15846/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.07.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Nina Tomaselli, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Lobbying für Russlandgeschäfte der RBI anstatt nachhaltiger Exit-Strategie - Verkennt das Finanzministerium die Gefahren für den Finanzplatz Österreich?

 

BEGRÜNDUNG

 

Die Raiffeisenbank International (RBI) verdient durch das in Russland verbliebene Geschäft weiterhin prächtig. Laut Jahresabschluss 2022 erzielte das Osteuropa-Geschäft 2,2 Mrd. Euro Gewinn[1], im ersten Quartal 2023 kamen nochmals 301 Mio. Euro dazu.[2] Zumindest theoretisch, denn Gewinne ausführen darf die österreichische Muttergesellschaft derzeit aufgrund der russischen Blockade nicht. Warum ist die RBI im 17. Monat des russischen Überfalls immer noch in Russland tätig und stützt mit der Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs das dortige Regime?

Im März 2022 – kurze Zeit nach dem russischen Überfall auf die Ukraine – hieß es von Vorstandschef Johann Strobl noch, die RBI prüfe “alle strategischen Optionen für die Zukunft der Raiffeisenbank Russland.”[3] Doch im Februar 2023 berichtete die Financial Times, dass die RBI die Russlandgeschäfte seit Kriegsbeginn nicht verringert, sondern sogar ausgebaut habe. Das Medium rechnete vor, dass 40 bis 50 Prozent aller über das internationale Zahlungssystem Swift abgewickelten Geldströme nach und aus Russland mittlerweile durch die RBI fließen sollen.[4]

Eine Stellungnahme Strobls bei der RBI-Hauptversammlung im März 2023, welche den Verdacht ausräumen sollte, die Raiffeisen würde das Problem aussitzen wollen, blieb unkonkret. Man wolle “mögliche Transaktionen, die zu einem Verkauf oder einer Abspaltung der Raiffeisenbank Russland und ihrer Entkonsolidierung aus dem RBI-Konzern führen, (...) weiterverfolgen.”[5]

Mit großer medialer Begleitmusik wurde seitens der RBI verkündet, dass man eine Abspaltung der russischen Tochter prüfe. Eine Abspaltung sollte aber nicht heißen, dass sich die Raiffeisen von der russischen Tochter trennt, die RBI würde lediglich die Anteile an die eigenen Aktionäre weitergeben. Da die RBI zu 58 Prozent von den Raiffeisen Landesbanken gehalten werden, würden diese einfach zu den neuen Mehrheitseigentümern des russischen Bankhauses. Damit würde die RBI selbst sich aus dem russischen Markt zurückziehen, ohne einen Käufer finden zu müssen.[6] Nach der erstmaligen Ankündigung der Idee wurden keine weiteren Schritte in diese Richtung mehr öffentlich.

Wollte die RBI nur Zeit gewinnen, um etwaigen Sanktionen der EZB zu entgehen, welche schon länger auf eine Beendigung der Russlandgeschäfte pocht?

Erst kürzlich machte der für die Großbank zuständige Europäische Bankenaufseher Andrea Enria seine Besorgnis über die “enttäuschend langsamen Fortschritte der Banken bei der Verringerung der Risiken, die sich aus Geschäften in Russland ergeben” in einem Brief an das EU-Parlament öffentlich.[7] Seine Forderung, betroffene Banken (die RBI ist dabei mit Abstand das größte Institut in Russland) sollten klare Fahrpläne verabschieden und ihren Leitungsorganen sowie der EZB-Bankenaufsicht regelmäßig Bericht über deren Umsetzung bzw. Verzögerung berichten, scheint dabei verhältnismäßig.

Das Finanzministerium sieht das anders und stellt sich aktuell laut Die Presse an die Seite von Raiffeisen. Finanzminister Brunner richtete an die unabhängige europäische Bankenaufsicht einen Brief und wird von der Tageszeitung mit der Frage zitiert, dass er nicht erkennen könne, wie der institutionelle Druck den Banken helfen würde und wo das zur Finanzstabilität Europas beitrage. Die EZB ziehe es vor, den russischen Markt auf Kosten der Bank-Aktionäre zu verlassen. Die Verhandlungsposition (der Raiffeisen) in Bezug auf einen Exit-Deal in Russland würde weiter geschwächt.[8] Der Druck auf die RBI kommt aber nicht nur aus Frankfurt, sondern auch aus Washington, wo die amerikanische Sanktionsbehörde OFAC ihren Sitz hat. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete kürzlich, dass die RBI Daten zu Transaktionen mit Russland zur Prüfung der Einhaltung der Sanktionen dorthin übermitteln musste.[9]

 

 

Der Buchwert der russischen Tochter in der Bilanz der RBI beträgt mittlerweile weniger als eine Milliarde Euro. Zur Erinnerung: der RBI-Jahresgewinn betrug 2022 3,6 Mrd. Euro.[10] Es ist weder betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich nachvollziehbar, warum angesichts des überschaubaren potenziellen Verlustes (im Verhältnis zur Unternehmensgröße) ein so hohes Risiko hinsichtlich Repressalien oder Reputationsverlust eingegangen wird.

Der weitere Verbleib der RBI im brutalen Putin-Regime stellt aber nicht nur ein Risiko für RBI dar, sondern auch für die Republik. Internationale Medien berichten regelmäßig über die zögerliche Haltung der österreichischen Entscheidungsträger in Bezug auf Geschäftspraktiken mit Russland. Die Zurechtweisung der Europäischen Zentralbank durch den österreichischen Finanzminister könnte den Eindruck verstärken, dass hierzulande die Profite einer privaten, österreichischen Bank mehr zählen als die europäischen Sanktionen gegenüber Russland, die zum Schutz der ukrainischen Bevölkerung beschlossen worden sind.

Die unterzeichnenden Abgeordneten vertreten die Meinung, dass die seit dem Kriegsbeginn vergangene Zeit – 1,5 Jahre – für die RBI ausreichend war, einen eindeutigen Fahrplan zum Ausstieg aus Russland vorzulegen. Unklar bleibt auch, ob und wie das Finanzministerium auf einen solchen hingewirkt hat.

Angesichts der finanziellen Risiken für das österreichische Finanzsystem und der Gefahr der weiteren Rufschädigung, stellen die unterfertigenden Abgeordneten an Sie als zuständiger Minister folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Im Brief an Andrea Enria weisen Sie darauf hin, dass politischer und institutioneller Druck auf die RBI die Preise für Exit-Deals drücken könnten. Sind Ihnen Angebote aus Russland oder Belarus für den Kauf der RBI bekannt?

a)    Wenn nein, sind Ihnen andere aktuelle Gespräche der RBI mit russischen Vertretern zur Reduktion oder der Aufgabe des Russlandgeschäfts bekannt?

2)    Welchen Inhalt hatte Ihr Brief an Andrea Enria (Übermittlung einer Kopie als Beilage zur Anfragebeantwortung)?

a)    Wann und unter welchen Umständen wurde der Brief an Andrea Enria versendet?

3)    In der Anfragebeantwortung 13935/AB des BMF wurde die Einschätzung mitgeteilt, dass kein besonderes Reputationsrisiko für die RBI oder die Republik Österreich erwächst, solange die Präsenz in Russland unter strikter Einhaltung der internationalen Sanktionen erfolgt. Angesichts der deutlichen Signale der Europäischen Bankenaufsicht, die russischen Märkte zu verlassen, halten Sie bzw. Ihr Haus an dieser Einschätzung fest?

4)    Haben Sie die RBI im Vorfeld des Briefs an Andrea Enria über diesen informiert?

5)    Gab es Gespräche zwischen Ihnen bzw. Ihrem Haus und Vertretern der RBI?

a)    Wenn ja, wann fanden diese Gespräche statt?

b)    Wenn ja, was wurde der RBI bezüglich einer Exit-Strategie kommuniziert?

c)    Wenn ja, war der Wunsch der RBI nach einem Brief an die Europäische Bankenaufsicht Thema und Inhalt dieser Gespräche?

d)    Wenn ja, sind Aufzeichnungen über diese Gespräche veraktet?

e)    Wenn ja, waren staatliche Hilfsmaßnahmen für die RBI im Falle eines Russland-Exits Thema dieser Gespräche?

6)    Gibt oder gab es Schriftverkehr zwischen Ihnen bzw. Ihrem Haus und Vertretern der RBI bezüglich der Exit-Strategie aus Russland?

7)    Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um die Empfehlung der Europäischen Bankenaufsicht, Exit-Pläne für die Russlandtöchter europäischer Banken vorzulegen, bei der RBI zu beschleunigen?

8)    Haben Sie bzw. ihre Vertreter:innen bezüglich der finanziellen Risiken des Verbleibs der RBI in Russland Gespräche mit der FMA geführt?

a)    Wenn ja, was war der Inhalt dieser Gespräche?

b)    Wenn nein, warum wurden keine Gespräche mit der FMA anberaumt?

9)    Welche Risikoanalysen liegen Ihnen vor, insbesondere über mögliche Sanktionen oder Repressionen der EZB gegenüber der RBI?

10) Liegt Ihnen Schriftverkehr von der EZB bzw. der EBA zur Materie rund um die Russlandgeschäfte der RBI vor?

a)    Wenn ja, was ist der Inhalt dieses Schriftverkehrs?

11) Liegen Ihnen Informationen darüber vor, ob das starke geschäftliche Engagement Österreichischer Firmen in Russland - wie beispielsweise die OMV- zu einem Downgrading des Kreditratings der Republik Österreich führt?

12) Liegen Ihnen mittlerweile Zahlen oder Analysen zu den Swift-Zahlungen zwischen Russland und den EU-Staaten vor?

a)    Wenn ja, wie hoch ist der Anteil der RBI am Swift-Zahlungsverkehr nach und aus Russland?

b)    Ist der Anteil der RBI am Swift-Zahlungsverkehr seit März gestiegen, gesunken oder gleichgeblieben?

13) Liegen Ihnen Informationen darüber vor, welche Risikovorsorgen die RBI in Bezug auf einen Exit oder eine deutliche Verschlechterung des Russlandsgeschäfts getroffen hat?

a)    Wenn ja, wurde die RBI angewiesen, Risikovorsorgen zu treffen?

14) Liegen Ihnen Informationen darüber vor, welche Risikovorsorgen bei den Raiffeisen Landesbanken getroffen werden?



[1] https://www.rbinternational.com/de/investoren/berichte/geschaeftsberichte/_jcr_content/root/responsivegrid/contentcontainer/contentbox/downloadlist_copy_22_709636949.download.html/0/Geschaeftsbericht.pdf

[2] https://www.wienerzeitung.at/h/russland-fullt-raiffeisens-gewinnschatulle-weiter-massiv

[3] https://www.rbinternational.com/de/media/2022/rbi-prueft-alle-strategischen-optionen-fuer-die-zukunft-der-raiffeisenbank-russland.html

[4] https://www.ft.com/content/1cea1f08-83ac-4471-9fa4-1cdfcc86fcb0

[5] https://kurier.at/wirtschaft/raiffeisen-will-sich-von-russland-geschaeft-trennen-rbi-ukraine/402383696

[6] https://www.wienerzeitung.at/h/bei-rbi-nimmt-abspaltung-des-russland-geschafts-formen-an

[7] https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.mepletter230627_deLange_Jukneviciene~89b4de55a4.en.pdf

[8] https://www.diepresse.com/13450295/finanzminister-brunner-nimmt-russland-banken-in-schutz 

[9] https://www.reuters.com/business/finance/raiffeisen-delays-quitting-russia-austria-defends-ties-sources-2023-07-06/

[10] https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/6245581/Ausstieg-weiter-offen_RBI-hat-Gewinn-in-Russland-2022-mehr-als