15857/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.08.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Gefährdungslage für Kritiker:innen des chinesischen Regimes

 

Die Volksrepublik China ist eine Diktatur, in der die Kommunistische Partei und ihre Funktionäre das politische Leben auf allen Ebenen des stark zentralistisch organisierten "Parteistaates" dominieren. Xi Jinping ist derzeit der mächtigste Mann Chinas. Unter ihm traten seit 2012 restriktive und repressive Herrschaftspraktiken deutlicher zu Tage als unter seinen Vorgängern (https://www.bpb.de/themen/asien/china/44270/charakteristika-des-politischen-systems/).

Die Niederschlagung der Demokratie-Proteste in Hongkong ist ein symptomatisches Beispiel dafür, wie die Volksrepublik mit der Meinungsfreiheit umgeht. "Unter anderem wurden Journalist:innen, Rundfunk- und Fernsehsender und Buchverleger*innen unter Berufung auf das Gesetz über nationale Sicherheit und andere repressive Rechtsvorschriften verfolgt und inhaftiert, während sowohl in Hongkong als auch im Ausland tätige zivilgesellschaftliche Organisationen wegen ihrer legitimen Aktivitäten angeklagt oder schikaniert wurden" (https://www.amnesty.ch/de/ueber-amnesty/publikationen/amnesty-report/jahre/2022/laenderbericht-china).

Dass China auch die Diaspora im Blick behält, ergibt sich auch aus dem Verfassungsschutzbericht 2022. Für den Verfassungsschutz (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) ist China einer der Hauptakteure der Spionage im österreichischen Bundesgebiet: 

"Die Intensität der Operationen ist heutzutage gleichbleibend hoch. HUMINT, verdeckte Einflussnahmen, Desinformation, Wirtschaftsspionage sowie das Durchführen von Cyberangriffen zählen zu den methodischen Vorgehensweisen der Dienste. Auch der Einsatz von sogenannten „Illegalen“ ist ein weiterhin gängiges Mittel.

[...]

Der Iran und China werden ihre geopolitischen Machtansprüche und vor allem ihre Kontrolle über die Diaspora in Österreich weiterführen. [...] China hingegen hat zusätzlich zur Kontrolle der Diaspora noch einen starken Fokus auf Wirtschaftsspionage im Hochtechnologiebereich." (Verfassungsschutzbericht 2022, https://www.dsn.gv.at/501/files/VSB/VSB_2022_bf_12052023.pdf)

Im November 2022 wurde berichtet, dass es in Europa, darunter auch in Österreich, illegale Spionagestationen geben soll, die unter anderem in Verdacht stehen, auch die Diaspora zu überwachen. 

Eine spanische NGO will Informationen zu mehr als 50 solcher Einrichtungen weltweit gesammelt haben. Sie geht davon aus, dass die eigentliche Zahl deutlich höher liegt.“

[…]

Abgesehen von der Frage, ob die Zentren legal errichtet wurden, erheben Medien und NGOs viel gravierendere Vorwürfe. Die Einrichtungen würden unter dem Deckmantel der Servicestellen Dissidenten verfolgen und Druck ausüben. Ein Chinese berichtete in niederländischen Medien, dass er aus China geflohen sei, weil er die Regierung öffentlich kritisiert habe. In Rotterdam wurde er dann über die chinesische "Polizeistation" aufgefordert, nach China zurückzukehren, um seine Probleme zu lösen. Er solle dabei auch an seine Familie denken“ (https://www.derstandard.at/story/2000140553870/china-weist-vorwuerfe-illegaler-polizeistationen-in-europa-zurueck).

Aus dem österreichischen Innenministerium heißt es dazu, „die Attraktivität Österreichs als Operationsgebiet für fremde Nachrichtendienste ist nach wie vor hoch. Dass dabei auch die Diasporagemeinden in den Fokus geraten und so Einfluss in Österreich geübt wird oder mitunter sogar Konflikte nach Österreich getragen werden, können und werden wir nicht akzeptieren.“ Die internationale Zusammenarbeit stehe dabei auch im Fokus der Behörden.

[…]

Wie viele illegaler Polizeistationen es schätzungsweise in Österreich gibt und wie die Behörden in solchen Fällen vorgehen, ließ das Innenministerium offen. Auch wie chinesische Dissidenten vor Verfolgung geschützt werden, sagte der Sprecher nicht“ (https://kurier.at/chronik/oesterreich/oesterreich-prueft-hinweise-auf-illegale-chinesische-polizeistationen/402207900 ).

Es zeigt sich, dass China bemüht ist, Kontrolle auf die chinesische Diaspora auszuüben. Es ist die Pflicht des österreichischen Staates, zu gewährleisten, dass jede Person, die in Österreich aufhältig ist, von ihrem Recht Gebrauch machen kann, die eigene Meinung zu äußern und diese im öffentlichen Raum kundzutun. Es bedarf daher seitens des BMI besonderer Vorkehrungen, um Personen, die dieses Recht ausüben bzw. ausüben wollen, dies zu ermöglichen. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wurde generell von Seiten Ihres Ressorts Kontakt mit Organisationen/Aktivist:innen, die gegen das chinesische Regime auftreten, aufgenommen?
    1. Wenn ja, wann durch wen mit wem?
    2. Wenn ja, welche Wünsche bzw. Forderungen wurden an das BMI durch wen gerichtet?
    3. Wenn ja, wer reagierte wann durch Setzen welcher Maßnahme auf welche Wünsche bzw. Forderungen?
  1. Wurde von Organisationen/Aktivist:innen, die gegen das chinesische Regime auftreten, Kontakt mit dem BMI aufgenommen?
    1. Wenn ja, wann durch wen?
    2. Wenn ja, welche Wünsche bzw. Forderungen wurden an das BMI durch wen gerichtet?
    3. Wenn ja, wer reagierte wann durch Setzen welcher Maßnahme auf welche Wünsche bzw. Forderungen?
  1. Wurde eine Gefährdungseinschätzung für Aktivist:innen gegen das chinesische Regime vorgenommen?
    1. Wenn ja, wann durch wen? 
    2. Wenn ja, mit welchem Ergebnis jeweils wann?
    3. Wenn ja, welche Maßnahmen wurden infolgedessen durch wen und wann gesetzt?
  1. Bei welchen bisher in Österreich stattgefundenen Versammlungen wurde eine Gefährdungseinschätzung für Aktivist:innen gegen das chinesische Regime vorgenommen?
    1. Wann jeweils durch wen? 
    2. Mit welchem Ergebnis jeweils wann?
    3. Welche Maßnahmen wurden infolgedessen durch wen und wann gesetzt?
  1. Wurden Vorkehrungen seitens des BMI getroffen, um die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit von Aktivist:innen gegen das chinesische Regime so zu gewährleisten, dass sich Aktivist:innen damit möglichst wenig Gefahr aussetzen?
    1. Wenn ja, welche Maßnahme(n) wurden wann durch wen gesetzt?
    2. Falls nein, warum nicht?
  1. Wurde bzw. wird Personenschutz für gegen das chinesische Regime agierende Aktivist:innen gewährt?
    1. Wenn ja, für wie viele Personen jeweils wann?
    2. Falls nein: Waren bzw. sind dafür die Ressourcen gegeben?

                                          i.    Wenn ja, in welchem Ausmaß?

                                        ii.    Wenn ja, warum wurde kein Personenschutz gewährt?

  1. Wurden bzw. werden Ermittlungen aufgrund von Anzeigen bzw. Aussagen von Aktivist:innen gegen das chinesische Regime vorgenommen?
    1. Wenn ja, wann aufgrund des Verdachts der Verwirklichung welches Straftatbestandes?
  1. Wurden seitens der DSN Schutzmöglichkeiten (Personen-/Objektschutz, technische Überwachung, Alarmverbindung zu einer Sicherheitsdienststelle odgl.) für Aktivist:innen gegen das chinesische Regime angeboten?
    1. Wenn ja, welche jeweils wann?
    2. Wenn nein, warum nicht?
    3. Falls nein: Wurde generell von Seiten Ihres Ressorts Kontakt mit potentiell bedrohten Aktivist:innen gegen das chinesische Regime aufgenommen?

                                          i.    Wenn ja, wann durch wen?