Eingelangt am 11.07.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Nikolaus
Scherak‚ MA, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für EU und
Verfassung im Bundeskanzleramt
betreffend "Magnitsky Act":
Sanktionsmechanismus gegen Menschenrechtsverletzer:innen
Seit Dezember 2020 gibt es
auf EU-Ebene einen Sanktionsmechanismus zur Bestrafung staatlicher und
nichtstaatlicher Akteure, die für schwere Menschenrechtsverletzungen
verantwortlich sind, das "EU Global Human Rights Sanctions Regime"
(EUGHR SR).
Dieses Sanktionsregime
ermöglicht es der EU, gegen Personen, Organisationen und Einrichtungen
vorzugehen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen und
‑verstöße, z.B. Völkermord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit usw. verantwortlich oder daran beteiligt sind bzw. damit in
Verbindung stehen, unabhängig davon, wo sie begangen wurden, und zwar
sowohl gegen solche, die mit nationalen Regierungen in Verbindung stehen, als
auch gegen solche, die nicht mit diesen in Verbindung stehen (staatliche und
nichtstaatliche Akteure). Zu den restriktiven Maßnahmen gehören ein
Reiseverbot für Einzelpersonen und das Einfrieren von Geldern sowohl
für Einzelpersonen als auch für Organisationen. Personen und
Einrichtungen innerhalb der EU ist es ebenfalls untersagt, den in der Liste
aufgeführten Personen und Einrichtungen direkt oder indirekt Gelder zur
Verfügung zu stellen. Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen
von den Maßnahmen gewähren, z.B. wenn die Reise aufgrund einer
humanitären Notlage oder einer Teilnahme an einem Gerichtsverfahren
dient. Ausnahmen zur Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder sind ebenso
vorgesehen (Art 4, 5, 6 und 7 der Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates). Der
Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und die
Mitgliedstaaten können Änderungen der Liste vorschlagen. Die
Änderungen werden vom Rat der EU beschlossen und öffentlich
bekannt gegeben.1
Dass es auf EU-Ebene diesen
neuen Mechanismus gibt, ist sehr zu begrüßen. Doch leider bedarf es
zum Beschluss von EU-Sanktionen stets der Einstimmigkeit im Rat - und das
Prinzip der Einstimmigkeit lässt Veränderungen unter Umständen
schwer zu. Die aktuelle Liste des EUGHR SR2 enthält nur 44
natürliche Personen und 15 juristische Personen bzw. Organisationen.
Deshalb braucht es, wie von uns NEOS beantragt, auch auf nationaler Ebene
wirksame Sanktionsinstrumente zum globalen Schutz der Menschenrechte.3
Einige Staaten, u.a. Kanada, das Vereinigte Königreich und die baltischen
Staaten, haben in den letzten Jahren dem Beispiel der USA folgend vom
"Magnitsky Act" inspirierte Gesetze verabschiedet. Ein
österreichischer "Magnitsky Act" wäre ein entscheidendes
Instrument, um gezielt diejenigen zu treffen, die tatsächlich
verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen sind. Etwaige
Sanktionsmöglichkeiten sollten jedenfalls Ein- und Durchreiseverbote sowie
das Einfrieren von Konten und anderen Vermögenswerten umfassen. Ein
starkes Zeichen gegen internationale Straflosigkeit und für eine
konsequente Durchsetzung der Achtung von Menschenrechten weltweit zu setzen ist
von erheblicher Bedeutung. Daher ist auch von Interesse, welche Vorschläge
bezüglich der EU-Liste seitens Österreichs angeregt wurden und welche
weiteren Maßnahmen auf nationalstaatlicher Ebene gesetzt werden, um die
schlimmsten Menschenrechtsverletzer:innen effizient zu sanktionieren.
- Beschluss (GASP)
2020/1999 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive
Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und
-verstöße (ABl. L 410 vom 7.12.2020, S. 13-19): https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32020D1999; Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates vom 7.
Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere
Menschenrechtsverletzungen und -verstöße: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A02020R1998-20230307
- EU Sanction Map: https://www.sanctionsmap.eu/#/main/details/50/?search=%7B%22value%22:%22%22,%22searchType%22:%7B%7D%7D und https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02020R1998-20230307
- Antrag 747/A(E)
betreffend Sanktionsmechanismus gegen Menschenrechtsverletzer: https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/747
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Wofür haben Sie sich hinsichtlich der
EU Global Human Rights Sanctions Regime-Liste jeweils bei welcher
Ratssitzung eingesetzt? Bitte um präzise Angaben seit 7. Dezember
2020.
- Was sind die konkreten Kriterien für
die Aufnahme und für die Streichung von Personen oder Organisationen
aus der EU-Liste?
- Worin besteht die diesbezügliche
Methode?
- Wie verläuft das Verfahren
konkret?
- Welche Vorschläge wurden Ihrerseits zur
Ergänzung der Liste vorgenommen? Bitte um präzise Angaben seit
7. Dezember 2020 und Aufschlüsselung nach
natürlichen/juristischen Personen bzw. Organisationen und
Einrichtungen.
- Welche davon wurden in die Liste
aufgenommen?
- Welche davon wurden nicht in die Liste
aufgenommen?
i. Aus welchen Gründen?
- Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass
der Richter Sergej Podoprigorow, der
Wladimir Wladimirowitsch Kara-Mursa zu Unrecht verurteilte, in der Liste hinzugefügt wird?
- Sollten keine Vorschläge aktiv von
Österreich gemacht worden sein: warum nicht?
- Waren Sie bezüglich Ihrer
Vorschläge oder den Überlegungen hierzu mit anderen Ressorts im
Austausch?
i. Wenn ja, mit wem, wann und was war der konkrete Gesprächsinhalt?
- Haben Sie je vorgeschlagen, natürliche
oder juristische Personen bzw. Organisationen und Einrichtungen von der
Liste zu nehmen? Bitte um präzise Angaben seit 7. Dezember
2020.
- Wenn ja, welche und aus welchen
Gründen jeweils?
- Welche Vorschläge seitens anderer
Mitgliedstaaten bzw. des Hohen Vertreters haben Sie abgelehnt? Bitte um
präzise Angaben seit 7. Dezember 2020 und Aufschlüsselung nach
natürlichen/juristischen Personen bzw. Organisationen und
Einrichtungen.
- Aus welchen Gründen jeweils?
- Stehen Sie hinsichtlich der Umsetzung der
Sanktionen des EUGHR SR mit dem Finanzministerium im Austausch?
- Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
- Wenn nein, warum nicht?
- Stehen Sie hinsichtlich der Umsetzung der
Sanktionen des EUGHR SR mit dem Innenministerium im Austausch?
- Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
- Wenn nein, warum nicht?
- Welche Monitoring-Mechanismen gibt es zur
Überprüfung der Umsetzung der Sanktionen des EUGHR SR?
- Gibt es einen auf EU-Ebene einen
diesbezüglichen Monitoring-Mechanismus?
i. Wenn ja, welchen?
- Sind Ihnen Probleme hinsichtlich der
Umsetzung oder des Vollzugs der Sanktionen des EUGHR SR bekannt?
- Wenn ja, welche?
- Wenn ja, welche Informationen wurden
diesbezüglich an die Kommission weitergegeben?
- Sind Ihnen Verstöße gegen die
Sanktionen des EUGHR SR bekannt?
- Wenn ja, welche?
- Wenn ja, welche Informationen wurden diesbezüglich
an die Kommission weitergegeben?
- Wurde bereits von den Ausnahmeregelungen
Gebrauch gemacht?
- Wenn ja, von welcher Ausnahmeregelung,
bzgl. welcher sanktionierten (natürlichen oder juristischen)
Person(en) und aus welchen Gründen jeweils?
- Wenn ja, welche Informationen wurden
diesbezüglich an die Kommission weitergegeben?
- Welche Position vertreten Sie hinsichtlich
der Vorschläge des Europäischen Parlaments zur Weiterentwicklung
des EUGHR SR (siehe EP Resolution (2021/2563
RSP)), insbesondere
- zur Ausweitung des Anwendungsbereichs des EUGHR SR auf Korruptionsdelikte?
- zur Erleichterung der Mitwirkung von
Akteuren der Zivilgesellschaft?
- zur Einführung einer parlamentarischen
Kontrolle der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der
Menschenrechte?
- Kam es hinsichtlich der Fragen 1,2 und 4 bis
12 zu Gesprächen mit anderen Ressorts?
- Wenn ja, wann und mit welchen Ressorts?
(Bitte um Auflistung der betreffenden Sektionen, Abteilungen und Namen,
etc...)
i. Was war der konkrete Gesprächsinhalt und welche Positionen
vertraten die Gesprächsteilnehmer:innen?
- Wenn nein, warum nicht?
- Ist ein Gesetz zur Sanktionierung von
Menschenrechtsverletzer:innen auf nationaler Ebene geplant?
- Wenn ja, wann wurden welche konkreten
Maßnahmen in diesem Bereich gesetzt?
- Wenn ja, welche Sanktionsmöglichkeiten
sind geplant und welche Akteur:innen (natürliche Personen,
juristische Personen) sollen davon umfasst sein?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wenn nein, wann ist geplant,
diesbezügliche Maßnahmen zu setzen?
- Welche konkreten Maßnahmen sollen in
diesem Bereich im Jahr 2023 noch gesetzt werden?
- Wenn nein, welche Diskussionen,
Gespräche, Arbeitsgruppen oder sonstigen Aktivitäten wurden zu
diesem Thema wann in Ihrem Ministerium geführt?
i. Mit welchem Ergebnis?
ii. Wer war wann daran beteiligt und was war der konkrete
Gesprächsinhalt?
- Welche Gespräche bzw. Verhandlungen
haben Sie oder Ihr Ressort mit welchen Organisationseinheiten
(Abteilungen) anderer Bundesministerien wann geführt?
i. Mit welchem Ergebnis?
ii. Wer war wann daran beteiligt und was war der konkrete
Gesprächsinhalt?
- Welche Organisationseinheiten (Abteilungen)
anderer Bundesministerien waren bzw. sind bei der Erarbeitung inwiefern
involviert?