15867/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.08.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Folgeanfrage: Diskriminierung HIV-positiver Personen bei der Polizei
HIV hat sich durch die medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte zu einer gut behandelbaren Infektion entwickelt. Menschen mit HIV haben – sofern sie sich in guter und regelmäßiger medizinischer Behandlung befinden – eine nahezu normale Lebenserwartung mit guter Lebensqualität. HIV ist zwar eine chronische Infektion, HIV-Positive unter wirksamer Therapie können jedoch jeden Beruf ohne Einschränkungen ausüben. Eine HIV-positive Person, die unter retroviraler Therapie steht, scheidet als Überträger*in des HI-Virus aus: Die konsequente Behandlung mittels einer antiretroviralen Therapie führt dazu, dass die Virenlast unter der sogenannten Nachweisgrenze (laut WHO: 200 Kopien/ml Blut) liegt – es besteht damit aus medizinischer Sicht keine Ansteckungsgefahr mehr. Leider schreitet die gesellschaftliche Entstigmatisierung von HIV nicht mit gleich großen Schritten voran wie die medizinische Behandelbarkeit. Gerade auch der öffentliche Dienst hat in dieser Frage noch großen Aufholbedarf: Ein positiver HIV-Test schließt bis heute pauschal vom Bewerbungsverfahren für den Polizeidienst in Österreich pauschal aus. Begründet wird dies vom BMI bisher damit, dass jede chronische Erkrankung, die einer Dauermedikation bedarf, ein Ausschlusskriterium darstellt. Dieser generelle Ausschluss ohne Begutachtung der individuellen Tauglichkeit der jeweiligen Person ist laut aktuellem wissenschaftlichem Stand der medizinischen Forschung nicht nachvollziehbar und kommt daher einer Diskriminierung von HIV-positiven Menschen gleich. Gleichzeitig ist eine HIV-Infektion im Zuge des aktiven Dienstzeitraums kein Grund für eine Kündigung oder ähnliches – sie stellt nur beim Zugang zum Polizeidienst eine Hürde dar. Die besonders verantwortungsvolle und herausfordernde Tätigkeit im Rahmen des Polizeidienstes kann natürlich von HIV-positiven Menschen gut bewältigt werden. Die individuelle ärztliche Begutachtung des Einzelfalls und die jeweilige körperliche Leistungsfähigkeit sind klarerweise von enormer Bedeutung – der HI-Virus an sich, vor allem unter der Nachweisgrenze, ist dafür aber kein relevantes Kriterium Der aktuelle generelle Ausschluss erfolgt nicht nach sachlich gerechtfertigten Maßstäben.
In Deutschland hat das Verwaltungsgericht Hannover im Jahr 2019 im Falle eines abgelehnten Bewerbers für den Polizeidienst festgehalten, dass eine HIV-Infektion allein nicht untauglich macht und auch für das Erreichen des Dienstalters kein Thema ist. Die parlamentarische Anfragebeantwortung 13693/AB gibt aber wenig Grund zur Annahme, dass auch in Österreich demnächst ein so wichtiger Schritt umgesetzt werden wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. In der Anfragebeantwortung 13693/AB stellten Sie fest, dass „der Fortschritt der Medizin und insbesondere die besseren Behandlungsmöglichkeiten von Erkrankungen, welche eine Dauermedikation bedürfen, (…) hier jedoch nicht außer Acht gelassen“ werden und deshalb „laufend Evaluierung hinsichtlich einer Adaptierung der Aufnahmepraxis von Exekutivbeamten“ stattfinden: Wie genau sind diese Evaluierungen gestaltet, von wem werden sie durchgeführt und wann war die Frage von HIV-positiven Bewerber*innen für den Polizeidienst dabei zuletzt und mit welchem Ergebnis Thema?
2. Wie oft wurde bisher eine, wie in der Anfragebeantwortung 13693/AB (Frage 7) beschriebene, Verwendungsänderung von Polizeibeamt*innen nach einer HIV-Infektion vorgenommen? Bitte um Aufschlüsselung nach Kalenderjahr und Art der Versetzung.
3. Welche konkreten „medizinischen Anpassungen“, wie in der Anfragebeantwortung 13693/AB (Fragen 8 und 9) angesprochen, durch den Chefärztlichen Dienst des Bundesministeriums für Inneres wurden hinsichtlich chronischer oder dauermedikamentionsbedürfender Erkrankungen seit 2018 durchgeführt?
4. Welche Bewertung trifft der Chefärztliche Dienst des Bundesministeriums für Inneres hinsichtlich der Tauglichkeit von HIV-positiven Personen unter der Nachweisgrenze für die Zulassung zum Polizeidienst?
5. Wird es im Zuge der aktuellen Reform der Polizeizulassung Änderungen hinsichtlich der Zulassung HIV-positiver Personen unter der Nachweisgrenze zum Polizeidienst geben?
a. Wenn ja, welche Änderungen?
b. Wenn nein, warum sehen Sie dazu keine Notwendigkeit?