15827/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.07.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Bürgermeister_innen

 

Am 20.03.2023 hat der Nationalrat das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2020 (BRÄG 2020) beschlossen, welches unter anderem eine Änderung der Bestimmung der § 20 Rechtsanwaltsordnung (RAO) dahingehend vorgesehen hat, dass der Begriff des "besoldeten Staatsamtes", welches mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar ist, klar geregelt wird. Angesichts der sich rund um die bisherige Anordnung, in der Praxis gelegentlich stellenden, Abgrenzungsfragen, sollte mit der beschlossenen Ergänzung der Bestimmung des § 20 lit. a RAO eindeutig festgelegt werden, in welchen Fällen ein mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft inkompatibles besoldetes Staatsamt vorliegt. 

In seinem Erkenntnis vom 05.10.2022, G 173/2022-14, hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit dieser am 01.04.2020 in Kraft getretenen Neufassung der Bestimmung des § 20 lit. a RAO zu beschäftigen, zumal einer Person, die in einer österreichischen Stadtgemeinde als stellvertretende Stadtamtsdirektorin tätig war und diese Tätigkeit auch weiterhin ausüben wollte, die Eintragung in die Liste der Rechtsanwält_innen verweigert worden war. Der Verfassungsgerichtshof hat mit diesem Erkenntnis die Wortfolge "durch ernannte berufsmäßige Organe" in § 20 lt. a RAO als verfassungswidrig per 31.10.2023 aufgehoben.

Die Aufhebung dieser Wortfolge per 31.10.2023 bewirkt nun, dass ab 01.11.2023 eine Rechtsunsicherheit darüber besteht, ob das Amt des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin ein besoldetes Staatsamt im Sinne der Bestimmung des § 20 lit. a RAO ist oder nicht. 

Nach der derzeitigen Rechtslage ist unter anderem ein besoldetes Staatsamt mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar, wenn es entgeltlich unter der Leitung oberster Organe des Bundes oder der Länder durch ernannte berufsmäßige Organe ausgeübt wird. 

Es wird darauf verwiesen, dass nach dem verbleibenden Text des § 20 lit. a RAO als mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft inkompatibles besoldetes Staatsamt auch jede entgeltliche Tätigkeit zu verstehen ist, die unter der Leitung der obersten Organe des Bundes oder der Länder erfolgt. 

 

Das Amt des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin erfüllt zwei dieser drei Voraussetzungen:

 

Aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage ist daher klar, dass das Amt des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin kein besoldetes Staatsamt ist, welches mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar ist. 

Durch die Aufhebung der Wortfolge "durch ernannte berufsmäßige Organe" fällt aber das entscheidende Kriterium dafür weg, dass das Bürgermeister_innenamt mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft kompatibel ist. Die beiden verbleibenden Kriterien (besoldet, unter der Leitung der obersten Organe des Bundes bzw. der Länder) bewirken hingegen die Unvereinbarkeit des Bürgermeister_innenamtes mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft. 

Die Führung eines gemäß § 20 lit. a RAO mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbaren Staatsamtes führt gemäß § 34 Abs. 2 Zif. 1 lit. a RAO zu einem Beschluss des Ausschusses der zuständigen Rechtsanwaltskammer, dass die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ruhend gestellt wird. 

Nachdem österreichweit doch eine nicht unerhebliche Zahl von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Zivilberuf als Rechtsanwälte tätig sind, droht ab 01.11.2023 ein inakzeptable Situation insoweit, als diese Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte damit rechnen müssen, dass der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ruhend gestellt wird. Dieser der allgemeine Rechtssicherheit absolut abträgliche Zustand sollte durch eine gesetzliche Klarstellung verhindert werden. 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende


 

 

Anfrage:

 

  1. Wie wird die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 05.10.2022, G 173/2022-14, geschaffene Rechtslage in Bezug auf die Vereinbarkeit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit der Führung des Amtes als Bürgermeisterin oder Bürgermeister von der zuständigen Fachabteilung des BMJ beurteilt?
  2. Werden von der zuständigen Fachabteilung des BMJ die Bedenken, dass ab 01.11.2023 die Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit der Führung des Amtes als Bürgermeisterin oder Bürgermeister unvereinbar ist, geteilt?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. Ist seitens des BMJ daran gedacht, rechtzeitig vor dem 01.11.2023 auf eine gesetzliche Klarstellung dahingehend hinzuwirken, dass zwischen der Ausübung der Rechtsanwaltschaft und der Führung des Amtes als Bürgermeisterin oder Bürgermeister jedenfalls keine Unvereinbarkeit besteht?
    1. Wenn nein, warum nicht?