15870/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.08.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Petra Tanzler,
Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend „Sitzenbleiben und Wiederholungsprüfungen 2022/23“

In diesem Schuljahr und trotz der anhaltenden Herausforderungen unserer Zeit, haben die Schülerinnen und Schüler in Österreich wieder ihr Bestes gegeben, um ihre Bildungsziele zu erreichen. Dies jedoch nicht frei von Druck- stellt doch die Angst vor dem „Sitzenbleiben“ einen wesentlichen Besorgnisgrund für sie dar.

Durch den Ausbruch der Corona-Krise wurden bezüglich Klassenwiederholungen Ausnahmeregeln eingeführt. Vor allem, nachdem Expert:innen - u.a. auch OECD Bildungsexperte Andreas Schleicher - davor gewarnt hatten, gerade nach der Phase der coronabedingten Schulschließungen bzw. des Distanzunterrichts für die entstandenen Lernrückstände mit dem „Sitzenbleiben zu bestrafen", entschied sich das Bildungsministerium für Erleichterungen. Diese Erleichterungen sind nun aber zu großen Teilen weggefallen und das „Sitzenbleiben“ bereitet somit auch wieder mehr Sorgen.

Auch das AK Nachhilfebarometer zeigt deutlich[1]: Für ein Drittel aller Schüler:innen genügt der Unterricht und das Lernen zuhause nicht, um die Lernziele zu erreichen. Für sie müssen Eltern zusätzlich privaten Nachhilfeunterricht organisieren, um den Schulerfolg zu ermöglichen: 30 Prozent aller Schüler:innen haben im laufenden Schuljahr oder in den letzten Sommerferien externe Nachhilfe bekommen, sei es bezahlt oder unbezahlt. Insgesamt haben 167.000 Kindern und Jugendliche, das sind 17 Prozent aller Schüler:innen, in diesem Schuljahr oder im Sommer davor, eine bezahlte Nachhilfe in Anspruch genommen. Von 2017 bis 2023 hat sich der Anteil der Schüler:innen, die Nachhilfe benötigen von 18% auf 30% gesteigert. In der Volksschule braucht schon fast jedes 5. Kind Nachhilfe (eine Steigerung von 6% auf 17% zwischen 2017-2023).

Dazu kommt: Schon vor Jahren wurde das „Sitzenbleiben" OECD-weit als größter Risikofaktor ausgemacht, um an das unterste Ende der Bildungschancen abzurutschen. Eine Sonderauswertung der PISA-Studie ergab: wer eine Klasse wiederholte, hatte selbst unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrunds und der anderen Charakteristika das 6,4-fache Risiko auf eine Einordnung als leistungsschwacher Schüler oder Schülerin. Viele weitere Bildungswissenschafter:innen bestätigen: Das Sitzenbleiben ist in den meisten Fällen pädagogisch fragwürdig.

Die Schüler:innen in Österreich sollten nicht länger mit der Aufgabe „Nachprüfung“ alleine gelassen werden. Die SPÖ hat zur Verbesserung der Situation das Modell „Gratis Nachhilfe bei Nachprüfung an den Schulen“ vorgestellt. Im Modell wird flächendeckend für jeden Schüler und jede Schülerin mit Nachprüfung Unterstützung und Nachhilfe in der Schule – und zwar kostenlos, gefordert. Am Ende des Schuljahres werden die Schüler:innen an der Hand genommen und es wird gemeinsam mit der Lehrperson ein Lernplan erstellt, in welchem sich Lernzeit und Entspannungszeit ergänzen. Diesem Plan können die Schüler:innen dann über den Sommer folgen, bis sie – in den zwei Wochen vor der Nachprüfung – für eine intensivere Lernphase an die Schulen zurückkehren können (zum Einsatz kommen vor allem Lehrer:innen. Diese erhalten – wie bereits jetzt bei der Sommerschule - entweder 50 Euro pro Unterrichtsstunde oder Anspruch auf Zeitausgleich). Somit hängt es nicht länger vom Geldbörserl der Eltern ab, ob ein Kind gut vorbereitet zur Nachprüfung antritt oder nicht.

Denn in einer modernen, wissenschaftsorientierten und diversen Gesellschaft kann es nicht sein, dass das „Sitzenbleiben“ immer noch als Maßstab für den Erfolg oder die Kompetenz von Schülerinnen und Schülern betrachtet wird. Jedes Kind hat unterschiedliche Lernvoraussetzungen und kann sich unter den gegebenen Umständen auf unterschiedliche Weise entwickeln. Das persönliche Lernengagement und die oftmals mitgebrachte Resilienz sind bewundernswert und sollten auch dementsprechend gewürdigt werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehende

 

Anfrage

1)      Wie viele Schülerinnen und Schüler haben dieses Schuljahr positiv (ohne ein „Nicht Genügend“ im Jahreszeugnis) abgeschlossen? Bitte um die Gesamtzahl der Schüler:innen aller Schultypen, einzeln aufgeschlüsselt.

2)      Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG sind Schüler:innen, die im Jahreszeugnis in den Pflichtgegenständen eine negative Beurteilung haben, zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe derselben Schulart berechtigt, wenn dies nicht schon im Vorjahr so gegeben war und die Klassenkonferenz dem zustimmt. Bei wie vielen Schüler:innen war das im Schuljahr 2022/23 der Fall?

3)      Bei wie vielen Schülerinnen war diese Art des Aufstiegs in die nächsthöhere Schulstufe seit dem Schuljahr 2012/13 möglich? Bitte um jährliche Darstellung der Absolutzahlen sowie anteilig an den Schülerinnen je Schulstufe, Schultyp sowie Bundesland.

4)      Wie viele Schüler:innen sind im Schuljahr 2022/23 nicht aufstiegsberechtigt? Bitte um Darstellung der Absolutzahlen sowie anteilig an den Schülerinnen je Schulstufe, Schultyp sowie Bundesland.

5)      Wie viele Schülerinnen waren seit dem Schuljahr 2012/13 nicht aufstiegsberechtigt? Bitte um jährliche Darstellung der Absolutzahlen sowie anteilig an den Schülerinnen je Schulstufe, Schultyp sowie Bundesland.

6)      Wie viele Schüler:innen haben im Herbst 2023 eine/ mehrere Wiederholungsprüfung(en)? Bitte um Darstellung der Absolutzahlen sowie anteilig an den Schülerinnen je Schulstufe, Schultyp sowie Bundesland.

7)      Wie viele Schülerinnen hatten seit dem Schuljahr 2012/13 im Herbst eine/ mehrere Wiederholungsprüfung(en) und wie viele davon wurden positiv bestanden? Bitte um Darstellung der Absolutzahlen sowie anteilig an den Schülerinnen je Schulstufe, Schultyp sowie Bundesland.

8)      Gibt es wiederkehrende Probleme oder Herausforderungen, die zu einem erhöhten Bedarf an Wiederholungsprüfungen geführt haben?

9)      Wie haben sich im Allgemeinen die Ergebnisse der Schuljahresabschlüsse im Vergleich zu den Vorjahren entwickelt (Bitte um Darstellung der Absolutzahlen sowie anteilig an den Schülerinnen je Schulstufe, Schultyp sowie Bundesland)? Gibt es vonseiten des Ministeriums bemerkte signifikante Veränderungen oder Trends, die in Bezug auf die Abschlussquoten und die Notendurchschnitte zu beachten sind?

10)   Wie viele Schüler:innen profitierten im Schuljahr 2019/ 20, 2020/21 sowie 2021/22 von der „Corona- Regelung" (bei einem einzigen Fünfer im Zeugnis steigt man automatisch ohne Wiederholungsprüfung auf)?

11)   Werden die Gründe, welche zu den Wiederholungsprüfungen geführt haben erhoben, bzw. von den Schüler:innen abgefragt?

a)       Wenn ja, welche Gründe werden genannt und gibt es wiederkehrende Probleme oder Herausforderungen, die zu einem erhöhten Bedarf an Wiederholungsprüfungen geführt haben?

b)      Wenn nein, warum wird dies nicht erhoben?

12)   Welche Maßnahmen, Programme oder Initiativen hat Ihr Ministerium ergriffen, um Schüler:innen, die Wiederholungsprüfungen ablegen müssen, zusätzliche Unterstützung und Ressourcen anzubieten?

13)   Wie wirkt sich die Anzahl der Wiederholungsprüfungen auf die Gesamtzahl der erfolgreichen Jahresabschlüsse aus? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Wiederholungsprüfungen und der Abschlussquote?

14)   Welche langfristigen Strategien plant die Regierung, um die Anzahl der Wiederholungsprüfungen zu reduzieren und sicherzustellen, dass Schüler:innen das Schuljahr erfolgreich abschließen können?

15)   Sind weitere Unterstützungsmaßnahmen von Seiten Ihres Ministeriums für Schüler:innen in der Zeit der Sommerferien geplant?

a)       Wenn ja, welche und wann ist mit der Umsetzung zu rechnen?

b)      Wenn nein, warum nicht?

16)   Die SPÖ hat das Modell „Gratis Nachhilfe bei Nachprüfung an den Schulen“, welches eine Lernplanerstellung und ein kostenloses  Lernangebot in den zwei Wochen vor der Nachprüfung vorsieht (zum Einsatz kommen vor allem Lehrer:innen. Diese erhalten – wie bereits jetzt bei der Sommerschule - entweder 50 Euro pro Unterrichtsstunde oder Anspruch auf Zeitausgleich), kürzlich vorgestellt. Werden Sie dieses umsetzen?

a)       Wenn ja, wann?

b)      Wenn nein, warum nicht?

17)   Gibt es regionale Unterschiede oder Disparitäten bei den Jahresergebnissen und der Anzahl der Wiederholungsprüfungen?

a)       Wenn ja, welche spezifischen Maßnahmen ergreift die Regierung, um diese Unterschiede auszugleichen und sicherzustellen, dass Bildungschancen gerecht verteilt sind?



[1] https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitundsoziales/bildung/PK-Unterlage_AK-Nachhilfebarometer_2023.pdf