15781/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.07.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt

betreffend "Magnitsky Act": Sanktionsmechanismus gegen Menschenrechtsverletzer:innen

 

Seit Dezember 2020 gibt es auf EU-Ebene einen Sanktionsmechanismus zur Bestrafung staatlicher und nichtstaatlicher Akteure, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, das "EU Global Human Rights Sanctions Regime" (EUGHR SR). 

Dieses Sanktionsregime ermöglicht es der EU, gegen Personen, Organisationen und Einrichtungen vorzugehen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen und ‑verstöße, z.B. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit usw. verantwortlich oder daran beteiligt sind bzw. damit in Verbindung stehen, unabhängig davon, wo sie begangen wurden, und zwar sowohl gegen solche, die mit nationalen Regierungen in Verbindung stehen, als auch gegen solche, die nicht mit diesen in Verbindung stehen (staatliche und nichtstaatliche Akteure). Zu den restriktiven Maßnahmen gehören ein Reiseverbot für Einzelpersonen und das Einfrieren von Geldern sowohl für Einzelpersonen als auch für Organisationen. Personen und Einrichtungen innerhalb der EU ist es ebenfalls untersagt, den in der Liste aufgeführten Personen und Einrichtungen direkt oder indirekt Gelder zur Verfügung zu stellen. Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen von den Maßnahmen gewähren, z.B. wenn die Reise aufgrund einer humanitären Notlage oder einer Teilnahme an einem Gerichtsverfahren dient. Ausnahmen zur Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder sind ebenso vorgesehen (Art 4, 5, 6 und 7 der Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates). Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und die Mitgliedstaaten können Änderungen der Liste vorschlagen. Die Änderungen werden vom Rat der EU beschlossen und öffentlich bekannt gegeben.1

Dass es auf EU-Ebene diesen neuen Mechanismus gibt, ist sehr zu begrüßen. Doch leider bedarf es zum Beschluss von EU-Sanktionen stets der Einstimmigkeit im Rat - und das Prinzip der Einstimmigkeit lässt Veränderungen unter Umständen schwer zu. Die aktuelle Liste des EUGHR SR2 enthält nur 44 natürliche Personen und 15 juristische Personen bzw. Organisationen. Deshalb braucht es, wie von uns NEOS beantragt, auch auf nationaler Ebene wirksame Sanktionsinstrumente zum globalen Schutz der Menschenrechte.3 Einige Staaten, u.a. Kanada, das Vereinigte Königreich und die baltischen Staaten, haben in den letzten Jahren dem Beispiel der USA folgend vom "Magnitsky Act" inspirierte Gesetze verabschiedet. Ein österreichischer "Magnitsky Act" wäre ein entscheidendes Instrument, um gezielt diejenigen zu treffen, die tatsächlich verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen sind. Etwaige Sanktionsmöglichkeiten sollten jedenfalls Ein- und Durchreiseverbote sowie das Einfrieren von Konten und anderen Vermögenswerten umfassen. Ein starkes Zeichen gegen internationale Straflosigkeit und für eine konsequente Durchsetzung der Achtung von Menschenrechten weltweit zu setzen ist von erheblicher Bedeutung. Daher ist auch von Interesse, welche Vorschläge bezüglich der EU-Liste seitens Österreichs angeregt wurden und welche weiteren Maßnahmen auf nationalstaatlicher Ebene gesetzt werden, um die schlimmsten Menschenrechtsverletzer:innen effizient zu sanktionieren. 

 

  1. Beschluss (GASP) 2020/1999 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße (ABl. L 410 vom 7.12.2020, S. 13-19): https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32020D1999; Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A02020R1998-20230307
  2. EU Sanction Map: https://www.sanctionsmap.eu/#/main/details/50/?search=%7B%22value%22:%22%22,%22searchType%22:%7B%7D%7D und https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02020R1998-20230307
  3. Antrag 747/A(E) betreffend Sanktionsmechanismus gegen Menschenrechtsverletzer: https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/747

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wofür haben Sie sich hinsichtlich der EU Global Human Rights Sanctions Regime-Liste jeweils bei welcher Ratssitzung eingesetzt? Bitte um präzise Angaben seit 7. Dezember 2020. 
  2. Was sind die konkreten Kriterien für die Aufnahme und für die Streichung von Personen oder Organisationen aus der EU-Liste? 
    1. Worin besteht die diesbezügliche Methode? 
    2. Wie verläuft das Verfahren konkret? 
  1. Welche Vorschläge wurden Ihrerseits zur Ergänzung der Liste vorgenommen? Bitte um präzise Angaben seit 7. Dezember 2020 und Aufschlüsselung nach natürlichen/juristischen Personen bzw. Organisationen und Einrichtungen. 
    1. Welche davon wurden in die Liste aufgenommen? 
    2. Welche davon wurden nicht in die Liste aufgenommen? 

                                          i.    Aus welchen Gründen? 

    1. Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass der Richter Sergej Podoprigorow, der Wladimir Wladimirowitsch Kara-Mursa zu Unrecht verurteilte, in der Liste hinzugefügt wird?
    2. Sollten keine Vorschläge aktiv von Österreich gemacht worden sein: warum nicht? 
    3. Waren Sie bezüglich Ihrer Vorschläge oder den Überlegungen hierzu mit anderen Ressorts im Austausch? 

                                          i.    Wenn ja, mit wem, wann und was war der konkrete Gesprächsinhalt?

  1. Haben Sie je vorgeschlagen, natürliche oder juristische Personen bzw. Organisationen und Einrichtungen von der Liste zu nehmen? Bitte um präzise Angaben seit 7. Dezember 2020. 
    1. Wenn ja, welche und aus welchen Gründen jeweils? 
  1. Welche Vorschläge seitens anderer Mitgliedstaaten bzw. des Hohen Vertreters haben Sie abgelehnt? Bitte um präzise Angaben seit 7. Dezember 2020 und Aufschlüsselung nach natürlichen/juristischen Personen bzw. Organisationen und Einrichtungen. 
    1. Aus welchen Gründen jeweils? 
  1. Stehen Sie hinsichtlich der Umsetzung der Sanktionen des EUGHR SR mit dem Finanzministerium im Austausch? 
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 
    2. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Stehen Sie hinsichtlich der Umsetzung der Sanktionen des EUGHR SR mit dem Innenministerium im Austausch? 
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 
    2. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Welche Monitoring-Mechanismen gibt es zur Überprüfung der Umsetzung der Sanktionen des EUGHR SR?
    1. Gibt es einen auf EU-Ebene einen diesbezüglichen Monitoring-Mechanismus? 

                                          i.    Wenn ja, welchen? 

  1. Sind Ihnen Probleme hinsichtlich der Umsetzung oder des Vollzugs der Sanktionen des EUGHR SR bekannt? 
    1. Wenn ja, welche? 
    2. Wenn ja, welche Informationen wurden diesbezüglich an die Kommission weitergegeben? 
  1. Sind Ihnen Verstöße gegen die Sanktionen des EUGHR SR bekannt? 
    1. Wenn ja, welche? 
    2. Wenn ja, welche Informationen wurden diesbezüglich an die Kommission weitergegeben? 
  1. Wurde bereits von den Ausnahmeregelungen Gebrauch gemacht?  
    1. Wenn ja, von welcher Ausnahmeregelung, bzgl. welcher sanktionierten (natürlichen oder juristischen) Person(en) und aus welchen Gründen jeweils? 
    2. Wenn ja, welche Informationen wurden diesbezüglich an die Kommission weitergegeben? 
  1. Welche Position vertreten Sie hinsichtlich der Vorschläge des Europäischen Parlaments zur Weiterentwicklung des EUGHR SR (siehe EP Resolution (2021/2563 RSP)), insbesondere 
    1. zur Ausweitung des Anwendungsbereichs des EUGHR SR auf Korruptionsdelikte? 
    2. zur Erleichterung der Mitwirkung von Akteuren der Zivilgesellschaft? 
    3. zur Einführung einer parlamentarischen Kontrolle der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte? 
  1. Kam es hinsichtlich der Fragen 1,2 und 4 bis 12 zu Gesprächen mit anderen Ressorts?
    1. Wenn ja, wann und mit welchen Ressorts? (Bitte um Auflistung der betreffenden Sektionen, Abteilungen und Namen, etc...)

                                          i.    Was war der konkrete Gesprächsinhalt und welche Positionen vertraten die Gesprächsteilnehmer:innen?

    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. Ist ein Gesetz zur Sanktionierung von Menschenrechtsverletzer:innen auf nationaler Ebene geplant? 
    1. Wenn ja, wann wurden welche konkreten Maßnahmen in diesem Bereich gesetzt? 
    2. Wenn ja, welche Sanktionsmöglichkeiten sind geplant und welche Akteur:innen (natürliche Personen, juristische Personen) sollen davon umfasst sein? 
    3. Wenn nein, warum nicht?
    4. Wenn nein, wann ist geplant, diesbezügliche Maßnahmen zu setzen?
    5. Welche konkreten Maßnahmen sollen in diesem Bereich im Jahr 2023 noch gesetzt werden?
    6. Wenn nein, welche Diskussionen, Gespräche, Arbeitsgruppen oder sonstigen Aktivitäten wurden zu diesem Thema wann in Ihrem Ministerium geführt?

                                          i.    Mit welchem Ergebnis?

                                        ii.    Wer war wann daran beteiligt und was war der konkrete Gesprächsinhalt?

    1. Welche Gespräche bzw. Verhandlungen haben Sie oder Ihr Ressort mit welchen Organisationseinheiten (Abteilungen) anderer Bundesministerien wann geführt?

                                          i.    Mit welchem Ergebnis?

                                        ii.    Wer war wann daran beteiligt und was war der konkrete Gesprächsinhalt?

    1. Welche Organisationseinheiten (Abteilungen) anderer Bundesministerien waren bzw. sind bei der Erarbeitung inwiefern involviert?