Eingelangt am 02.08.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg
Sarre, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Folgeanfrage Schulentwicklung,
Brennpunktschulen und Chancenindex
Wie internationale Vergleichsstudien seit
Jahrzehnten immer wieder aufzeigen, hängt eine erfolgreiche
Bildungslaufbahn in Österreich überdurchschnittlich stark vom
Bildungsniveau und vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern ab. In
Schulen in herausfordernder Lage - also in Schulen mit einem hohen Anteil an
Kindern aus "bildungsfernen" und sozioökonomisch schwachen
Familien - verstärkt sich dieser Effekt noch, indem alle Kinder durch das
insgesamt niedrigere Leistungsniveau in ihrem Lernfortschritt gebremst werden
("Kompositionseffekt").
Um diese negative Dynamik zu durchbrechen und
Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft gute
Bildungschancen zu bieten, wurden auch in Österreich Projekte in den
Bereichen Schulentwicklung und Chancenindex ins Leben gerufen, die allerdings
nur sehr zaghaft im Bildungsbudget berücksichtigt wurden.
Von 2017-2022 lief das Projekt
"Grundkompetenzen absichern" mit rund 450 beteiligten Schulen. Die
Schulen - ausschließlich Volksschulen und Mittelschulen - wurden vom
IQS-Vorgängerinstitut BIFIE auf Basis der Bindungsstandard-Überprüfungen
(BIST-Ü) herausgefiltert und vom BMBWF zur Teilnahme verpflichtet.
Evaluiert wurde das Projekt in Kooperation mit der FH Campus Wien und der
Universität Salzburg (vgl. https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:f89f1c33-1c76-4309-ae5c-a5e196053c2f/gruko_eval_schlussbericht.pdf).
Von 2021-2023 lief (läuft?) das Projekt
"100 Schulen, 1000 Chancen", das von der Universität Wien
wissenschaftlich begleitet wird. Ausgewählt wurden 100 Volks- und
Mittelschulen nach einem Index des Instituts
des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen
Schulwesen (IQS) sowie nach Kriterien der Universität Wien. Diese
Kriterien waren die Alltagssprache der Schülerinnen und Schüler sowie
der Bildungshintergrund und sozioökonomische Faktoren des Elternhauses.
Ausgewählt wurden Schulen aus allen Bundesländern, die bei
Bildungsstandards unter oder über den Erwartungen abschnitten. Die
Teilnahme war freiwillig.
Einige Informationen zu den Projekten wurden
in der Anfragebeantwortung 3054/AB zur Anfrage "Schulentwicklung,
Brennpunktschulen und Chancenindex" bereits dargelegt. Seither sind fast
drei Jahre vergangen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Zum Schulentwicklungsprojekt "Grundkompetenzen
absichern" wurde in Kooperation mit der FH Campus Wien und der
Universität Salzburg eine Evaluation vorgelegt. Welche Schlüsse
ziehen sie aus dem Projekt und der vorliegenden Evaluation
- für die Schulentwicklung insgesamt und
- für die Schulentwicklung an Schulen in
herausfordernder Lage ("Brennpunktschulen") im Besonderen?
- Sind Folgeprojekte oder Änderungen im
Regelbetrieb geplant, die daraus resultieren?
- Wenn ja, welche, mit welchem Zeitplan,
welchen Verantwortlichen und welchen Ressourcen?
- Wenn nein, warum nicht?
- Die Schulen wurden auf Basis ihrer
Ergebnisse bei BIST-Ü (Bildungsstandard-Überprüfungen)
ausgewählt, mittlerweile werden aber anstelle der BIST-Ü die IKMPLUS
("Individuelle Kompetenzmessungen Plus")
durchgeführt.
- Wie schnitten die ausgewählten Schulen
bei den BIST-Ü vor Projektbeginn ab? Bitte um Angabe, um wieviel Prozent
der Durchschnittswert der ausgewählten Schulen vom
österreichweiten Durchschnittswert abwich.
- Wie schnitten die ausgewählten Schulen
bei den IKMPLUS nach Projektende ab? Bitte um Angabe, um
wieviel Prozent der Durchschnittswert der ausgewählten Schulen vom
österreichweiten Durchschnittswert abwich.
- Wie interpretieren Sie diese Ergebnisse?
- Als Indikatoren für die Erfolgsmessung
des Projekts wurden in der Anfragebeantwortung 3054/AB genannt:
- Reduktion der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die
Bildungsstandards nicht erreichen (unter Kompetenzstufe 1).
- Wenigstens 50 % der priorisierten Schulen erreichen signifikant
höhere Werte bei den BIST-Überprüfungen.
- Wurden diese Ziele erreicht?
- Wenn ja, inwiefern?
- Wenn nein, warum nicht?
- Für das Projekt "100
Schulen – 1000 Chancen" waren 15 Mio. Euro pro Jahr
budgetiert, bzw. 37,5 Mio. insgesamt (15 Mio. 2021, 15 Mio. 2022 und 7,5
Mio. 2023).
- Wie viel davon wurde
im Jahr 2021 an Schulen ausbezahlt?
i. Bitte um Aufgliederung nach Schularten und
Bundesländern.
ii. Wie viele der 100 Schulen haben in diesem Jahr
Zahlungen erhalten?
- Wie viel davon wurde
im Jahr 2022 an Schulen ausbezahlt?
i. Bitte um Aufgliederung nach Schularten und
Bundesländern.
ii. Wie viele der 100 Schulen haben in diesem Jahr
Zahlungen erhalten?
- Wie viel davon
wurde/wird im Jahr 2023 an Schulen ausbezahlt?
i. Bitte um Aufgliederung nach Schularten und
Bundesländern.
ii. Wie viele der 100 Schulen haben in diesem Jahr
Zahlungen erhalten bzw. werden sie noch erhalten?
- Wie verteilen sich die
ausbezahlten Mittel auf Sachkosten und Personalkosten?
- Aufgrund der kurzen
Laufzeit des Projekts ist anzunehmen, dass die teilnehmenden Schulen eher
Sachinvestitionen tätigen und nicht Personal (bspw. psychosoziales
Supportpersonal) aufbauen, das nach Projektende wieder gekündigt
werden muss.
- Betrachten Sie
die Ergebnisse dennoch als aussagekräftig hinsichtlich der
Fragestellung, was Schulen in herausfordernder Lage benötigen, um
die Herausforderungen zu bewältigen?
- Welche
Einschränkungen der Aussagekraft müssen gff. hingenommen werden
bzw. was ist bei der Interpretation der Ergebnisse aus Ihrer Sicht zu
beachten?
- Welche Arten von Investitionen bzw.
Unterstützungen (bspw. Umbaukosten, Lernmittel, IT, Mobiliar,
Lehrpersonal, Supportpersonal, ...) haben die Schulen angefragt? Bitte um
prozentuelle Darstellung, aufgegliedert nach Bundesländern.
- Für das Projekt
liegt noch keine Evaluierung vor, aber am 4. April 2023 fand eine Tagung
zum Thema „Wie man Schulen in herausfordernden Lagen
unterstützen kann? Erfahrungen aus Forschungsprojekten“ statt.
Laut Universität Wien nahmen an der Tagung 18 Expert*innen aus
Wissenschaft und Bildungsadministration, inklusive des Projektteams
„100 Schulen – 1000 Chancen“ (BMBWF und Universität
Wien) teil. Ein schriftlicher Bericht über die Ergebnisse der Tagung
wurde angekündigt.
- Liegt dieser Bericht
bereits vor?
- Wenn ja, wo ist er
einsehbar?
- Wenn nein, bis wann
ist mit dem Bericht zu rechnen?
- Der Bildungserfolg von
Kindern und Jugendlichen hängt in Österreich noch immer besonders
stark vom Bildungshintergrund und sozioökonomischen Status der Eltern
ab. Als Hebel gegen diese Benachteiligung von Kindern aus
"bildungsfernen" und sozioökonomisch schwächeren
Familien gilt die Umstellung der Schulfinanzierung hin zu einem sozial-
oder chancenindexbasierten Modell.
- Betrachten Sie das
"100 Schulen - 1000 Chancen Projekt" bereits als eine solche
Reform oder kann angesichts der bescheidenen budgetären Ausstattung
(15 Mio. Euro sind 1,4 Promille
des gesamten Bildungsbudgets von rund 11 Mrd. Euro) nicht davon
gesprochen werden?
- Gibt es seitens des
BMBWF Pläne oder Vorarbeiten, um zukünftig eine
Chancenindex-Finanzierung des Schulsystems einzuführen?
i. Wenn ja, inwiefern?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Wie haben sich die
Leistungen der Schüler:innen an Schulen in herausfordernder Lage
("Brennpunktschulen") im Vergleich zur
Schüler:innen-Gesamtpopulation bei der letzten IKMPLUS und
vorhergehenden Messungen (BIST-Ü und IKMPLUS) entwickelt?
Haben die Leistungsunterschiede zugenommen oder abgenommen?
- In der
Anfragebeantwortung 3054/AB wurde angekündigt, dass die Ergebnisse des Projekts in einem Abschlussbericht
veröffentlicht werden sollen, um daraus Entwicklungsperspektiven
für eine bedarfsorientierte Mittelzuweisung ableiten zu können.
- Bis wann ist geplant, diesen Bericht zu
veröffentlichen?
- Wer ist mit der Erstellung des Berichts
befasst?