um diese zu verbessern?
12. Welche konkreten Schritte planen Sie insbesondere zum Abbau von Diskriminierungserfahrungen von trans*Personen im öffentlichen Gesundheitssystem?
13. Welche konkreten Schritte planen Sie insbesondere zum Abbau der immensen, privat zu zahlenden finanziellen Belastungen von trans*Personen im Bereich der Gesundheitsversorgung?