15853/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.08.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Folgeanfrage Schulentwicklung, Brennpunktschulen und Chancenindex

 

Wie internationale Vergleichsstudien seit Jahrzehnten immer wieder aufzeigen, hängt eine erfolgreiche Bildungslaufbahn in Österreich überdurchschnittlich stark vom Bildungsniveau und vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern ab. In Schulen in herausfordernder Lage - also in Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus "bildungsfernen" und sozioökonomisch schwachen Familien - verstärkt sich dieser Effekt noch, indem alle Kinder durch das insgesamt niedrigere Leistungsniveau in ihrem Lernfortschritt gebremst werden ("Kompositionseffekt"). 

Um diese negative Dynamik zu durchbrechen und Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft gute Bildungschancen zu bieten, wurden auch in Österreich Projekte in den Bereichen Schulentwicklung und Chancenindex ins Leben gerufen, die allerdings nur sehr zaghaft im Bildungsbudget berücksichtigt wurden.

Von 2017-2022 lief das Projekt "Grundkompetenzen absichern" mit rund 450 beteiligten Schulen. Die Schulen - ausschließlich Volksschulen und Mittelschulen - wurden vom IQS-Vorgängerinstitut BIFIE auf Basis der Bindungsstandard-Überprüfungen (BIST-Ü) herausgefiltert und vom BMBWF zur Teilnahme verpflichtet. Evaluiert wurde das Projekt in Kooperation mit der FH Campus Wien und der Universität Salzburg (vgl. https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:f89f1c33-1c76-4309-ae5c-a5e196053c2f/gruko_eval_schlussbericht.pdf).

Von 2021-2023 lief (läuft?) das Projekt "100 Schulen, 1000 Chancen", das von der Universität Wien wissenschaftlich begleitet wird. Ausgewählt wurden 100 Volks- und Mittelschulen nach einem Index des Instituts des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen (IQS) sowie nach Kriterien der Universität Wien. Diese Kriterien waren die Alltagssprache der Schülerinnen und Schüler sowie der Bildungshintergrund und sozioökonomische Faktoren des Elternhauses. Ausgewählt wurden Schulen aus allen Bundesländern, die bei Bildungsstandards unter oder über den Erwartungen abschnitten. Die Teilnahme war freiwillig. 

Einige Informationen zu den Projekten wurden in der Anfragebeantwortung 3054/AB zur Anfrage "Schulentwicklung, Brennpunktschulen und Chancenindex" bereits dargelegt. Seither sind fast drei Jahre vergangen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Zum Schulentwicklungsprojekt "Grundkompetenzen absichern" wurde in Kooperation mit der FH Campus Wien und der Universität Salzburg eine Evaluation vorgelegt. Welche Schlüsse ziehen sie aus dem Projekt und der vorliegenden Evaluation
    1. für die Schulentwicklung insgesamt und
    2. für die Schulentwicklung an Schulen in herausfordernder Lage ("Brennpunktschulen") im Besonderen?
  1. Sind Folgeprojekte oder Änderungen im Regelbetrieb geplant, die daraus resultieren?
    1. Wenn ja, welche, mit welchem Zeitplan, welchen Verantwortlichen und welchen Ressourcen?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Die Schulen wurden auf Basis ihrer Ergebnisse bei BIST-Ü (Bildungsstandard-Überprüfungen) ausgewählt, mittlerweile werden aber anstelle der BIST-Ü die IKMPLUS ("Individuelle Kompetenzmessungen Plus") durchgeführt. 
    1. Wie schnitten die ausgewählten Schulen bei den BIST-Ü vor Projektbeginn ab? Bitte um Angabe, um wieviel Prozent der Durchschnittswert der ausgewählten Schulen vom österreichweiten Durchschnittswert abwich.  
    2. Wie schnitten die ausgewählten Schulen bei den IKMPLUS nach Projektende ab? Bitte um Angabe, um wieviel Prozent der Durchschnittswert der ausgewählten Schulen vom österreichweiten Durchschnittswert abwich.  
    3. Wie interpretieren Sie diese Ergebnisse?
  1. Als Indikatoren für die Erfolgsmessung des Projekts wurden in der Anfragebeantwortung 3054/AB genannt:
    - Reduktion der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Bildungsstandards nicht erreichen (unter Kompetenzstufe 1). 
    - Wenigstens 50 % der priorisierten Schulen erreichen signifikant höhere Werte bei den BIST-Überprüfungen.
    1. Wurden diese Ziele erreicht?
    2. Wenn ja, inwiefern?
    3. Wenn nein, warum nicht?
  1. Für das Projekt "100 Schulen – 1000 Chancen" waren 15 Mio. Euro pro Jahr budgetiert, bzw. 37,5 Mio. insgesamt (15 Mio. 2021, 15 Mio. 2022 und 7,5 Mio. 2023).
    1. Wie viel davon wurde im Jahr 2021 an Schulen ausbezahlt?

                                          i.    Bitte um Aufgliederung nach Schularten und Bundesländern.

                                        ii.    Wie viele der 100 Schulen haben in diesem Jahr Zahlungen erhalten?

    1. Wie viel davon wurde im Jahr 2022 an Schulen ausbezahlt?

                                          i.    Bitte um Aufgliederung nach Schularten und Bundesländern.

                                        ii.    Wie viele der 100 Schulen haben in diesem Jahr Zahlungen erhalten?

    1. Wie viel davon wurde/wird im Jahr 2023 an Schulen ausbezahlt?

                                          i.    Bitte um Aufgliederung nach Schularten und Bundesländern.

                                        ii.    Wie viele der 100 Schulen haben in diesem Jahr Zahlungen erhalten bzw. werden sie noch erhalten?

  1. Wie verteilen sich die ausbezahlten Mittel auf Sachkosten und Personalkosten?
  2. Aufgrund der kurzen Laufzeit des Projekts ist anzunehmen, dass die teilnehmenden Schulen eher Sachinvestitionen tätigen und nicht Personal (bspw. psychosoziales Supportpersonal) aufbauen, das nach Projektende wieder gekündigt werden muss. 
    1. Betrachten Sie die Ergebnisse dennoch als aussagekräftig hinsichtlich der Fragestellung, was Schulen in herausfordernder Lage benötigen, um die Herausforderungen zu bewältigen?
    2. Welche Einschränkungen der Aussagekraft müssen gff. hingenommen werden bzw. was ist bei der Interpretation der Ergebnisse aus Ihrer Sicht zu beachten?
  1. Welche Arten von Investitionen bzw. Unterstützungen (bspw. Umbaukosten, Lernmittel, IT, Mobiliar, Lehrpersonal, Supportpersonal, ...) haben die Schulen angefragt? Bitte um prozentuelle Darstellung, aufgegliedert nach Bundesländern.
  2. Für das Projekt liegt noch keine Evaluierung vor, aber am 4. April 2023 fand eine Tagung zum Thema „Wie man Schulen in herausfordernden Lagen unterstützen kann? Erfahrungen aus Forschungsprojekten“ statt. Laut Universität Wien nahmen an der Tagung 18 Expert*innen aus Wissenschaft und Bildungsadministration, inklusive des Projektteams „100 Schulen – 1000 Chancen“ (BMBWF und Universität Wien) teil. Ein schriftlicher Bericht über die Ergebnisse der Tagung wurde angekündigt.
    1. Liegt dieser Bericht bereits vor?
    2. Wenn ja, wo ist er einsehbar?
    3. Wenn nein, bis wann ist mit dem Bericht zu rechnen?
  1. Der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen hängt in Österreich noch immer besonders stark vom Bildungshintergrund und sozioökonomischen Status der Eltern ab. Als Hebel gegen diese Benachteiligung von Kindern aus "bildungsfernen" und sozioökonomisch schwächeren Familien gilt die Umstellung der Schulfinanzierung hin zu einem sozial- oder chancenindexbasierten Modell. 
    1. Betrachten Sie das "100 Schulen - 1000 Chancen Projekt" bereits als eine solche Reform oder kann angesichts der bescheidenen budgetären Ausstattung (15 Mio. Euro sind 1,4 Promille des gesamten Bildungsbudgets von rund 11 Mrd. Euro) nicht davon gesprochen werden?
    2. Gibt es seitens des BMBWF Pläne oder Vorarbeiten, um zukünftig eine Chancenindex-Finanzierung des Schulsystems einzuführen?

                                          i.    Wenn ja, inwiefern?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

  1. Wie haben sich die Leistungen der Schüler:innen an Schulen in herausfordernder Lage ("Brennpunktschulen") im Vergleich zur Schüler:innen-Gesamtpopulation bei der letzten IKMPLUS und vorhergehenden Messungen (BIST-Ü und IKMPLUS) entwickelt? Haben die Leistungsunterschiede zugenommen oder abgenommen?
  2. In der Anfragebeantwortung 3054/AB wurde angekündigt, dass die Ergebnisse des Projekts in einem Abschlussbericht veröffentlicht werden sollen, um daraus Entwicklungsperspektiven für eine bedarfsorientierte Mittelzuweisung ableiten zu können.
    1. Bis wann ist geplant, diesen Bericht zu veröffentlichen?
    2. Wer ist mit der Erstellung des Berichts befasst?