Eingelangt am 19.07.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie
Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Inneres
betreffend
BVwG–Erfassungstool "BERT" des Bundesamts für Fremdenwesen
und Asyl (BFA)
Seit Jahren steht das Bundesamt für Fremdenwesen und
Asyl (BFA) aufgrund der mangelnden Qualität seiner Arbeit in der Kritik,
insbesondere aufgrund der hohen Fehlerquote des BFA bzw. der hohen Anzahl an
beschwerdeführerbestätigenden Entscheidungen.1 In der
letzten Beantwortung zur NEOS-Anfrage 14536/J betreffend "Entscheidungen
des BVwG über Beschwerden gegen Bescheide des BFA 2022" stellte sich
heraus, dass auch im Jahr 2022 die Fehlerquote bei 47,3% lag2, was
darauf hindeutet, dass das Innenministerium keine wirksamen Maßnahmen
gesetzt hat, um die Qualität der erstinstanzlichen Entscheidungen zu
verbessern. Auch das Budgetziel würde eigentlich bei einer Fehlerquote von
30% oder weniger liegen. Die Konsequenz ist eine Zeit, Ressourcen und
Steuergeldverschwendung: Der finanzielle Aufwand pro Asylbeschwerdeverfahren
beträgt durchschnittlich knapp 1.800 Euro. Durch jedes Verfahren in der
zweiten Instanz entstehen auch Kosten für die Rechtsberatung. Auch
für Betroffene ist es viel besser, wenn die Verfahren sich nicht in die
Länge ziehen - immerhin geht es bei Asylverfahren um Leib und Leben.
Der Rechnungshof hatte in seinem Bericht „Bundesamt
für Fremdenwesen und Asyl“ (Reihe Bund 2019/46, TZ 30) festgestellt,
dass das BFA über keine organisationsweiten Auswertungen bzw.
Controllingdaten zu den erhobenen Rechtsmitteln bzw. Entscheidungen des BVwG
verfügte. Er hatte empfohlen, solche aufzubauen, um daraus
steuerungsrelevante Informationen für die interne Qualitätssicherung
zu erhalten.3 Darauf basierend wurde BERT, das BVwG-Erfassungs-Tool,
eingeführt, mit dem Ziel eine strukturierte Analyse von
BVwG-Entscheidungen zu ermöglichen. BERT ist seit Anfang Januar 2021 im
Einsatz. Somit werden inhaltlichen Entscheidungen des BVwG, bzw. die
bestätigten und die behobenen bzw. abgeänderten Spruchpunkte erfasst
und kategorisiert, um die Qualität der ersten Instanz besser zu evaluieren.
Die Funktionsweise von BERT wird im aktuellen Follow-up Bericht des
Rechnungshofs präzise dargestellt (S. 36-38).4
Laut Innenministerium stellt das Erfassungstool "ein
wichtiges Instrument dar, um die Qualität der erstinstanzlichen Bescheide
weiter zu steigern und die dem BFA zurechenbare Abänderungs- bzw.
Behebungsquote dauerhaft zu senken". Zur Durchführung einer
rückblickenden Analyse sämtlicher BVwG-Entscheidungen gibt es eine
Kooperation mit dem UNHCR.5 Angesichts der hoch bleibenden
Fehlerquote des BFA sind sowohl die erhobenen Daten als auch die Ergebnisse der
Auswertungen und die davon abgeleiteten Maßnahmen von Interesse.
- https://www.profil.at/faktiv/faktencheck-fehlerquote-bei-asylbescheiden-deutlich-hoeher-als-geplant/402471209
- https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/14054
- https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Asyl_2019_46.pdf
- https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/home_7/2023_4_Bundesamt_Asyl.pdf
- https://www.bfa.gv.at/news.aspx?id=6E674D357554574F4A48633D
Die unterfertigten Abgeordneten
stellen daher folgende
Anfrage:
- Werden BVwG Entscheidungen von BERT
systematisch erhoben und ausgewertet oder nur Stichprobenartig?
- Werden BVwG Entscheidung von BERT
inhaltlich klassifiziert, sodass inhaltliche Asylverfahren, Verfahren im
Bereich Dublin III, Visa Angelegenheiten, Schubhaft, Aberkennungen usw.
kategorisiert werden und die Entscheidungen entsprechend ihrer Klasse
sinnvoll ausgewertet werden können?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wie viele Entscheidungen des BVwG
wurden anhand von BERT erhoben und ausgewertet? Bitte um
Aufschlüsselung pro Jahr seit 2021.
- Wie viele davon betrafen inhaltliche
Entscheidungen des BVwG?
i. Wie viele davon wurden vollinhaltlich bestätigt?
ii. Wie viele davon wurden ersatzlos behoben?
iii. Wie viele davon wurden zurückverwiesen?
iv. Wie viele davon wurden abgeändert bzw. teilweise
behoben?
- Wie viele davon betrafen
Formalentscheidungen des BVwG?
i. Welche jeweils (Einstellung, Zurückweisungen
usw.)?
- In wie vielen Fällen erfolgte die
Behebung bzw. die Abänderung der Spruchpunkte aufgrund von internen
Gründen? Bitte um Aufschlüsselung pro Jahr seit 2021 und
strukturell/referent:innenbezogen.
- Wie viele davon aufgrund mangelhafter
Einvernahme?
- Wie viele davon aufgrund der
rechtlichen Beurteilung durch den/die Sachbearbeiter:in?
- Wie viele davon aufgrund fehlender
Formulierhilfen?
- Wie viele davon aufgrund veralteter
Länderinformationen?
- Wie viele davon aufgrund welchen
anderen internen Grundes?
- In wie vielen Fällen erfolgte die
Behebung bzw. die Abänderung der Spruchpunkte aufgrund von externen
Gründen? Bitte um Aufschlüsselung pro Jahr seit 2021.
- Wie viele davon aufgrund einer
Änderung der Rechtslage aufgrund langer Verfahrensdauer?
- Wie viele davon aufgrund einer neuen
Rechtslage?
- Wie viele davon aufgrund neuer Tatsachen?
- Wie viele davon aufgrund hoher
Integrationsbemühungen?
- Wie viele davon aufgrund
schutzwürdigen Privat– oder Familienlebens?
- Wie viele davon aufgrund einer
anderen Gesamtansicht durch das BVwG?
- Wie viele davon aufgrund welchen
anderen externen Grundes?
- Worin liegen laut der Auswertungen die
größten Defizite in der Arbeit des BFA?
- Inwiefern wurde davon Handlungsbedarf
für Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung abgeleitet?
- Welche konkreten Maßnahmen
wurden in der Folge gesetzt?
- Wann jeweils?
- Mit welchem Ergebnis?
- Welche konkreten Maßnahmen sind
hierfür im Jahr 2023 noch geplant?
- Welche Trends in der
Entscheidungspraxis des BVwG wurden anhand der Auswertungen identifiziert?
- Welche darauf beruhenden
Qualitätsmaßnahmen wurden ergriffen?
- Laut Follow-up Bericht des
Rechnungshofs bzgl. des BFA erstellt das BFA aus dem BERT
wöchentliche bzw. jährliche Berichte mit "unterschiedlichen
Auswertungen": Berichte zu welchen Inhalten und Auswertungen wurden
seit Januar 2021 erstellt? Bitte um eine präzise Darstellung.
- Zu welcher Verwendung?
- Mit welchen Ergebnissen?
- Sind diese Berichte
öffentlich?
i. Wenn nein, aus welchem Grund nicht?
- Können Sie die Berichte
übermitteln?
i. Wenn nein, aus welchem Grund nicht?
- Laut Innenministerium gibt es zur
Durchführung einer rückblickenden Analyse sämtlicher
BVwG-Entscheidungen eine Kooperation mit dem UNHCR: Wann wurden derartige
Analysen durchgeführt und was waren bzw. sind die daraus
resultierenden Ergebnisse?
- Richtete der UNHCR im Rahmen dieser
Kooperation Empfehlungen ans BFA?
i. Wenn ja, welchen Inhalts?
ii. Wenn ja, welche davon wurden umgesetzt und welche
nicht?
- Inwiefern unterscheidet sich die
Datenerfassung von BERT von jener des BVwG?
- Wie stehen diese
Datenerfassungssysteme im Verhältnis zueinander?
- Gibt es eine Koordinierung
hinsichtlich der Datenerfassung?
- Im RH-Bericht wird angeführt,
dass BVwG Entscheidungen nach vorgegebenen Kriterien kategorisiert werden
– insbesondere bei „Beschwerdeführende
bestätigenden“ Entscheidungen: Warum werden
behördenbestätigende Entscheidungen nicht gleichrangig zu
beschwerdeführenden Entscheidungen analysiert?
- Hat der Einsatz von BERT zu einer
Verbesserung der Qualität der Entscheidungen des BFA geführt?
- Wenn ja, zu welchen Verbesserungen?
Bitte um konkrete Darstellung.
- Wenn nein, warum nicht? Bitte um
konkrete Darstellung und möglicher bzw. geplanter Verbesserungen von
BERT.
- Welche Kosten sind durch BERT in den
Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 angefallen? Bitte um
Aufschlüsselung nach Kostenstelle (Programmierung, Datenerfassung,
Datenanalyse, Reporting usw.)
- Hat die Namensgebung des
BVwG-Erfassungstools des BFA irgendeine Beziehung zu dem AI-Tool BERT?
- Werden AI-Komponenten bei BERT
eingesetzt?