15865/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.08.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen, an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Folgeanfrage: Entschädigung für Opfer homophober Strafgesetze
Im Jahr 2021 jährte sich die Entkriminalisierung von homosexuellen Handlungen unter Erwachsenen durch die Kleine Strafrechtsreform der Regierung Kreisky I zum 50. Mal. Österreich war damals eines der letzten europäischen Länder, das diesen wichtigen Schritt zur Gleichstellung von Homosexuellen setzte. Doch mit dem Ende der §§ 129 I b (Tat) und 130 (Strafmaß) des Strafgesetzes (StG) von 1852 betreffend das Verbot von "Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts" traten vier neue Strafrechtsparagraphen in Kraft, die die Rechte dieser Personengruppe noch für lange Zeit einschränkten. Der letzte dieser Paragraphen (§ 209) bez. der Festsetzung von unterschiedlichen Mindestaltern zwischen homo- und heterosexuellen Beziehungen blieb bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 2002 in Kraft. Für die tausenden Menschen, die wegen einem dieser Paragraphen angezeigt und verurteilt, bedeutete eine Verurteilung nicht nur öffentliche Stigmatisierung, sondern oft auch den Verlust von Arbeitsplätzen, Einkommen und Existenzen. Am 7. Juni 2021 setzte die Bundesministerin für Justiz mit einer öffentlichen Entschuldigung der Justiz gegenüber den Opfern dieser homophoben Strafgesetze ein wichtiges Zeichen. Diesen Worten müssen aber auch Taten folgen. Dazu braucht es Gesetzgebung, mit der die Opfer homophober Strafgesetze rehabilitiert werden und die Möglichkeit geschaffen wird, Urteile, die gemäß § 129 I b StG sowie nach 1971 gemäß den §§ 209, 210, 220 und 221 StGB gefällt worden sind, offiziell für nichtig zu erklären und als Unrechtsurteile aufheben zu lassen, sowie die Opfer entsprechend zu entschädigen –– sofern es sich im Einzelfall um keine Straftatbestände handelte, die auch heute strafbar wären. Diese Entschädigung muss vor allem die beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten als Ersatzzeit auf die Pensionsversicherungszeit, die entsprechend verzinste Rückzahlung verhängter Geldstrafen sowie die pauschale Abgeltung für allfällige Anwalts- und Gerichtskosten für jedes Haftmonat umfassen. Auch andere Sanktionen, von denen Verurteilte betroffen waren (Aberkennung akademischer Grade, Entzug von Gewerbeberechtigungen, Führerscheinverlust etc.), müssen aufgehoben und entschädigt werden. Aufbauend auf die Anfragebeantwortung 13722/AB stellen sich zahlreiche weitere Fragen, die mittels dieser Anfrage geklärt werden sollen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. In der Anfragebeantwortung 13722/AB gaben Sie an, dass im Zuge des Budgetprozesses 2022 seitens des BMJ Budgetmittel in Höhe von 15 Millionen Euro „für Entschädigungszahlungen wegen Verurteilungen aufgrund gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen“ angesucht wurden: Welche konkreten „im BMJ durchgeführten Berechnungen“ waren Grundlage für diese Summe?
a. Auf welchen Annahmen beruht die Festlegung dieser Budgetsumme und wie vielen Personen wurden auf Basis dieser Summe seitens Ihres Ressorts Entschädigungszahlungen avisiert?
2. Wird Ihr Ressort auch im Zuge des Budgetprozesses 2023 Budgetmittel in derselben Höhe für Entschädigungszahlungen vorsehen?
3. Gab es seitens Ihres Ressorts seit dem Budgetprozess 2022 Verhandlungen mit dem Koalitionspartner, um eine Umsetzung von Entschädigungszahlungen noch im Zuge der laufenden Legislaturperiode sicherzustellen?
a. Wenn ja, mit wem wurde verhandelt und welche Ergebnis sind zu erwarten?
b. Wenn nein, warum nicht?
4. Wurde seitens Ihres Ressorts bereits ein Gesetzesentwurf für die rechtliche Umsetzung etwaiger Entschädigungszahlungen für die gegenständliche Personengruppe ausgearbeitet?
a. Wenn ja, wie genau soll diese gesetzliche Regelung gestaltet sein?
b. Wenn nein, warum wurde daran bisher noch nicht gearbeitet?
5. Welche weiteren konkreten Schritte werden seitens Ihres Ressorts gesetzt, um noch im Zuge dieser Legislaturperiode wirksame Entschädigungszahlungen für die Opfer homophober Strafgesetze umzusetzen?
6. Welche Erlässe wurden seitens des Bundesministeriums für Justiz seit der Abschaffung des § 129 Ib. erlassen, mittels derer der Umgang mit zuvor aufgrund der genannten Paragrafen verurteilten Personen geregelt wurde? Bitte um detaillierte Aufschlüsselung und Beifügung der Erlässe.