15851/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.08.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Startup Mitarbeiterbeteiligung: Wurden die Expert:innen wieder ignoriert?

 

Mitarbeiter:innenbeteiligung hat sich gerade im Startup Bereich als probates Mittel erwiesen, um die besten Köpfe zu gewinnen, zu halten und zu Bestleistungen zu motivieren. Flexible und modernere Gesellschaftsstrukturen sind ein wichtiges Instrument für neue Unternehmer:innen wie für internationale Investor:innen. Einer der größten Vorteile der Übertragung von Geschäftsanteilen an Mitarbeiter:innen ist eine engere Bindung von Talenten ans Unternehmen. Mitarbeiter:innen, die einen Anteil am Unternehmen besitzen, identifizieren sich oft stärker mit dem Unternehmen und sind daher eher geneigt, längerfristig zu bleiben. Die Möglichkeiten der Mitarbeiter:innenbeteiligung in Österreich entsprechen aktuell jedoch nicht international gängigen Modellen. Ganz im Gegenteil: Die bestehenden Möglichkeiten sind schwer verständlich und eine teure Ausarbeitung durch große Anwaltskanzleien ist für solche Konstruktionen nötig. Dazu kommt die sogenannte "dry income"-Problematik: Die Steuerpflicht wird im Erwerbszeitpunkt der Beteiligung begründet, sodass Arbeitnehmer:innen eine erhebliche Steuerbelastung treffen kann, ohne dass ihm liquide Mittel zufließen. 

 

Jahrelang wurden die Wünsche der Startup-Szene in Österreich ignoriert. Im Startup Monitor 2022 sagten 46 % der Unternehmen, dass sie sich von der Politik bessere Möglichkeiten zur Beteiligung von Mitarbeiter:innen wünschen. Am 30.05.2023 wurde nun das lang angekündigte Startup Paket der Bundesregierung in Begutachtung gebracht. Bis 7.7.2023 konnte man den Entwurf öffentlich kommentieren. Es besteht aus zwei Teilen:

 

Die eingelangten Stellungnahmen zur neuen Form der Mitarbeiter:innenbeteiligung zeigen, dass der für Startups zuständige Wirtschaftsminister Kocher, der Rat für Forschung und Technologieentwicklung sowie zahlreiche Vertreter:innen von Startups und Investor:innen noch einiges an Verbesserungsbedarf sehen. Kritisiert wird, dass der getroffene Kompromiss unnötig komplex sei und nicht internationalen Standards entspricht.

Kritikpunkte im Überblick

  1. Besteuerung: Der Mischsteuersatz ist unnötig kompliziert und entspricht nicht internationalen Standards. Es wäre sachgerechter, einheitlich den Steuersatz der KESt von 27,5 % anzuwenden.
  2. Voraussetzungen für Arbeitnehmer:innen (Steuervorteil nur, wenn die Dauer des Dienstverhältnisses mindestens 3 Jahre ist und Anteile 5 Jahre gehalten wurden): International üblicher wären kürzere Fristen, damit Branchen mit schnellerem Time-to-Exit sowie später eintretende Mitarbeiter:innen nicht benachteiligt werden.
  3. Voraussetzungen des Unternehmens (max. 10 Jahre alt, 100 Arbeitnehmer:innen und 40 Mio. EUR Umsatz): Entwurf ignoriert völlig, dass in manchen Branchen Entwicklung länger dauert (z. B. Life Science). Die Schwellenwerte sind viel zu niedrig, da z.B. auch Scaleups eine attraktive Mitarbeiter:innenbeteiligung brauchen. In der eigenen Problemanalyse (WFA) steht, dass "bestehende Steuerbefreiungen für Mitarbeiter:innenbeteiligungen den Herausforderungen von Start-Ups und von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nicht hinreichend Rechnung tragen können" und dennoch wurden die Schwellenwerte unterhalb der gängigen Definition für KMU von 249 Mitarbeiter:innen angesetzt.

Vergleich mit deutschem Nachbarn

Die deutsche und österreichische Wirtschaft ist gerade im innovativen Bereich sehr eng miteinander verwoben. Im Wettkampf um gute Mitarbeiter:innen ist der Wettbewerb mit Deutschland daher besonders groß. Ein Vergleich mit dem neuen Modell von Finanzminister Lindner, dem Zukunftsfinanzierungsgesetz, zeigt, wie unambitioniert der Entwurf von Bundesminister Brunner ist:

 

 

AT

DE

Besteuerung

75 % zu 27,5 % KESt

25 % zu ESt-Steuersatz

100 % zu 25 % Pauschalbesteuerung

+ Freibetrag iHv 5000 EUR

Mitarbeiter:innenanzahl

100

500

Umsatz/Vermögenswerte

40 Mio. Euro Umsatz

100 Mio. Euro Umsatz

86 Mio. Euro Jahresbilanzsumme

Alter des Unternehmens

10 Jahre

20 Jahre

Diese Anfrage dient dazu transparent zu machen, was die Gründe für die geringen Ambitionen sind und inwiefern auf die zahlreichen Änderungsvorschläge der Expert:innen im Begutachtungsverfahren bzw. auf Bundesminister Kocher gehört wurde.

Start-Up-Förderungsgesetz: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/ME/275/fnameorig_1566816.html

Stellungnahme BM Kocher: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/SNME/251009/imfname_1575370.pdf

Stellungnahme Rat für Forschung und Technologieentwicklung: https://www.parlament.gv.at/PtWeb/api/s3serv/file/f4d9cb95-83fa-49b3-a51d-6820afa65dd2

Stellungnahme Austrian StartUps: https://www.parlament.gv.at/PtWeb/api/s3serv/file/7e024606-c167-4ca2-bb35-9ac64801850e

Stellungnahme Invest Austria https://www.parlament.gv.at/PtWeb/api/s3serv/file/cff364e0-5338-42fc-a900-d7e90d866390

Stellungnahme Speedinvest: https://www.parlament.gv.at/PtWeb/api/s3serv/file/6ba749f8-1a80-4d88-ae71-76d53b7282ee

DE Zukunftsfinanzierungsgesetz: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/20_Legislaturperiode/2023-04-12-ZuFinG/0-Gesetz.html

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Änderungen: Welche Änderungsvorschläge aus dem Begutachtungsverfahren wurden aufgenommen?
    1. Falls nicht übernommen: Warum wurden die Änderungsvorschläge von Bundesminister Kocher ignoriert?
    2. Falls nicht übernommen: Warum wurden die Änderungsvorschläge des Rates für Forschung und Technologieentwicklung ignoriert?
    3. Falls nicht übernommen: Warum wurden die Änderungsvorschläge von Startup Vertreter:innen und Investor:innen ignoriert?
  1. Mischsteuersatz: Welche Überlegungen stehen hinter dem komplizierten und international unüblichen Mischsteuersatz?
  2. Freibetrag: Inwiefern wurde im Verlauf der Erarbeitung des Gesetzes die Einführung eines Freibetrages, wie in Deutschland, erwogen und warum wurde dieser schließlich nicht aufgenommen?
  3. Schwellenwerte: In der WFA steht, dass "Bestehende Steuerbefreiungen für Mitarbeiterbeteiligungen den Herausforderungen von Start-Ups und von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nicht hinreichend Rechnung tragen können":
    1. Warum wurde der Schwellenwert nicht auf die gängige KMU Definition von 249 Mitarbeiter:innen festgesetzt, sondern auf 100 Mitarbeiter:innen eingegrenzt?
  1. Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich:
    1. Inwiefern wurde bei der Ausgestaltung des neuen Startup Mitarbeiter:innenbeteiligungsmodells der neue Entwurf des deutschen Finanzministers berücksichtigt?

                                          i.    Inwiefern wurde berücksichtigt, dass die geplante deutsche Reform viel attraktiver ist, als das vorgelegte österreichische Modell?

                                        ii.    Inwiefern wirkt sich die unterschiedliche Ausgestaltung zum Nachteil im Wettbewerb mit Deutschland um qualifizierte Mitarbeiter:innen aus?

    1. Inwiefern wurde bei der Ausgestaltung des neuen Startup Mitarbeiter:innenbeteiligungsmodells der Entwurf andere Modelle in Europa berücksichtigt?